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Wohnungsnot in StädtenEin total normaler Lebensentwurf

Städ­te­r*in­nen bekommen oft zu hören, sie seien selbst Schuld, wenn sie keine Wohnung finden. „Zieht doch aufs Land“. Eine Verteidigung.

Nicht je­de:r will auf das Land ziehen Foto: imago

N iemand hat die Pflicht, auf’s Dorf zu ziehen. Einige Menschen haben Bock auf Landleben. Andere können sich in den Vororten verorten. Und dann sind da eben auch Leute, die brauchen die Stadt. Bedürfnisse sind unterschiedlich. Lebensentwürfe auch.

Ich bin ein Stadtmensch. In Kreuzberg habe ich angefangen, meine Haare offen zu tragen. Ich habe nicht vor, wieder in Haargummis zu investieren. Wie viel Raum meine Haare bekommen dürfen, ist nach wie vor ein Indikator dafür, wie sicher ich mich als Schwarze Frau an einem Ort fühle. Und ja: Das reicht als Grund, dort bleiben zu wollen.

Es gab Zeiten (noch gar nicht lange her), da war die Wohnraumfrage in meinem Umfeld ständiges Thema. Wohnungsnot, Wohnungssuche und überteuerte Mieten waren anerkannter Smalltalk vor dem Späti oder beim ersten Date. Stadtentwicklung, Wohnungs- und Mietenpolitik bestimmten die politischen Debatten meiner Stadt und führten viele Menschen und Gruppen zusammen, die sonst kaum Berührungspunkte hatten.

Menschen sind desillusioniert

Und für einen Moment fühlte es sich ein bisschen so an, wie Teil einer Bewegung zu sein, die tatsächlich etwas erreichen könnte: Als könnten viele der bedrohten Wohnhäuser, Kiezkneipen, Clubs und Kinderläden gerettet werden. Als könnten wir Berlin davor bewahren, eine anonyme Starbucks-Hölle zu werden, in der sich nur noch Airbnb-Gäste bewegen.

Einen gekippten Mietendeckel und einen erfolgreichen, aber nicht umgesetzten Vergesellschaftungs-Volksentscheid später ist die Berliner Mie­te­r*in­nen­be­we­gung müde und ich bin es auch. Es liegt wohl im existenziellen Kern der Sache, dass Menschen nach vielen Rückschlägen desillusioniert sind. Aber wann sind die Leute eigentlich so gemein geworden? Als ich den Hilferuf eines Freundes teile, der wegen einer unverschämten Eigenbedarfsklage seine Wohnung verliert, wird mir ausführlich erklärt, dass er doch Brandenburg in Betracht ziehen soll.

Warum? Was an „Ich suche eine Wohnung in Berlin“ habt ihr nicht verstanden? Auf meiner eigenen Suche bekam ich Ähnliches zu hören. Eine Bekannte warf mir außerdem „Kiez-Kult“ vor, weil ich möglichst in der Nähe meiner Freundinnen, meines Arbeitsplatzes und meiner Stammkneipe bleiben wollte. Und ja: Für viele bedeutet ein Umzug eben auch ein Stück Identitätsverlust. Ich habe gestandene Frankfurter nach Offenbach ziehen sehen. Es war nicht schön.

Es braucht Solidarität

„Zieht doch aufs Land“ oder „Selbst schuld, wenn man unbedingt in der Stadt wohnen muss“ sind wohl die häufigsten Kommentare unter Artikeln zur Mietenexplosion. Nichts Neues und umso irritierender, dass solche Sprüche nun auch von irgendwie linken Städ­te­r*in­nen kommen. Woher kommt diese Einstellung?

Nichts ist falsch daran, in der Stadt wohnen zu wollen. Es ist nicht elitär, nicht arrogant, nicht selbstverliebt. Es ist einfach ein total normaler Lebensentwurf. Niemand muss sich dafür rechtfertigen oder gar schämen. Eine Familie, die auch mit einem weiteren Kind noch im vertrauten Umfeld wohnen will? Das ist doch kein unverschämter Gedanke. Menschen kämpfen um eine Zweizimmerwohnung innerhalb des S-Bahnrings. Nicht für eine Villa im Grunewald mit Seezugang.

Es gibt weiterhin viel Solidarität. Die braucht es auch. Nicht nur für Durchschnittsverdienende wie mich und meine Friends. Viele Menschen sind in noch viel prekäreren Situationen und das ist an jeder Straßenecke sichtbar. Zynismus und Besserwisserei hilft da kein Stück weiter: Am 1. Juni ist Mietendemo in Berlin.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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45 Kommentare

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  • Mich machen solche Beiträge ratlos. Ich sehe da nur Anspruchsdenken und sehr wenig Selbstreflektion oder gar Grundeinsicht in einfachste ökonomische Zusammenhänge.

    „Ich habe nun mal den Anspruch und das „Bedürfnis“ in Berlin zu wohnen.“

    Darauf gibt es eine einfache, bittere Antwort: „Ja, dann zahl halt den Preis. Weil sehr, sehr viele (verglichen mit dem verfügbaren Wohnraum) andere wollen halt auch in Berlin wohnen. Deshalb ist das so teuer“. Der Preistreiber ist so gesehen nicht der Vermieter, sondern ist ist die große Menge an anderen Mietern, welche mehr zahlen können als man selber.

    Anders gesagt: wer sollte denn bitte nach Meinung der Autorin seine Wohnung räumen müssen damit sie bzw. Freunde von ihr da möglichst günstig einziehen können?

    Ungefähr 8 Milliarden Menschen weltweit wohnen nicht in Berlin, und weit über 70 Millionen in Deutschland auch nicht. Vielleicht kommen viele von denen ja trotzdem ganz gut klar und sind glücklich oder mindestens zufrieden? Mal ausprobieren?

    • @WasWeißDennIch:

      Ähm, Simone Dede Ayivi lebt offenbar schon eine Weile in Berlin. Und relativ viele "normalsterbliche" Menschen leben wie sie auch noch(!) recht zentral in Berlin. Und sie nennt durchaus gute Gründe, wie ich finde, nämlich dass dort auch ihre Freund*innen leben würden und dass sie dort weniger Rassimuserfahrungen machen muss. Rassismus scheinen Sie kaum (gar nicht?) einzubeziehen. Da gibt es viele Gebiete mit AFD-Wahlergebnissen, in denen People of Color sicherlich nicht "glücklich oder mindestens zufrieden" leben können. Dafür muss mensch nicht mal aus Berlin raus, um das festzustellen. Bereits manche Berliner Stadtteile bieten insbesondere bei Dunkelheit kaum Sicherheit(sgefühl).



      Als Preistreiber sind sehr wohl im wesentlichen die Vermieter*innen und ungenügende Wohnungspolitik zu sehen. Sicherlich gibt es auch die Begünstigung von zuziehenden Reicheren. Allerdings ist das ja auch ein schleichender Prozess. "Angestammte" Einwohner*innen müssen Schritt für Schrift mehr Miete zahlen und bringen teils dafür einen wachsenden Anteil ihres Einkommens auf - teils machen das auch Erwerbslose, wenn das Amt die Mietsteigerungen nicht übernimmt.



      Aber ja, definitiv geht es auch grundsätzlich um soziale Gerechtigkeit und Umverteilung - worauf Sie auch hinauswollen, wenn ich Sie richtig verstehe?

  • "Einen gekippten Mietendeckel und einen erfolgreichen, aber nicht umgesetzten Vergesellschaftungs-Volksentscheid später ist die Berliner Mie­te­r*in­nen­be­we­gung müde und ich bin es auch. Es liegt wohl im existenziellen Kern der Sache, dass Menschen nach vielen Rückschlägen desillusioniert sind. Aber wann sind die Leute eigentlich so gemein geworden?"



    Tja, die entfremdeten Bürgis in SPD und Co reiben sich mit den Eigentümer*innen/Aktionär*innen/Mafiosi gemeinsam die Hände: hohe Mieten=große Profite, glanzvolle Bauprojekte, klinisch-reine Glas-Stahl-Beton-Umfeld - was will das Bürgi-Kapialist*innenherz mehr? Sollen die*der Putzkraft, Babysitter*in, Friseur*in ... für ihre lausigen Jobs doch aus dem Umland anreisen. Da geht sicher noch mehr Zynismus. -.-

  • Vermögen, Lebensmittel und Wohnraum, alles genügend vorhanden und nur schlecht verteilt. Der Wohnraum in den Städten ist leicht ausreichend, nur leben wir Deutschen auf zu vielen Quadratmetern und es gibt zu viele Single Haushalte. Wer sich schon das "Leben" in einer Stadt antut kann leicht auf ein paar qm verzichten.

  • "Ich habe gestandene Frankfurter nach Offenbach ziehen sehen. Es war nicht schön." Richtig, als Offebacher finde ich es auch nicht schön, dass jetzt die Frankfurter auf die schönere Seite des Mains wechseln und in Offenbach ihr Unwesen treiben und z.B. das Nordend gentrifizieren.

  • „Wohnungsnot in den Städten“ beschreibt das Problem falsch.

    In vielen Städten gibt es keine Wohnungsnot und manche Städte, beispielsweise in Ostdeutschland, sind gar durch Wohnungsleerstand gekennzeichnet.

    Wohnungsnot existiert in einigen prosperierenden Metropolen Deutschlands, in Städten wie Hamburg. Berlin oder München. Das sind die Städte, in denen die Wirtschaft brummt und wo die selbige für den Wohnungsbau in Verantwortung gezogen werden sollte.

    Solidarität brauchen jene Regionen, aus denen die Menschen wegziehen. Dort muss die Wirtschaft gefördert werden. Dort müssen Arbeitsplätze gefunden werden können. Das nimmt gleichzeitig auch den Druck der Binnenmigratuone auf die boomenden Metropolen raus.

  • Ich finde es irgendwie verquer, dass dieser Kommentar meint, die Entscheidung für ein Leben in der Stadt verteidigen zu müssen. Die darf ja wohl wirklich Jedermensch für sich treffen. Er muss nur bereit sein, dann auch die nötigen Opfer zu bringen, die die Umsetzung seiner Prioritäten nunmal erfordert.

    Denn das Problem ist doch letztlich nicht, dass irgendwer diese Entscheidung angreift, sondern dass es so schwierg und zunehmend teuer ist, sie aufrecht zu erhalten (bzw. in die Tat umzusetzen). Es gibt nunmal mehr Leute, die vergleichbare Lebensentwürfe in den gefragten Stadtlagen für sich realisieren wollen, als es dort Wohnraum gibt. Also ja: Das kann teuer werden, und nein, das geht selbst unabhängig von den Kosten nicht für Alle, die das wollen würden.

    Man könnte ja mal ausrechnen um wieviel die "unbezahlbaren" Städte (oder zumindest Stadtteile) aufgestockt werden müssten, damit Alle da wohnen könnten, die das gerne würden. Und ob sie dann noch so gefragt wären. Aber den Hinweis, dass es bezahlbaren Wohnraum eben da gibt, wo nicht so viele Menschen wohnen wollen, sollte man deshalb nicht als aggressiven "Verbannungsversuch" aufs Land werten.

    • @Normalo:

      Sie berücksichtigen nicht, das Besserverdienende dabei alteingesessene Niedrigverdienende verdrängen. Das sind oft einfach nur Zugezogene, die von den sehr viel höhzLöhnen in manchen Branchen in den florierenden Metropolen angezogen werden.

      • @Rudolf Fissner:

        Jaja, "Alteingesessene" vs. "Zugezogene".

        Das klingt eher nach einem Konflikt, wie ihn die CSU vom Zaun brechen würde, oder? Wo ist die progressive Lust auf Veränderung da auf einmal hin? Wenn's ums Wohnen geht, erschwärzen die gestandensten Klassenkämpfer, möchte man meinen: "Jeder muss (mal) in den Genuss kommen" sollte sich bitte nicht mit "My home is my castle." anlegen, wenn es die Oberhand behalten will. ;-)

        Ernsthaft: Wir wissen beide, dass derlei Gentrifizierung nur im Rahmen von Luxussanierungen oder mit rechtswidrigen Mitteln möglich ist. So einfach "verdrängen" kann man Bestandsmieter nicht. Ihren Grund hat sie unter Anderem im Mieterschutz: Wer seine Immobilie modernisieren will, muss das automatisch auf einen gewissen Standard tun, darf das aber nur begrenzt auf Bestandsmieter umlegen, zahlt also drauf, wenn er nicht im Zuge der Modernisierung auch gleich neu vermietet - also einmal alle auf ihren uralten Billigmieten hockenden "Eingesessenen" raus, dann ganz fett renovieren (weil nur das als Ausrede für die Entmietung ausreicht) und neue, kostendeckend zahlende Mieter rein. Die Regeln machen das zum wirtschaftlichsten, teilweise auch EINZIG wirtschaftlichen Weg, und wehe, jemand versucht, die zu flexibilisieren!

        • @Normalo:

          "Wir wissen beide, ..."

          Sie bezogen sich allein auf die freie Entscheidung IN eine Stadt zu ziehen ( taz.de/!6007811/#bb_message_4748417 )

          Dass "Zugezogene" bedeutet, das solvente Mieter mit hohem Einkommen auf den Wohnungsmarkt drängen, die Mieter mit geringeren Einkommen aus ihren Wohnungen selbst dann verdrängen, wenn es nicht zu Sanierungen kommt.

          Die Entscheidung raus- bzw. umzuziehen ist dann keine der Freiwilligkeit mehr, sondern ist bedingt durch Sachzwänge, die besonders füe Alteingesessene kein Ding sind a'la aDas hätte man doch wissen könnem".

          • @Rudolf Fissner:

            Was für ein Szenario des unfreiwilligen Auszugs meinen Sie? "Alteingesessen wohnt zur Miete, reicher Immi kauft Wohnung, zieht selbst ein"? DAS hätte man sehr wohl wissen können, denn auch ein lang bestehender Mietvertrag ist nunmal kein Eigentum. Ansonsten ist es aus Vermietersicht schon eher schwierig, jemanden legal zum Ausziehen zu zwingen, nur weil man einen solventen Nachmieter hätte. Mir ist jedenfalls spontan kein anderes Vertragsverhältnis im deutschen Recht bekannt, das mit einer stärkeren einseitigen(!) Bindungswirkung ausgestattet ist.

    • @Normalo:

      Ich versuche mal Ihre Aufforderung in deutlicheren Spaßparteisprech zu übersetzen: die Spaßpartei hätte da sicher nen Tipp für die Ärmeren: anstatt gleich nen Porsche zu kaufen, erstmal in (die richtigen) Aktien investieren. Manche sind halt einfach (zu) doof (und haben gleich zu Beginn bereits einen Fehler gemacht, indem sie sich nicht in ein reiches Elternhaus gebären lassen haben). ;-)



      Markt und Privateigentum sorgen übrigens für hohe Mieten. Vielleicht mal doch andere Ansätze wählen? In Wien ist auch noch nicht der Kommunismus (eigentlich ja schade ;-)) ausgebrochen, obwohl es da recht viele stadteigene Wohnungen gibt. ;-D

      • @Uranus:

        Die Frage war ja, wieviele Stockwerke in den übervollen Städten oben drauf kommen sollen. Mit „Wien“ ist die Frage nicht beantwortet.

      • @Uranus:

        Markt und Privateigentum sorgen nur dafür, dass die Auswahl derer, die das Privileg erfahren, dort zu wohnen, wo zu viele Andere auch wohnen wollen, hauptsächlich über die Miethöhe erfolgt. Das mag man beklagen, aber ein anderes Verteilungssystem würde den Mangel nicht beseitigen. Und ob es ihn in der Realität "gerechter" verteilen würde, darf auch bezweifelt werden.

        • @Normalo:

          Nachtrag: Wer den Wiener Wohnungsmarkt kennt, weiß, dass er weit weniger mit Kommunismus zu tun hat als mit einer feudalen Klassengesellschaft: Da gibt es Jene, die mit Immer-schon-Dasein oder Beziehungen mal so eine stadteigene Wohnung zu einem Spottpreis ergattert haben, das Mietverhältnis wie ein Erbgut bewahren und auch nur in engster sozialer Umgebung weitergeben (der "Erbadel"), dann die, die sich den verbliebenen privaten Wohnraum in guter Lage zu Preisen, wo z. B. Berlin noch lange nicht ist, leisten können und wollen (das "Bürgertum"), und all Jene, die da wohnen, wo man auch in Deutschland nicht so viel zahlt, also im semi-gepflegten "Gemeindebau" im Problemstadtteil oder halt NICHT in Wien (das "einfache Volk"). Die letzten beiden Gruppen dürfen natürlich den Lebensstil des Erbadels über ihre Steuergelder mitfinanzieren, aber dafür ist der dann immer so nett, Wien in Umfragen zur lebenswertesten Stadt zu küren...

  • "Niemand hat die Pflicht, auf’s Dorf zu ziehen."



    Ich frag mich die ganze Zeit, was mich schon am Anfang stört. Inzwischen glaube ich's zu wissen. In dem zitierten Satz schwingt eine Anspruchshaltung mit, es müsse auf Wunsch unterstützt werden, wenn der persönliche Lebensentwurf in die Stadt drängt, man sich das aber nicht leisten kann.



    Nein, das muss es nicht. Individuelle Entscheidungen haben individuelle Konsequenzen.



    Das ist von einer ausbaufähigen Wohnungspolitik insbesondere in Berlin abgekoppelt. Ich wohne auch im Spannungsfeld zwischen 'was ist jobmäßig günstiger', 'wo ist es schön' und 'was kann ich mir leisten'. Das geht jedem so.

    • @Encantado:

      "Individuelle Entscheidungen haben individuelle Konsequenzen."



      Stimmt! Z.B. wenn Leute Wohnungen kaufen und langjährige Mieter*innen vor die Tür setzen oder Eigentümer*innen sanieren und Miete anheben wollen und 80 Jährige aus der Wohnung schmeißen lassen (wollen). :-(

      • @Uranus:

        Ich muss gestehen, dass ich nicht erfasse, wo - abgesehen vom grundsätzlichen Thema Wohnen - der Zusammenhang zwischen meinen und Ihren Ausführungen liegt. Erhellen Sie mich?

    • @Encantado:

      Na, wenn Anspruchshaltungen so schlimm sind, dann verlegen wir keine Stromtrassen mehr in die Dörfer und es gibt nur noch Feldwege.

      Oder könnte es sein dass Dorfbewohner genauso eine Anspruchshaltung haben, es müsse auf Wunsch unterstützt werden? Nur auf teilweise andere Dinge?

      Öffentliche Infrastruktur auf dem Dorf kostet erheblich mehr pro Kopf als ind er Stadt. Ihr verzichtet doch auch nicht.

      • @erikahhh:

        Das "zieht doch aufs Land" kommt wohl nur von StadtbewohnerInnen, die so einen Konkurrenten um Wohnraum loswerden wollen. Denn die Begeisterung für das Konzept hält sich bei den "Nicht-Städter" in engen Grenzen. Denn auch die wissen :Wenn alle die das angeblich sollten, das wirklich tun, wirds für alle (!) auch dort ziemlich teuer.



        Mal abgesehen davon, daß das "Landleben" plötzlich ganz anders wäre ohne die Stadt daneben. Das solches echtes Landleben will seit mindesten 200 Jahren eine große Mehrheit nicht mehr.

      • @erikahhh:

        Haben Sie für Ihre Behauptung das die Infrastruktur im Dorf pro Kopf mehr kostet belastbare Zahlen oder eine Statistik?

        Die meisten Dörfer die ich hier kenne haben bis auf Straßen nichts. Keine Schwimmbäder, wenig Sportstätten oder Spielplätze. Meist in einem desolaten Zustand. Bei den meisten fährt zwischen 7 und 19 Uhr ein Bus pro Stunde, bei manchen auch nur 2 am Tag. Es gibt Büchereien die haben dann 2 Stunden auf zwei Mal die Woche.

        Desweitern ging es dem Postersteller um den persönlichen Lebensentwurf der wohlmöglich gefördert werden soll, was etwas ganz anderes ist als eine Infrastruktur für ein ganzes Dorf, beziehungsweise dem Wunsch danach.

        • @Hitchhiker:

          "Desweitern ging es dem Postersteller um..."



          Danke. Genau das.

        • @Hitchhiker:

          "Die meisten Dörfer die ich hier kenne haben bis auf Straßen nichts..."

          Huhn und Ei: Die Infrastruktur ist auf dem Land vielfach geringer ausgebaut, WEIL sie im Verhältnis so viel teurer ist - vielfach prohibitiv teuer. Das folgt einer einfachen Logik: je höher die Dichte an Nachfragern für Einrichtungen wie ein Schwimmbad, ein Theater oder auch ein ÖPNV-Netz ist, desto effizienter lässt sich sowas ortsnah realisieren. Und mit steigender durchschnittlicher Entfernung der Klientel sinkt darüber hinaus die Nachfrage nach derlei Infrastrukturelementen nochmal, was den Effekt verstärkt.

          Konkret angewandt: Während man in der Stadt innerhalb weniger Kilometer zig- oder auch hunderttausende Menschen wohnen hat von denen ein Prozentsatz X zu einem gegebenen Zeitpunkt Bedarf für Infrastrukturelement Y hat, sind es halt auf dem Land im selben Einzugsradius um ein bis zwei Größenordnungen weniger. Es ist halt ein Unterschied, ob man z. B. aller zehn Minuten einen Bus eine Strecke entlang schickt, die 25. 000 Anwohner innerhalb von 5 Gehminuten von den Haltepunkten aufweist, oder ob das auf gleicher Strecke nur 2.000 sind. In letzterem Fall hätte man im Zweifel Leerfahrten ohne Ende, was zu Frequenzreduzierung führt, was dann wieder das Angebot weniger verfügbar und damit unattraktiver macht und die Nutzungsfrequnz nochmal senkt. Gleiches gilt für Schwimmbäder etc, die bei gleichen Mitteln pro Kopf entsprechend ausgedünnter gebaut werden müssen, was wieder weniger Leute zum Hingurken animiert etc.. Manchmal ist es es am Günstigsten, sowas auf dem Land erst gar nicht zu bauen, sondern sich auf die nächstgelegene Stadt zu verlassen, wo die Landbevölkerung dann - mit häufig nur wenig mehr Gurkerei - all das konzentriert findet, was ihr daheim fehlt.

  • Wer will schon bauen, wenn die Enteignung über einem schwebt oder man unter Preis vermieten muss. Und Augen auf bei Berufs- und Partnerwahl dann kann man sich entsprechende Mieten und Life-Style - und um nichts anderes geht es hier- leisten oder selber bauen statt jammern.

  • Natürlich darf die Autorin gerne weiter in der schon heute hochverdichteten Metropole wohnen. Dann können das halt andere nicht. So simpel ist das eigentlich, zumindest, wenn man sich zum eigenen Egoismus bekennt und nicht Menschen auf dem Land für die sozialistischen Experimente mit bezahlen lassen möchte.

    • @vieldenker:

      Die Menschen auf dem Land leben dafür auf zu viel Fläche (Flächenverschluss und so).



      Was umweltmäßig, übrigens deutlich egoistischer ist.



      Ihr sogenanntes "sozialistisches Experiment" läuft seit es die BRD gibt...

      • @Das B:

        Das ist jetzt aber ein bisschen dünn.Die Flächenversiegelung kann sicher nicht so weitergehen, ist aber kein Spezifikum der Wohnsituation auf dem Land. Von den Versiegelungsraten von Berlin und ähnlichen Zentren dürfte jede deutsche Kleinstadt meilenweit entfernt sein. Das es irgendwo in (West-) Deutschland eine zwanghafte Verstaatlichung aller großen Wohnunternehmen auf Kosten der Restrepublik gegeben hätte, wäre mir jetzt auch neu.

  • Ich finde die Entscheidung für die Stadt durchaus legitim. Und sowieso für jemanden, der schon lange dort wohnt, wie die Autorin.

    Allerdings ist das Problem eben tatsächlich das Angebot. Und da kommen zwei Dinge zusammen.



    Einmal, dass ein Geschäftsmodell für billige oder zumindest bezahlbare Wohnungen benötigt wird.



    Zweitens das Problem von "gehypten" Stadtteilen. Vielleicht wäre im Wedding oder in Marzahn eher was Bezahlbares frei.

    Da sollten wir aber eben nicht denen die Schuld geben, die selbst in so einem Hype-Stadtviertel leben und dies auch bleiben möchten. Sondern der Politik und sonstigen Akteuren in der Gesellschaft, die zu einer Lösung des Problems beitragen könnten.

    Wie wärs eigentlich mal wenn "die KI" sich mit dem Thema befassen würde? (z.B. in allen verfügbaren Dokumenten rumsuchen, in welchen Städten der Welt das Wohnungsproblem am ehesten gelöst wurde?) ;)

    • @argie:

      Ich brauche keine künstliche Intelligenz, um mir klarzumachen, dass eine begrenzt vorhandene Ressource (hier: attraktiver Wohnraum in attraktiven Stadtlagen) nicht unbegrenzt entspechende Bedürfnisse befriedigen kann. Des Menschen Wille mag sein Himmelreich sein, aber hier auf Erden braucht das eben Platz (der nicht da ist und der ipso facto zur Attraktivität dieser Wohnlagen beiträgt). Wieso ist das für Manche, die z. B. in Sachen Selbstbeschränkung zur Schonung der NATÜRLICHEN Ressourcen immer den erhobenen Finger schwingen, so schwer zu verstehen?

      Die Lösung liegt auf der Hand: Wohnort und Identität müssten entflochten werden, damit es den Menschen nicht mehr als Entseelung oder soziales Armageddon vorkommt, nicht genau da wohnen zu können, wo sie gerne möchten. Dazu kann die Politik beitragen, indem sie Außenbereiche besser mit den Städten vernetzt ("In ZEHN Minuten...!" - falls sich noch jemand erinnert) und die ländliche Infrastruktur fördert, aber auch das hat ganz klar Effizienzgrenzen.

  • Ich wollte in Berlin bleiben, weil ich Berliner bin. Wäre ich hier nicht geboren, weiß ich nicht, ob ich es gewollt hätte. Kiezkneipen und Techno-Hedonismus sind nicht mein Ding und ich finde die ganzen Zugezogenen, die nur von Techno reden seltsam. Vielleicht könnten wir die Wohnungsnot lindern, wenn wir bundesweit eine Technoclub-Offensive starten

    • @Paul Anther:

      Hihi. Einhundertprozentige Unterstützung!



      Der allgegenwärtige Techno hat mich hier auch schon immer sehr kalt gelassen.

  • Oh, ich kann das bestens verstehen, wohne auch sehr gerne in einer Stadt (auch wenn diese „nur“ 80.000 Einwohner*innen hat). Und ich gönne auch allen die angesagten In-Viertel und Kieze in den Metropolen…ABER: Dann muß auch gebaut werden (dürfen)! Richtig viel und vor allem auch nach oben, denn nur da ist noch Platz…darf auch gerne ein neuer Pseudo-„Altbau“ sein…wie wärs zum Beispiel mit klassischen Wolkenkratzern vergleichbar dem Woolworth-Building von 1913, nur natürlich mit modernster Energiespartechnik und sozialverträglichen Mieten mitten in Kreuzberg? Ich wäre dafür!

  • Wo genau ist die Solidarität mit den Menschen die in die Stadt ziehen wollen? Wo ist das "Hey, ich habe 20 Jahre Kreuzberg gehabt, jetzt ist jemand dran der die letzten 20 jahre zwischen Kuhwiesen gewohnt hat"

    Sowas liest man irgendwie nie, stattdessen ist die Position "Mein Mietverhältnis ist quasi Eigentum und mein Eigentum gehört mir"

  • Natürlich hat jeder das Recht irgendwo leben zu wollen. Auch hat jeder das Recht innerhalb des S-Bahnringes leben zu wollen. Das Problem ist halt nur, dass das offensichtlich mehr Menschen wollen als es dort Wohnungen gibt; sprich nicht jeder der dort leben will wird am Ende dort auch leben können. Traurig aber wahr. Jetzt kann man lamentieren, dass es über Geld geregelt wird, da steigende Preise einfach die Folge von Knappheit sind wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. In Sachen Mieten muss man, auch wenn viele es gerne behaupten es sei anders, ist der Markt sogar ausgebremst bzw. nicht frei. Man könnte es auch anders regeln, über eine Lotterie, nach Jahren der Anwartschaft oder was auch immer. Fakt ist nur solange die Nachfrage das Angebot übersteigt wird immer jemand nicht das bekommen was er gerne hätte. Ich finde das recht wenig mit Häme zu tun. Wenn die Autorin hier eine Lösung hat wäre ich gespannt diese zu erfahren.

    • @Fran Zose:

      Hier haben erschreckend viele die Marktlogik für den Wohnraum tief internalisiert. Aber Markt und Wohnen passen nicht zusammen. Wem der Preis für Kaviar zu hoch ist, der kann halt keinen kaufen. Das ist kaum lebensbedrohlich. Ein Teil der möglichen Kundschaft bleibt "unversorgt". Beim Wohnen ist das nicht akzeptabel : denn das heißt obdachlos. Denn der Verlust der Wohnung durch zu hohe Preise ergibt nicht automatisch die Möglichkeit woanders zu wohnen. Das scheinen aber (zu) viele zu glauben. Sie werden es lernen, wenn es sie trifft. Spätestens mit Eintritt in die Rente. Aber dann ist es zu spät.

      • @Monomi:

        Jemand der eine Wohnung sucht findet in fast allen Fällen auch eine Wohnung. Nur halt nicht dort wo man sie gerne hätte.

        Und es ist kaum vermittelbar eine Wohnsituation als unzumutbar zu bezeichnen, nur weil es vor Ort quasi keine Infrastruktur und einen stündlich fahrenden Bus gibt, denn diese Wohnsituation ist für viele Menschen heute Realität. Wäre das unzumutbar müssten wir uns erstmal um diese Leute kümmern, bevor wir weiter Geld in die Städte schicken.

        Von daher: Es gibt genug Wohnraum.

        • @Questor:

          Ich besuche des Öfteren Freunde auf dem Land. Es ist sehr schön, die Menschen dort sind nett und ich fühle mich wohl. Aber dort zu leben währe nichts für mich. Nicht wegen dem Bus sondern weil mir die Alltagskultur zu monoton ist. Ich mag das Zusammenleben mit Migranten und ihren Kulturen. Ich mag auch Queere Menschen und Lebenskünstler. Ich mag es Bund und vielfältig. Das Leben auf dem Land ist schon sehr homogen und das prägt auch die Menschen dort. Das ist nix für jeden, ohne es schlecht machen zu wollen. Ich würde auf Dauer dort unglücklich werden.

  • Und wenn man auf dem Land lebt, muss man sich von den Städtern immer anhören: Nimm doch den öffentlichen Nahverkehr.



    Jeder Lebensentwurf hat seine Vor- und Nachteile. Wenn ich in der Stadt wohnen will, was viele Menschen möchten, muss ich die hohen Mieten akzeptieren oder eine kleiner Wohnung nehmen oder in eine WG gehen, oder, oder, oder...

    "Bedürfnisse sind unterschiedlich." Das ist richtig. Aber um die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, muss man selber bereit sein, etwas zu tun und kann nicht erwarten, dass einem andere diese Bedürfnisse erfüllen. Wenn ich daher eine schöne Altbauwohnung in der besten Lage Berlins will, ist das teuer. Wenn ich auf dem Land lebe und der Meinung bin, einen Porsche fahren zu müssen, ist das teuer. Die Mieten in Berlin steigen, weil viele Menschen dort leben wollen. Entweder sagt man: Berliner First und wir bauen eine Mauer zu Schwaben, damit die nicht mehr kommen oder man akzeptiert, dass sich mehr Menschen um den gleichen Wohnraum kloppen, da man ja lieber Geld in Enteignung stecken möchte, anstatt neu zu bauen.

    • @Strolch:

      Die Mieten steigen nicht, weil viele Menschen dort leben wollen, sondern weil Wohnraum endlich ist und der Mietmarkt nicht hinreichend reguliert ist. Hinzu kommt mangelnde Konkurrenz durch staatlichen Wohnungsbau oder gemeinwohlorientierte Genossenschaften. Wohnen ist kein Luxusprodukt und es dem Markt zu überlassen führt zu Segregation und Vertreibung. Hier zeigt sich die heimliche Gewalt des Rentenkapitalismus.

      • @Henne Solo:

        Wohnen an sich ist kein Luxusprodukt - GENAU DA zu wohnen, wo alle Anderen auch gerne wohnen möchten, aber schon. Man kann jede Wohnbung eben nur einmal vermieten, und wer keine abbekommt, schaut in die Röhre.

        Und das mit der Mietpreisspirale ist auch kein Hexenwerk: Zum unreguliert die Mieten hochtreibenden Vermieter gehört auch immer ein Mieter, der, vor die Wahl gestellt, ob er da wohnen will, wo es teuer ist, oder da, wo er nicht so gerne wohnen möchte, sich für ersteres entscheidet und sich die hohe Mete tatsächlich leistet.

        Es ist eben nicht so, als stünden wirklich massenweise Wohnungen in gefragten Lagen leer, die vermietet werden könnten, wenn man nur mit den Preisen runterginge. Sondern vielmehr gibt es in aller Regel für jede Wohnung genug Bewerber, dass es möglich ist, nach Zahlungswilligkeit und -fähigkeit zu sieben. Das mag erstmal ungerecht wirken, ändert aber nichts daran, dass am Ende doch ALLE Interessenten - bis auf einen - so oder so leer ausgehen und eben NICHT da wohnen können, wo sie gerne wohnen würden.

      • @Henne Solo:

        "Die Mieten steigen nicht, weil viele Menschen dort leben wollen, sondern weil Wohnraum endlich ist..."



        Dass das kein Widerspruch ist, sondern sich gegenseitig bedingt, ist aber klar, oder?

      • @Henne Solo:

        Mit Verlaub, wenn Sie “endlichen” Wohnraum als Ursache anführen sowie „mangelnden Wettbewerb“ auf der Anbieterseite, dann bestätigen Sie doch dass was Sie zuvor bestritten haben, nämlich dass es an der - relativ zum Angebot - zu hohen Nachfrage liegt.

        Und wie noch stärker regulierte Mieten das Problem lösen sollen, würde ich mir auch gerne mal erklären lassen. Ich bekomme doch von einem nur begrenzt verfügbaren Produkt doch nicht deshalb mehr ab, weil der Preis künstlich gesenkt wird. Es gibt doch dadurch nicht mehr von diesem Produkt. Im Gegenteil wird durch den gesenkten Preis die Zahl der Nachfragenden sogar noch weiter steigen. Und die Chance dass ich zum Zuge komme sinkt sogar noch weiter.

        • @WasWeißDennIch:

          Wer das Problem verstehen will muss schon über den Tellerrand der Marktlogik hinaus schauen. Obwohl... Das ist eigentlich kein Teller. Mehr eine Espressotasse...

          • @Monomi:

            Wer glaubt, dass die Relevanz von Marktlogik mit der Größe einer Espressotasse treffend beschrieben ist, der hat sie (sowohl die Marktlogik selber als auch ihre Relevanz) meiner Meinung nach schlicht nicht begriffen.

            Und wer hier glaubhaft darlegen kann wieso „Ressourcenknappheit“ ausgerechnet für den Wohnraum im innersten Zentrum der größten Stadt Deutschlands angeblich keine Rolle spielt (jedenfalls nicht dann wenn er oder sie SELBER da gerade eine Wohnung für billig sucht), der soll das bitte gerne tun. Ich lerne gerne dazu.

          • 9G
            95820 (Profil gelöscht)
            @Monomi:

            Passt doch. Wer über den Tellerrand „hinausschaut", hat üblicherweise den Nachtisch im Blick. Kann auch ein Espresso sein.