Wirkung der Russlandsanktionen: Der Rubel rollt abwärts
Die russische Währung verliert seit Monaten an Wert. Jetzt gab es noch einmal einen deutlichen Rutsch. Die Verschiebung kommt auch im Alltag an.
Noch am Mittwoch zeigten die Kurstafeln in den Moskauer Straßen teils bis zu 115 Rubel je Euro und 110 Rubel je US-Dollar an. Die Zentralbank setzte den Kurs auf 113 Rubel pro US-Dollar fest – es war der niedrigste Wert seit dem sogenannten panischen März nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022. Die Überschreitung der Marke von 100 Rubel je Dollar gilt in Russland auch emotional als bedeutend, weil sie die Bevölkerung verunsichert.
Doch der Staat unternimmt derzeit wenig. Das Ausrichten am Dollar sei ein „Rudiment aus der Vergangenheit“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und wiederholte damit, was er schon vor einem Jahr gesagt hatte. Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow begründete den Absturz der Währung mit der „übermäßigen emotionalen Komponente von Marktteilnehmern“.
Finanzminister Anton Siluanow sagte bei am Dienstag ganz unverblümt, für die Exporteure sei ein solcher Rubelkurs „sehr, sehr günstig“. Der russische Staat gleicht mit den entsprechend hohen Deviseneinnahmen das Budget aus.
Inflation im Innern
Die russische Bevölkerung ächzt derweil unter der steigenden Inflation, die mittlerweile bei knapp 8 Prozent liegt und weiter steigen dürfte. Kartoffeln etwa kosten fast doppelt so viel wie vor einem Jahr, andere Produkte, wie Butter, werden vermehrt aus den Läden entwendet, weil sie so teuer geworden sind. Supermärkte sichern die Butterpackungen deshalb in Plastikbehältern und geben sie nur auf Nachfrage aus, ähnlich wie mit Zigaretten. Ein Großteil der Butter wird heute aus den Vereinigten Arabischen Emiraten eingeführt, doch die können nicht so viel liefern, wie es westliche Länder früher getan haben. Auch importierte Elektronik, an Neujahrsfeiertagen besonders beliebt als Geschenk, verteuert sich um mindestens 10 Prozent, sagen Experten.
Am Mittwochabend gab die Zentralbank schließlich bekannt, dass sie ihre planmäßigen Devisenkäufe aussetzt. Das stützt den Rubel durchaus, allerdings zu wenig. Er dürfte, so sagen einige Analysten voraus, noch in diesem Jahr auf bis zu 120 je Dollar abrutschen.
Am Donnerstagmorgen war der Kurs im Vergleich zum Vortag etwas angestiegen. 111 Rubel pro Euro zeigten gleich mehrere Wechselstuben entlang des Kutusowski-Prospekts in Moskau an, einer zentralen Schneise, die direkt auf den Kreml zuführt.
Allgemeine Verunsicherung
„Gestern schauten wir ein wenig in den Abgrund, als der Kurs so in den Keller ging“, sagt eine Angestellte einer Wechselstube in Sichtweite des Finanzdistrikts Moscow City. Sie sitzt hinter Panzerglas, der Scheinezählautomat neben ihr rattert. „Es ist, wie es ist. Die Sachen werden immer teurer. Aber wir hoffen. Wir hoffen sowieso immer, auch wenn es nicht besser wird.“ Dann schiebt sie schnell nach: „Ach, ich rede immer so viel, ich sollte den Mund halten.“ Es ist das übliche Verstecken, aus Angst, weil die Menschen in Russland nie wissen können, wer noch mithört und was ihnen für das Gesagte droht.
Der beschleunigte Rubelverfall hängt unter anderem mit neuen Sanktionen der USA gegen russische Banken von vergangener Woche zusammen. Hauptziel dieser Beschränkungen: die Gazprombank. Gegen die hatten die westlichen Länder nach Russlands Ukraine-Invasion zunächst kein Embargo verhängt, weil sie über sie Zahlungen für russisches Gas und andere wichtige russische Exporte fortsetzen wollten. Offenbar hatten alle erwartet, dass die Ofac, die Kontrollbehörde des US-Finanzministeriums, eine Sonderlizenz für Gaskauftransaktionen erteilen würde. Weil sie das nicht tat, gibt es weniger Fremdwährungen auf dem russischen Markt, was wiederum dazu führt, dass diese höher im Kurs stehen. Zudem hat die Wiederwahl Donald Trumps den US-Dollar gefestigt, die Ölpreise – eine wesentliche Einnahmequelle für Russland – sind gefallen.
Der Rubelabsturz zeigt, dass die Sanktionen wirken, nicht nur im Finanzsektor, aber hier am effektivsten. Hinter vorgehaltener Hand beklagen einige Russ*innen, dass der Lebensstandard immer weiter sinkt, auch wenn die Gehälter von Soldaten weiter hoch sind und die Fabriken in drei Schichten arbeiten. Lebensmittel werden immer teurer, Importware sowieso. Dass der Leitzins inzwischen bei 21 Prozent liegt und so deutlich höher ist als zu Kriegsbeginn, hilft offenbar nicht. „Das Einzige, was unser Leben besser machen würde“, sagt eine Mitarbeiterin der Moskauer Metro, „ist ein zweiter Pass und ein Leben irgendwo in der Fremde.“
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