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Werbekampagne der „Bild“Kampagne gegen Auflagen-Absturz

Valérie Catil
Kommentar von Valérie Catil

Mit einer neuen Werbekampagne stilisiert sich die „Bild“-Zeitung zu einem politkritischen Blatt. Die SMS des Verlagschefs sprachen eine andere Sprache.

Springer-Chef Döpfner und „Bild“-Chefin Horn umgarnen Kanzler Scholz – oder ist es umgekehrt? Foto: Christoph Soeder/dpa

V ergangene Woche startete die Bild mit einer riesigen Werbekampagne, die ihren Sturzflug im Verkauf von Printausgaben anhalten soll. Die Taktik: sich als allgemein politkritisches und antifaschistisches Blatt stilisieren. Dabei steht die Bild einigen Parteien näher als anderen und schürt immer wieder Hass gegen Minderheiten.

„Liebe Politiker: Macht euch keine Hoffnung. Bild bleibt Bild“, steht auf den Plakaten. Dahinter ein Porträt von Olaf Scholz, Sahra Wagenknecht, Robert Habeck, Friedrich Merz, Alice Weidel oder Christian Lindner. Spätestens im April diesen Jahres ist klar geworden, dass mindestens einer der gezeigten Politiker_innen sich ohnehin keine Hoffnungen machen muss, weil er die Bild im Rücken hat.

Denn im April veröffentlichte die Zeit Privatnachrichten des Axel-Springer-Chefs Mathias Döpfner. Er soll darin versucht haben, im Bundestagswahlkampf 2021 politisch Einfluss zu nehmen und schrieb dem Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, ob man nicht mehr für die FDP tun könne. Und obwohl Reichelt weg ist, blieb Döpfner und seine Liebe zum Neoliberalen bestehen.

Liebe zum Neoliberalen bleibt

Dagegen steht die Kampagne, die während der Planung des Heizungsgesetzes gegen Robert Habeck in der Bild gefahren wurde und die aus einer Debatte, die für immer im bürokratischem Sumpf hätte verschwinden können, einen Kulturkampf machte. Lindner und Habeck auf gleicher Ebene zu zeigen und zu behaupten, die Bild kritisiere sie auf gleiche Weise, ist ein billiger Trick, der die Spuren des Frühjahrs zu verwischen versucht.

Damit nicht genug. Ein animiertes Plakat zeigt Björn Höcke. An der Seite steht: „Wir bringen’s auf den Punkt.“ Der Punkt dieses Satzes formt dann eine Ellipse, um schließlich auf Höckes Oberlippe zu landen und einen Hitler-Schnurrbart darzustellen.

Damit will sich die Bild zu einer Zeitung ernennen, die rechtskonservative Ansichten anprangert, und verleugnet so ihre eigene Berichterstattung, die Rassismus und Diskriminierung teils stärkt. Ist das noch Beweihräucherung oder schon Lüge?

Beweihräucherung oder Lüge?

Lüge gibt es jedenfalls auf Youtube. Dort veröffentlichte das Blatt einen Clip, in dem Olaf Scholz im Bundestagsplenum ankündigt, dass die Bild auf ihrem Kurs bleibe und solange Mist schreibe, bis die Politiker_innen aufhören, Mist zu bauen.

Daraufhin sieht man die empörten Reaktionen vereinzelter Politiker_innen und Friedrich Merz, der „Scheiße“ in seine Hand nuschelt. Unter dem Clip der Schriftzug „Stimme KI-generiert“. Eine gezielte, technisch umgesetzte Lüge.

Mit der „Bild bleibt Bild“-Kampagne gibt das Blatt seinen Leser_innen das Gefühl, resistent gegen Wandel zu sein, nicht progressiv oder „woke“ sein zu müssen. Die Bild tut so, als springe sie auf den Anti-Establishment-Zug auf. Dabei schaufelt sie ihm Kohle in den Schlund und ist selbst maßgeblich für diese Stimmung verantwortlich.

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Valérie Catil
Gesellschaftsredakteurin
Redakteurin bei taz zwei, dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Studierte Philosophie und Französisch in Berlin. Seit 2023 bei der taz.
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15 Kommentare

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  • Warum folgen eigentlich so viele einschließlich der taz in diesem Beitrag den Vorgaben des Bild-Zeitungsmarketings und schreiben nur "Bild" anstatt Bildzeitung und das gerne noch in Großbuchstaben oder kursiv?

    Damit erhöht man die Bild-Zeitung tatsächlich wie vom Marketing gewünscht zu einer eigenen Kategorie. Technisch ist sie jedoch weiterhin eine Tageszeitung von vielen. Ihre Berichterstattung ist sicher oft zweifelhaft, aber damit ist die Bildzeitung leider nicht alleine.

    • @Biks:

      Man kann sich aber auch schwer tun, die Bild eine „Zeitung“ zu nennen. Denn um eine Zeitung zu sein, sollte der Inhalt etwas öfter mit der Realität zusammenhängen.

      Bei mir verursacht jedenfalls die Nennung von Bild und Zeitung in einem Satz Schmerzen.

  • Michael Naumann hat mal die Bild-"Zeitung" mal das "Zentralorgans des moralischen Analphabetismus" genannt.



    Das gilt selbstverständlich auch heute noch

  • @LOWANDORDER

    :-)

  • Es ist schon Lüge. Aber auch das ist nichts [1] neues.

    Bild bleibt Bild. Eben.

    [1] www.stadtgeschicht...k/1980#s1980-09-22

  • Wer kennt das nicht: man wird von einem Nachbarn oder Passanten angeblafft, weil..ja weil die Bild Zeitung mal wieder gegen irgendwen oder irgendwas hetzt. Egal ob es sich dabei um Ausländer Fahrradfahrer oder Grüne handelt...

    Nun darf man ja gerichtsfest sagen; "Bild lügt" (insofern gibt es tatsächlich eine "Lügenprese"). Aber das Ganze reicht noch weit tiefer, denn wenn man sich die BilD-Stories mal etwas genauer anschaut, dann spielen Fakten da oft nur eine Nebenrolle.

    Die Hauptrolle stellen dagegen die sog. 7 Todsünden dar, lt Wikipedia sind dies:

    1. Superbia



    Hochmut (Stolz, Eitelkeit, Übermut)



    2. Avaritia



    Geiz (Habgier, Habsucht)



    3. Luxuria



    Wollust (Ausschweifung, Genusssucht, Begehren, Unkeuschheit)



    4. Ira



    Zorn (Jähzorn, Wut, Rachsucht)



    5. Gula



    Völlerei (Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Unmäßigkeit, Selbstsucht)



    6. Invidia



    Neid (Eifersucht, Missgunst)



    7. Acedia



    Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Überdruss, Trägheit des Herzens)

    Genau diese Themen sind es, die Bild im Kern ausschmückt und befeuert, um so die niederen Instinkte ihrer Leserschaft anzusprechen..

    Die 7 Todsünden sind übrigens ein Phänomen welches auch von anderern Kulturen oder Religionen erkannt wurde. Im Buddhismus heißen sie z.B.: die 7 psychischen Gifte.

    Daher bin ich der Auffasung ein weit treffenderer Name für diese Zeitung wäre:

    -> Gift-Zeitung..

  • Damals wie heute gilt: Enteignet Springer!

    • @Piratenpunk:

      Zustimmung!

    • @Piratenpunk:

      Springer ist tot. Seine Witwe hält nur noch einen Teil der Aktien. Also bitte nicht auf ein totes Pferd setzen und auf halbem Wege stehen bleiben.

  • Danke für den Kommentar.

    Man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen und im Einzelnen darlegen, wie die BILD versucht eine ihre eigene "Wahrheit" herbei zu schreiben.

    Und dabei vor Verdrehungen von Fakten bis hin zu Lügen vor nichts zurück schreckt.



    Neuerdings also auch mit Hilfe von KI.

  • In dem Fall sieht man schon recht gut, wer Koch ist und wer Kellner.

  • Zu erst muss ich zugeben dass ich alle Zeitungen, von rechts (NZZ) bis Links (TAZ) lese. Das einzig vernünftige was ich dort gelesen habe war der Sportteil, den Rest kann man knicken. Was aber klare Kante gegen jeden Antisemitismus betrifft, da kann sich die ein oder andere linke Zeitung eine Scheibe abschneiden. Der Rest der Bild ist sch....

    • @Müller Christian:

      Die Positionierung gegen Antisemitismus bei der Bild ist vom Verlag vorgegeben und fällt unter die Kategorie Gratismut. Das wird deutlich, wenn das Blatt gegen jegliche andere Minderheit hetzt um ihre Zielgruppe dafür zu entschädigen.

      • @Wadlbeißer:

        Jo, da haben Sie Recht. Trotzdem würde ich mir manchmal von einigen Medien oder den ÖRF mehr Flagge gegen Antisemitismus wünschen.