Wehrmacht bei der Bundeswehr: Kriegstüchtig mit Tradition
Boris Pistorius' neue „Kriegstüchtigkeit“ zeigt Wirkung: Verteidigungsministerium und Bundeswehr nehmen es mit der Wehrmacht bald nicht mehr so genau.
W enn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie problematisch der Begriff „Kriegstüchtigkeit“ ist, den SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius ständig beschwört, dann hat ihn die Bundeswehr gerade selbst geliefert. Auf der Suche nach neuen Vorbildern für die Truppe ist das Verteidigungsministerium ganz tief in der Mottenkiste fündig geworden: Künftig sollen auch Wehrmachtssoldaten traditionsstiftend sein können, wenn sie sich nach 1945 um den Aufbau der Bundeswehr und die freiheitlich-demokratische Grundordnung verdient gemacht haben. Was sie vorher gemacht haben, ist nicht mehr so wichtig.
Das kann ja nur schiefgehen. In der Liste, die das Verteidigungsministerium seiner Ergänzung zum Traditionserlass beigelegt hat, finden sich „einer der erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten“ im Zweiten Weltkrieg, einige hochdekorierte Frontoffiziere und Kommandanten, der jüngste Oberst des Heeres und der erfolgreichste sowie der zweit- und dritterfolgreichste Jagdflieger der Militärluftfahrt.
Sicher, die Bundeswehr würdigt sie auch für ihre Leistungen nach 1945 in der Truppe und auch bei Nato-Stellen. Aber unerwähnt lässt die Bundeswehr solche vermeintlichen militärischen Erfolge im Zweiten Weltkrieg nicht. Penibel verzeichnet sie, wie viele „Luftsiege“ die Jagdflieger im Zweiten Weltkrieg errungen haben: 352, 301 und 275.
So werden die Abschüsse alliierter Flugzeuge und ihrer Besatzungen, die die Niederlage Nazi-Deutschlands und den Sturz des NS-Regimes verzögert haben, mal eben zur neutralen soldatischen Leistung umdefiniert. Das waren sie aber nicht. Jeder Luftsieg war einer zu viel.
Mit ihrer Ergänzung hat die Bundeswehr den Traditionserlass regelrecht verschlimmbessert. Deutlich wird damit, dass es schon immer Leute in Truppe und Ministerium gab, denen der zivile Anteil an der Konzeption der Inneren Führung zu hoch war. Einer von ihnen ist deshalb jetzt für traditionsstiftend erklärt worden – auch weil er für sein Werben für Kriegstauglichkeit in der Öffentlichkeit kritisiert wurde. Offenbar hat dieser Teil der Bundeswehr unter Pistorius Auftrieb.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient