piwik no script img

Weltweite Reaktionen auf NahostkonfliktRaketen und klingelnde Telefone

Nahostvermittler suchen nach Möglichkeiten, den Krieg zwischen Israel und der Hamas zu beenden. Die US-Regierung hält sich auffällig zurück.

Ruinen in in Rafah im Gazastreifen nach einem israelischen Luftangriff am 16. Mai Foto: Ismael Mohamad/UPI/laif

Während der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen und Israels Bombardement des Küstengebiets in die zweite Woche gehen, haben internationale Bemühungen um ein Ende der Gewalt bislang keinerlei Ergebnis gebracht. Unter anderem die Außenminister Katars, Ägyptens, Saudi-Arabiens sowie der USA haben sich telefonisch miteinander ausgetauscht, doch ist es bei Appellen zur Deeskalation geblieben.

Auch die Sondergesandten des Nahost-Quartetts (USA, Russland, Vereinte Nationen und EU) haben bislang lediglich miteinander telefoniert. Dabei sei es um mögliche Schritte gegangen, um auf eine Deeskalation hinzuwirken, teilte Moskau am Montag mit. Ziel müsse eine Waffenruhe und der Schutz der Bevölkerung sein. Seit der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas am Montag vergangener Woche sind bereits mehr als 200 Menschen getötet worden, 197 davon auf palästinensischer Seite. Am Sonntag war eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats ohne gemeinsame Stellungnahme zu Ende gegangen. Die USA blockierten die Erklärung.

Die US-Regierung hat sich in den vergangenen Tagen auffallend zurückhaltend gezeigt. Präsident Joe Biden telefonierte mehrmals mit Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und bekräftigte, dass Israel jedes Recht auf Selbstverteidigung habe. Allerdings, so sagte es Jen Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses, habe man auch Besorgnis über die Bombardierung eines auch als Medienzentrum genutzten Hauses in Gaza-Stadt ausgedrückt.

Auch Außenminister Anthony Blinken zeigte sich am Montag „sehr besorgt“ angesichts der hohen Zahl an getöteten Zivilisten, „inklusive Kinder“. Im Gazastreifen sind Dutzende Kinder getötet worden, in Israel zwei.

Trumps Erbe scheint unumkehrbar

Die Biden-Regierung dürfte sich deshalb so zurückhalten, weil sie eigentlich nur verlieren kann. Aus der eigenen demokratischen Partei kommt scharfe Kritik vom linken Flügel. Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez schrieb auf Twitter: „Wenn die Biden-Regierung sich nicht einmal gegenüber einem Verbündeten behaupten kann, wem gegenüber denn dann? Wie können sie glaubwürdig behaupten, für Menschenrechte einzustehen?“ Der Senator Bernie Sanders schrieb in der New York Times: „Wir dürfen im Nahen Osten, wo wir jährlich fast 4 Milliarden Dollar Militärhilfe an Israel geben, nicht länger die Entschuldiger der rechten Netanjahu-Regierung und ihres undemokratischen und rassistischen Verhaltens sein.“

Zerstörte Fahrzeuge und Fassaden nach einem Raketenangriff in Ramat Gan in Israel am 15. Mai Foto: Oded Balilty/ap

Auf der anderen Seite stehen die Republikaner*innen, deren Präsident Donald Trump in seiner vierjährigen Amtszeit fast allen Wünschen Netanjahus entgegengekommen war: vom Ausstieg aus dem internationalen Iranabkommen bis zum Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem und dem Einverständnis zur Annexion weiter Teile des Westjordanlands. Das zu kritisieren, war für die damals oppositionellen De­mo­kra­t*in­nen nicht schwer. Die Maßnahmen aber – unter erwartbarem Protest Israels – zurückzunehmen, würde politisch teuer werden.

Durch die US-amerikanische Passivität kommt nun Ägypten und Katar eine wichtige Rolle zu

Denn auch viele moderate De­mo­kra­t*in­nen teilen diese Positionen. Die bedingungslose militärische Unterstützung Israels ist seit Jahrzehnten überparteiliche US-Politik. Nicht einmal die Obama-Biden-Regierung, die vermutlich die schlechtesten Beziehungen eines Weißen Hauses zu einer israelischen Regierung je hatte, hat daran gerüttelt.

So war es kein Zufall, dass Biden in seinen ersten außenpolitischen Grundsatzreden als Präsident den Nahostkonflikt mit keinem Wort erwähnte. Bidens einziger Plan in der Region war es, den Atomdeal mit dem Iran zu erneuern. Gespräche hierzu laufen derzeit in Wien. Allerdings dürften diese unter dem Eindruck der vom Iran mitfinanzierten Hamas-Raketenangriffe kompliziert werden.

Unvereinbare Positionen in der EU

Eine wichtige Rolle kommt vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Passivität nun Ägypten und Katar zu. Beide Staaten haben in der Vergangenheit immer wieder Waffenruhen zwischen Israel und der Hamas vermittelt, Katar zuletzt im vergangenen August. Im Gazakrieg 2014 war Ägypten maßgeblich an der Vermittlung eines dauerhaften Waffenstillstands beteiligt. Katar unterhält enge Verbindungen zur Hamas und bewahrt das von ihr kontrollierte Küstengebiet mit jährlichen Finanzpaketen in dreistelliger Millionenhöhe vor dem totalen Kollaps. Dabei spricht sich Doha eng mit der israelischen Regierung ab, was Katar auch auf israelischer Seite eine gewisse Akzeptanz eingebracht hat.

Unterdessen will sich die EU am Dienstag auf einer Krisensitzung der Außenminister mit der Lage in Israel und Gaza befassen. Man werde sich über Möglichkeiten abstimmen, die Gewalt zu beenden, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

In Brüssel rechnet jedoch kaum jemand mit einem Erfolg der Videokonferenz. Schon bei ihrem letzten regulären Treffen vor einer Woche konnten sich die EU-Außenminister nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Dies liegt auch an Deutschland, das bisher jede Kritik an Israel zurückweist. Bevor man über Frieden reden könne, müsse der „Raketenterror“ der Hamas enden, erklärte Außenminister Heiko Maas. Demgegenüber setzen sich Frankreich, Belgien und Luxemburg für eine Waffenruhe ohne Vorbedingungen ein. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert sogar, sich auf die Seite der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen zu schlagen und einen palästinensischen Staat anzuerkennen.

Früher gab die EU den Ton an

Zwischen diesen Positionen ist kaum eine Verständigung möglich. Der Spanier Borrell versucht es mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner: Er fordert, das Blutvergießen auf beiden Seiten zu beenden und auch über die „tieferliegenden Ursachen“ des Konflikts zu sprechen. Gemeint ist die Weigerung Israels, über eine Zweistaatenlösung zu reden und die aus EU-Sicht illegale Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden.

Doch selbst diese Kompromissformel ist umstritten. Vor zwanzig Jahren haben die Eu­ro­päe­r*in­nen noch den Ton angegeben, wenn es um eine Friedenslösung im Nahen Osten ging. Borrells Amtsvorgänger Javier Solana wurde gehört und geachtet. Dazu trugen auch die Milliardenhilfen für die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen bei. Heute ist die EU kaum noch sprechfähig. Sie protestiert nicht einmal mehr, wenn Israel ein EU-finanziertes Projekt zerstört oder – wie in Gaza – die Büros von Nachrichtenagenturen angreift.

Anmerkung der Redaktion: Unter den zehn Toten auf israelischer Seite sind zwei Kinder. In einer früheren Version dieses Textes war von einem die Rede. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • Interessante Perspektive auf die Thematik aus dem Guardian: www.theguardian.co...ian-refugee-return

  • Würden Sie bitte nicht dauernd von ".... Krieg zwischen Israel und der Hamas" schreiben, sondern " Krieg zwischen der Hamas und Israel".



    Darum geht es doch aktuell.

  • Adam Keller (Gush Shalom) analysiert wie Netanyahu die Eskalation des Konflikts sehr zu pass kommt, sprich die akute Bedrohung von Netanyahus Zukunft durch mehrere Gerichtsverfahren (Korruption) im akuten Krieg verschoben oder sogar aufgehoben wird. Sehr Lesenswert:



    zope.gush-shalom.o.../events/1464389870



    Auch der Hamas kann die Eskalation nur Recht sein, kann sie sich nach der offensichtlichen Unfähigkeit zivilen Regierens wieder als Retterin der Palästinensischen Seele profilieren und davon ablenken, dass im aktuellen Konstrukt von hinter hohen Mauern und Zäunen eingesperrter Bewohner:innen im Gazastreifen und im Westjordanland JEDE Regierung in Gaza und Westjordanland im Prinzip nur die Rolle der Gefängniswärter hat.

    • @Nina Janovich:

      Glauben Sie wirklich, Netanjahu habe die Hamas um den anhaltenden Raketenbeschuss gebeten? Und welche andere Option hat die israelische Regierung? Vielleicht profitiert die Hamas ja auch davon, oder?

      • @Jossi Blum:

        Was sollen denn ständig diese Unsinn "aber die Hamas hat doch aber auch "- Argumentation? Ich denke wir sind uns einig, dass die Hamas ein Terrororganisation ist und die Israelische Regierung eine demokratisch gewählte Vertretung eines Rechtsstaats ist.

        Natürlich profitiert die Hamas. Gerade nach den abgesagten Wahlen will sie ihren Herrschaftsanspruch, ihren Kümmererstatus untermauern. Dafür braucht sie den Konflikt mit Israel. Nur dort kann sie sich legitimieren.

        Das kann aber in keinster Weise auch nur im Ansatz ein Maßstab für eine demokratische Regierung sein. Auch Netanjahu braucht den Konflikt, um sieine Position zu stärken. Er steht politisch und juristisch mit dem Rücken zur Wand.

        Betrachtet man die Chronologie dieses der Eskalation, dann hatte er mehrere Möglichkeiten, im Vorfeld der Gewalt Schärfe aus dem Konflikt zu nehmen. Das hat er aber -auch entgegen den Rat der eigenen Sicherheitsbehörden- nicht getan.

        Netanjahu und Hamas stehen natürlich nicht auf einer Stufe. Aber sie brauchen einander, um ihre Macht zu sichern, um sich als einzig wahrer Schutzpatrn vor dem Terror zur profilieren. Und sie nehmen dafür die Angst und das Leid der Opfer in Kauf.

    • @Nina Janovich:

      Endlich eine richtige Beschreibung des eigentlichen Problems.



      Sting sang mal: The Russians Love Their Children Too.



      Ich denke, dies trifft auch auf jede Israeli und Palästineser zu.

      • @Arne M:

        Mir fällt da eher ein bekanntes Zitat von Golda Meir ein: "Wir können den Arabern vergeben, dass sie unsere Kinder getötet haben. Wir können ihnen nicht vergeben, dass sie uns gezwungen haben, ihre Kinder zu töten. Wir werden nur dann Frieden mit den Arabern haben, wenn sie ihre Kinder mehr lieben als uns hassen."

    • @Nina Janovich:

      Das ist eben genau das Bittere an diesem Konflikt. Auf beiden Seiten haben Hardliner das Sagen die auch jeweils von der Eskalation profitieren, während die Zivilisten beider Seiten die Leidtragenden sind. Dass es unter derart aussichtslosen Prämissen überhaupt noch internationale Bemühungen um Deeskalation gibt ist fast schon bemerkenswert.

  • "Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fordert sogar, sich auf die Seite der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen zu schlagen und einen palästinensischen Staat anzuerkennen."

    Dieser Vorschlag wird bestimmt den Frieden bringen. Asselborn verdient den Friedensnobelpreis. *Ironie aus*

  • Wo kommen die Waffen der Beiden her? Da verdient doch gerade die Waffenindustrie wieder ne Menge, da die leeren Depots der Unversöhnlichen dann endlich mit der nächsten Generaton an Waffen wieder aufgefüllt werden können?

    • @StefanMaria:

      Die Hamas verschießt größtenteils eher DIY-Modelle, daran verdient dann vor Allem die Düngemittelindustrie, wird aber auch vA vom Iran unterstüzt.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Naja viel Hamas Ausrüstung kommt aus dem Iran, deren Sektor verdient auch gut daran.

  • Die Gänsefüßchen beim "Raketenterror" darf sich die TAZ ruhig sparen.

  • Nicht nur aus EU-Sicht ist die Siedlungstätigkeit der israelischen Regierungen illegal, sondern nach internationalem Recht. Der Internationale Strafgerichtshof wird hoffentlich bald damit befassen.



    In der letzten Phoenix-Runde wies Dr. Michael Lüders darauf hin, dass Heiko Maas eine gemeinsame Resolution der EU verhindert habe, die wohl ziemlich mild war. Nur Zeitungen in Luxemburg hätten darüber berichtet, deutsche nicht:



    (www.ardmediathek.d...Q4OTM3YTA3MTQ5Mg/)



    Darüberhinaus wies er darauf hin, dass man gegen Russland wegen der Besetzung der Krim Sanktionen verhängt hat, Israel dagegen wird gegenüber Konsequenzen für sein illegales Handeln bisher immer abgeschirmt.

    • @Martha:

      Außerdem ist die Krim nicht besetzt sondern Russland hat die Krim in das Staatsgebiet Russland eingegliedert.

      • @Klempner Karl:

        Die Krim gehörte aber nach international anerkannten Grenzen nicht zu Russland. Daher die Sanktionen.

    • @Martha:

      Den Unterschied Krim zum Westjordanland sollte man schon kennen.



      Die Krim wurde von einem bestehenden Staat Ukraine okupiert während das Westjordanland von Jordanien 1948 entgegen den Vorstellungen des Teilungsplans einverleibt wurde. Es war britisches Mandatsgebiet. Vorher Osmanisches Reich. Die Araber hatten den UN Teilunggsplan abgelehnt und den neu gegründeten Staat Israel mit Krieg überzogen. Von 1948 bis 1968 hätte man einen Palästinenserstaat gründen können. Aber die Araber wollten Alles einschließlich Israel.

      • @Klempner Karl:

        Bezüglich der Krim ist das, was Sie schreiben ganz schlicht Mumpitz. Die Krim wurde zu Sowjetzeiten in einem 100%ig legalen Verwaltungsakt der Ukraine zugeschlagen. Und vor ein paar Jahren nach Vorbild von Hitlers Verhalten im Kontext Sudetenland von Putin "zurück ins Reich" geholt.

      • @Klempner Karl:

        Ich kenne den Unterschied sehr gut. Nein die Krim wurde nicht von der Ukraine okupiert, sondern diese war seit Sowjetzeiten dieser zugehörig. Es war eine international anerkannte Grenze.



        Verständlich ist die Ablehnung des UN_Teilungsplans, der eigentlich ein Vorschlag war und noch gakein Plan, denn die einheimische palästinensische Bevölkerung war garnicht gefragt worden, darüberhinaus sah der Plan einen größeren Teil für die jüdischen Einwanderer vor als für die Einheimischen.

      • @Klempner Karl:

        Egal wie oft man erklärt, warum der Vergleich nicht stimmt, wird er von Israelkritikern trotzdem weiterhin gemacht.

        • 8G
          83191 (Profil gelöscht)
          @h3h3y0:

          Keine zwei Fälle gleichen einander. Auch die Unabhängigkeit vom Kosovo im Vergleich mit der Ostukraine unterscheidet sich massiv. Aber es sind Ähnlichkeiten zu sehen (Bruch des Völkerrechts), die auf einer Seite sanktioniert werden und auf der anderen nicht. Leider sind seit Jahren auf beiden Seiten Hardliner an der Macht, die von einem umfassenden Sieg phantasieren und dadurch jeden Kompromiss (2-Staaten-Lösung) verhindern. Mit Netanjahu ist da genauso wenig was zu ändern wie mit der Hamas.

          Als USA würde ich die Finger draußen lassen bis sich die hardliner verändern. Sonst verbrennt man sich an der Situation nur.