Künstliche Intelligenz im Hörfunk: KI kills the Radio Star

Bei bigFM startet das deutschlandweit erste KI-Radio. In Zeiten, in denen immer mehr Branchenstars zu Spotify abwandern, ist das nur logisch.

Eine Frau liegt auf einer bettdecke und hat ein Kofferradio in den Händen

Mit der liebevoll kuratierten Au­to­r:in­nen­sen­dung in Radiodeutschland ist es vorbei Foto: Paul Almasy/akg-images

Für die Ohren gibt es kaum etwas Beruhigenderes als ein gutes Radioprogramm in der beginnenden Nacht. An den Rändern der Hauptsendezeit, wenn der letzte Stau durchgesagt und der Berufsverkehr noch ein paar Stunden hin ist, Ed Sheeran Feierabend hat und mit ihm alle Reichweitenanalyst:innen, dann dürfen die Mo­de­ra­to­r:in­nen ihre Skripte zur Seite legen und sich in ausschweifenden Hinleitungen zum nächsten Song verheddern, den kein Mensch kennt, aber dessen Bassisten sie in den Neunzigern mal in einer Hamburger Eckkneipe begegnet sind.

Sie dürfen Pausen entstehen lassen, wenn sie selbst ganz ergriffen sind von den 7 Minuten und 43 Sekunden dieses ausgegrabenen Tracks, der selbstverständlich in voller Länge läuft. Danach geben sie ab an den Host der Call-in-Sendung, der Ratschläge hat für Menschen in Lebenskrisen aller Art und sogar für diejenigen Verständnis aufbringt, die sich in ihrer Freizeit gerne mit Hackfleisch einreiben.

Ich bin in NRW aufgewachsen, radiosozialisiert vom Jugendsender 1Live. Radio-Seelsorger Jürgen Domian ist mittlerweile allerdings in Rente und der sich in den Geschichten verirrende Klaus Fiehe gehört zu den letzten, die in Deutschland noch eine liebevoll kuratierte Au­to­r:in­nen­sen­dung haben dürfen.

Reihenweise wandern den Sendern ihre Leute – die dort vor Jahren aus Liebe zur Musik und dem On-Air-Geschichtenerzählen ein Volontariat machten – zu Streaminganbietern wie Spotify ab. Da veröffentlichen sie dann ihre eigenen Shows und Talkformate, mit kleinerer Reichweite zwar, dafür aber mit glühenderer An­hän­ge­r:in­nen­schaft und Seele.

bigLayla hat kein typisches Radiogesicht

Die Verantwortlichen von bigFM, einem der größten privaten Radiosender in Deutschland, machen seit dieser Woche keinen Hehl mehr daraus, dass „Seele“ ihrer Meinung nach das letzte ist, was die Wellen heute noch brauchen. Sie sind am Dienstag mit „bigGPT“ an den Start gegangen, einem Programm, das ausschließlich aus synthetischen Stimmen und KI-generierten Inhalten besteht. Gespielt werden die „meistgestreamten Songs im Netz“, zur vollen und halben Stunde gibt es News aus der Tech-Welt.

Die virtuelle Moderatorin heißt bigLayla, und an einem typischen Radiogesicht hat man sich für sie nicht orientiert, denn Laylas Avatar auf der Website sieht aus wie Lara Croft. Zwischen den Songs betont sie, wie innovativ ihre Existenz doch sei und dass man mit ihr ausschließlich Gutes im Sinn habe. Den Real-life-bigFM-Moderator:innen wolle sie beispielsweise helfen, mithilfe künstlicher Intelligenz „neue Themen zu finden und Redundanzen zu vermeiden“.

„Gemeinsam mit euch können wir die Radiowelt rocken“, sagt sie dann noch und das klingt nicht nach Aufbruch, sondern nach entsetzlicher Müdigkeit und ich schließe den Browser, öffne Spotify und lasse mich in die Nacht geleiten von zwei ehemaligen Radionasen, die im eigenen Pod­cast endlich so redundant und leidenschaftlich sein dürfen, wie in keinem Rundfunk dieses Landes.

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