Wenn Energiesparen nicht einleuchtet: Als gäbe es kein Morgen
Wenn man Robert Habeck zum Klimaschutz reden hört, kann einem schwummerig werden. Nicht, weil er Unfug redet, sondern weil die Welt ist, wie sie ist
B eim besten türkischen Bäcker in meiner Nachbarschaft drängen sich Schulkinder, Mütter mit Babys und der Mann vom Ordnungsamt. Alle wollen einen schnellen Kaffee, knusprige Fladenbrote oder butterweiche Sesamringe. Ich stehe in der Schlange, atme in meine Maske und blicke durchs Schaufenster nach draußen. Es blinkt und funkelt und leuchtet, das ganze Fenster eine einzige Lichterkette. Draußen ist es hell. Man sieht die Lichter kaum.
Komplett überflüssig, denke ich. Und weil mich die Schlange an die Klimakonferenzen erinnert, höre ich in meinem Kopf die Vorwürfe der armen Länder an uns Reiche: „Euer CO2-Ausstoß sind Luxus-Emissionen“, sagen sie. „Und unsere CO2-Emissionen sind nötig für unser Überleben.“
Da haben sie recht. Wir verbrennen Kohle, Öl und Gas auch für den „Ich muss im Januar wirklich mal in die Sonne“-Flug nach Fuerteventura, für T-Shirt-Temperaturen im Wohnzimmer oder unsichtbare Lichterketten. Sie bauen Kohlekraftwerke, um einigen der 750 Millionen Menschen Strom zu bringen, die noch keinen haben.
Wir verschwenden Energie, als gäbe es kein Morgen: Jeder Dosenöffner, jeder Fensterheber ist elektrisch, wir ersticken in Kram und Zeugs, das keiner braucht. Wenn ich als Energie-Diktator durch unsere Wohnung schleiche, in leeren Zimmern Lampen ausknipse und Heizkörper auf 1 stelle, bin ich ein geiziger Freak.
Neue Bähwörter
In meiner Kindheit (also kurz nach der letzten Eiszeit, die der Planet je erleben wird), war „Energiesparen“ dagegen das große Ding: Tür zu, Licht weg, Motor aus! Aber damals gab es auf dem Sparbuch der Sparkasse auch noch 8 Prozent Zinsen. Wenn du heute sparst, bist du schön blöd: Die Bank bestraft dich, du bist schuld an der Rezession und alle Linken wollen Geld ausgeben. Wenn alle um dich herum vom „Höher, schneller, geiler“ schwärmen, wie willst du da von Sparen, Weniger, Reduzieren oder gar (huch!) von Verzichten reden?
Davor scheut auch unsere tolle neue Regierung zurück. Effizienz? Immer und überall! Suffizienz, weniger Verbrauch? Ach nöö … Liest man die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ von Wirtschaftsminister Habeck, wird einem ganz schwummerig. Da steht: Zwischen 2008 und 2019 ist der Endenergieverbrauch nur um 2 Prozent gesunken. In den acht Jahren bis 2030 soll er jetzt um 20 bis 25 Prozent sinken. Die Einsparungen also mal eben so verzehnfachen, während alle nach Wachstum schreien. Hmm.
Nach dem Besuch beim Bäcker komme ich abends an der neuen Zentrale eines großen schwedischen Stromkonzerns vorbei: ein ganzer Häuserblock, Holzhybridbau für 1.600 Mitarbeiter, Slogan: „Für ein fossilfreies Leben“. Vier Stockwerke strahlen hell erleuchtet in die Nacht. Von außen sieht man im Gebäude: exakt zwei Handwerker. Und ich habe mich über eine Lichterkette vor Sesamringen aufgeregt.
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