Wahlprogramm der Union: Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Im Entwurf ihres Wahlprogramms bleibt die Union an vielen Stellen vage, besonders was die Finanzierung angeht. Am Dienstag soll er beschlossen werden.
„Politikwechsel für Deutschland“ lautet der Titel des Wahlprogramms, den federführend die beiden Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU) sowie der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), und der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, erarbeitet haben. Darin will die Union nach eigenen Worten „ein neues Wohlstandversprechen“ geben. Die großen Krisen der Zeit kommen dabei nur sehr begrenzt vor. In einer gemeinsamen Sitzung wollen die Vorstände von CDU und CSU das Programm am Dienstag beschließen. Anschließend ist eine Pressekonferenz geplant, auf der die beiden Parteivorsitzenden, Friedrich Merz und Markus Söder, es öffentlich vorstellen.
Die Union will den Einkommenssteuersatz „schrittweise spürbar“ abflachen, der Spitzensteuersatz soll später greifen, die Unternehmensbesteuerung soll gesenkt, der Soli vollständig abgeschafft werden. Derzeit muss er nur noch von Spitzenverdiener*innen gezahlt werden. Die Pendlerpauschale will die Union erhöhen, Überstundenzuschläge will sie steuerfrei stellen und sich bei den Sozialversicherungsbeiträgen „auf die 40 Prozent hinbewegen“. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie soll auf sieben Prozent sinken, die Agrardieselrückvergütung für die Landwirt*innen wieder vollständig eingeführt werden.
Konkrete Schritte oder Jahreszahlen finden sich in dem Papier nicht. Schuldig bleibt die Union auch eine Antwort auf die Frage, wie das ganze finanziert werden soll. Von Steuererhöhungen ist im Wahlprogramm nicht die Rede, eine Vermögenssteuer wird abgelehnt. Bei der Schuldenbremse bleibt die Formulierung wolkig. „An der grundgesetzlichen Schuldenbremse festhalten“, heißt es im Entwurf. Das schließt eine Reform, die nicht nur von SPD und Grünen, sondern auch von zahlreichen Ministerpräsidenten gefordert wird, nicht aus. „Unmittelbar zu Beginn der neuen Wahlperiode machen wir einen ehrlichen Kassensturz“, heißt es weiter. Ob danach eine Reform möglich sein könnte, bleibt offen.
Asylpolitik
„Eine strikte Begrenzung der Migration ist dringend nötig“, Land und Integrationsfähgkeit seien überfordert, heißt es im Entwurf. Die Union verspricht, „einen faktischen Aufnahmestopp“ sofort durchzusetzen: „Dazu weisen wir diejenigen an den deutschen Grenzen zurück, die aus einem anderen Mitgliedstaat der EU oder dem Schengen-Raum nach Deutschland einreisen und bei uns einen Asylantrag stellen wollen.“ Das ist rechtlich umstritten und dürfte bei den anderen EU-Ländern gar nicht gut ankommen. Expert*innen befürchten Kettenzurückweisungen.
Die Union will Asylverfahren und Rückführungen beschleunigen, dazu weitere Länder zu sicheren Herkunftsländern erklären und nach Syrien und Afghanistan abschieben. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte soll beendet, alle freiwilligen Aufnahmeprogramme gestrichen werden. Sozialleistungen für Ausreisepflichtige sollen dem Grundsatz „Bett, Brot und Seife“ folgen.
Die Union will auch das europäische Asylrecht weiter verschärfen. Jeder, der in Europa Asyl beantragt, soll in einen sicheren Drittstaat außerhalb der EU gebracht werden. Dort soll nicht nur das Verfahren durchgeführt werden, die Menschen, die anerkannt werden, sollen auch dort bleiben. Ob das nach geltendem Recht überhaupt möglich ist, ist mehr als umstritten. Auch ist bislang völlig unklar, welches Nicht-EU-Land dazu bereit wäre.
Auch den Kurs gegenüber Geflüchteten aus der von Russland angegriffenen Ukraine will die Union verschärfen. Neu ankommende Geflüchtete sollen nicht mehr Bürgergeld erhalten, sondern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die geringer sind.
Die Möglichkeit, in Ausnahmefällen bereits nach drei Jahren eingebürgert zu werden, und die generelle Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft sollen rückgängig gemacht werden. Beides hatte die Ampel eingeführt.
Energie und Klima
Die Union bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen und dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045. Als zentrales Werkzeug sieht sie dabei die CO2-Bepreisung. Sie will Stromsteuer und Netzentgelte senken und so den Strom „für alle schnell und spürbar günstiger“ machen. Netze, Speicher und „alle Erneuerbaren“ sollen ausgebaut werden. An der „Option Kernenergie“ will die Union festhalten. Dabei setzt sie vor allem auf Forschung – etwa zur Kernfusion.
Auch die Prüfung, ob die zuletzt abgeschalteten AKWs wieder ans Netz gehen können, findet sich im Programmentwurf. Dabei sagen Expert*innen und auch Betreiber, dass dies unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht möglich ist. Das Heizungsgesetz der Ampel will die Union abschaffen, unklar bleibt, was das für die Förderung beim Einbau etwa von Wärmepumpen bedeutet. Das Verbrennerverbot soll rückgängig gemacht werden und die Abgaben für die Luftfahrt gesenkt werden.
Rente
Zur Rentenpolitik betont die Union: „Wir halten an der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter fest.“ Damit weicht sie von ihrem neuen Grundsatzprogramm ab, in dem eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung gefordert wird. So wollen CDU und CSU Angriffe der SPD im Wahlkampf abwehren, die der Union Rentenkürzungen vorgeworfen hat.
Die Union will eine sogenannte Aktivrente einführen, bei der die Personen, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus freiwillig weiterarbeiten, das Gehalt erst ab 2000 Euro im Monat versteuern müssen. Zudem soll es eine „Frühstartrente“ geben. Der Staat soll für jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr pro Monat zehn Euro in ein kapitalgedecktes und privatwirtschaftlich organisiertes Altersvorsorgedepot einzahlen.
Das Bürgergeld will die Union wieder abschaffen. Bei so genannten Totalverweigerern will sie die Grundsicherung komplett streichen. „Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, muss der Staat davon ausgehen, dass er nicht bedürftig ist.“ Unklar ist, ob das rechtlich überhaupt möglich ist.
Außenpolitik und Verteidigung
In der Außenpolitik werden verstärkte Sanktionen gegen Russland gefordert. Die Solidarität für die Ukraine wird betont – allerdings gibt es im Wahlprogramm nur ein Bekenntnis zur EU-Mitgliedschaft des Landes, nicht aber zu einem Nato-Beitritt. Zu Israel heißt es: „Israel stehen wir bei seinem legitimen Kampf gegen den Terror zur Seite.“ Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung sind laut Programmentwurf eine „Untergrenze unserer Verteidigungsausgaben“, zu mehr bekennt sich die Union aber auch nicht. Eine „aufwachsende Wehrpflicht soll kommen“, dazu „perspektivisch“ ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr.
In Umfragen führt die Union derzeit deutlich. Kanzlerkandidat Merz kann sich deshalb Hoffnung machen, Olaf Scholz (SPD) abzulösen. CDU und CSU dürften aber auf einen Koalitionspartner angewiesen sein, dafür kommen derzeit nur die SPD und die Grünen in Frage, auch wenn CSU-Chef Söder letzteres ausschließt. Beide Parteien lehnen etliche der im Wahlprogramm genannten Forderungen oder Versprechen ab.
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