Wie ein Leben ohne Facebook gelingt: Nix wie raus hier!
Neu ist es nicht, aber wieder im Gespräch: Facebook verkauft die Daten seiner Nutzer*innen. Zwölf Tipps, wie der Ausstieg aus dem Netzwerk gelingt.
Jetzt aber. Das Maß ist voll, das Fass läuft über, die Zeit ist abgelaufen. Es reicht – nicht nur mit den fiesen Floskeln. Der aktuelle Skandal um 50 Millionen ausgespähte Facebook-Profile durch die Firma Cambridge Analytica ist einer zu viel. Kehren wir Facebook den Rücken. #DeleteFacebook fordern viele schon seit Jahren. Aber das ist gar nicht so leicht. Zumindest, wenn man wirklich wieder selbst über seine Daten bestimmen will. Eine Anleitung:
1) Speichert, was ihr behalten wollt: eure Lieblingsfotos, Termine, Geburtstage.
2) Bereitet eure Freund*innen vor. Kündigt mit etwas Vorlauf an, dass ihr bald weg seid. Betont, dass ihr trotzdem noch gerne zu Geburtstagen, Partys und Public Viewings eingeladen werdet. Vielleicht sogar zu Podiumsdiskussionen. Verkündet (am besten nicht über Facebook), unter welcher Telefonnummer oder E-Mail-Adresse ihr erreichbar seid.
3) Falls nötig: Richtet euch eine E-Mail-Adresse ein (nein, nicht bei Gmail. Wohin sonst? Siehe Punkt 11)
4) Besorgt euch die Kontaktdaten eurer Bekannten. Nicht, dass ihr euch irgendwann mit Freundin XY verabreden wollt – und feststellt, dass ihr in der Vergangenheit ausschließlich über den Facebook-Messenger kommuniziert habt.
5) Sichert eure Daten – und guckt euch an, was ihr in den vergangenen Jahren alles über euch erzählt habt. Dazu klickt ihr in den allgemeinen Einstellungen auf „Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter“. Jede Freundschaftsanfrage, jeder Post, jedes Like, jede private Nachricht flattert euch per Download-Link auf den Rechner. Lest und staunt. Und vielleicht kann das nette Datenschutz-Kollektiv von nebenan aus einer Datenspende lernen, wie Facebook so tickt?
6) Nein, jetzt wird immer noch nicht gelöscht. Klickt in euren Einstellungen auf „Apps“. Dort seht ihr alle Apps und Seiten, in die ihr euch mal über euren Facebook-Account eingeloggt habt. Ob Spotify, Tinder, Airbnb, Instagram, Dropbox oder „Welche Person aus Harry Potter bist du“ – alles das hat Zugriff auf eure Facebook-Daten. Zum Beispiel auf Freundeslisten. Entfernt alle Apps. Wenn ihr konsequent sein wollt, schreibt ihr alle Unternehmen an und fordert sie auf, eure Daten zu löschen.
7) Jetzt geht es ans Account-Löschen – aber noch nicht an euer Facebook-Konto. Anwendungen wie Instagram gehören Facebook – wer seinen Account hier behält, füttert den Konzern also fleißig weiter mit Daten. Für einige Seiten könnt ihr euch einfach einen anderen Login zulegen. Manche Anwendungen lassen aber keinen anderen Weg als Facebook zu. Zum Beispiel die Dating-App Tinder (ja, das schmerzt. Ist aber so). Zwar kann man sich dort auch über seine Handynummer einloggen. Dann läuft alles über eine Anwendung namens „Account Kit“. Und die gehört – Überraschung: Facebook. Und liefert wiederum Daten weiter, mit denen Facebook munter personalisiert, Werbung zuschneidet und analysiert. Der einzige Weg für entschiedene Facebook-Abstinenzler*innen bedeutet also auch: Macht Schluss mit Tinder.
8) Atmet durch. Geht eine Runde spazieren. Guckt euch an, wie schön es da draußen ist. Sonne, Bäume, Cafés mit Menschen, die sich unterhalten – auch das Leben nach Facebook kann ein Leben sein.
9) Und noch ein Problem: WhatsApp gehört Facebook – und ihr liefert nicht nur eure eigenen Daten. Auch nicht nur die eurer Freund*innen auf Facebook. Ihr serviert alle auf eurem Handy gespeicherten Kontakte. Also auch die von Leuten, die ganz bewusst nicht auf Facebook sind. Das entspricht nicht gerade dem, was man unter „Datenhöflichkeit“ versteht. Also: Weg damit.
10) Jetzt aber. Löscht euren Account. Die Funktion dafür ist gut versteckt. In den Einstellungen findet ihr nur eine Funktion „Deaktivieren“. Damit ruht euer Account, die Daten bleiben, ihr könnt jederzeit zurückkehren. Um euren Account zu löschen, gebt am besten „Konto löschen“ in die Hilfefunktion ein. Es erscheint ein langer Text mit viel Blabla. Unter anderem steht da: „Wenn du dein Konto dauerhaft und ohne Möglichkeit der Wiederherstellung löschen möchtest […] teile es uns mit.“ Auf die letzten Worte dieses Satzes müsst ihr klicken. In dem darauf folgenden Fenster könnt ihr euer Konto dann löschen. Oder ihr klickt einfach hier.
11) Ist jetzt alles gut? Nein. Facebook sammelt immer noch Daten, ebenso wie zig andere Unternehmen. Google? Twitter? Amazon? Und dem Internet ganz entsagen will wohl niemand. Deswegen: Fordert einen umfassenden Datenschutz im Netz. Unterstützt Projekte, die sparsam mit euren Daten umgehen; Diaspora statt Facebook, Telegram oder noch besser Signal statt WhatsApp, Posteo statt Gmail, Nextcloud statt Dropbox.
12) Und zu guter Letzt: Die Welt geht nicht unter, wenn ihr Facebook weiter nutzt. Aber ihr bezahlt mit euren Daten. Zurück zu Schritt 5: Schaut euch an, wie viel Facebook über euch und eure Freund*innen weiß. Und macht es dem Konzern nicht mehr so leicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga