Wahlentscheidung weißer Frauen: Trust No White Bitch
Wer hat uns verraten? Trumps weiße Wählerinnen! Statt Diskriminierte zu unterstützen, machen sie sich zu Komplizinnen von Rape Culture.
Die USA haben ihren Präsidenten gewählt und die ganze Welt ist geschockt. Selbst Angela Merkel, die sonst nicht für bebende Gefühle bekannt ist – wahrscheinlich, weil sie sonst für eine Hysterikerin gehalten würde –, sprach ihre unterschwelligen Zweifel an dem Wahlsieger Donald Trump aus.
Seine Bekanntheit schaffte Trump nicht durch seine Karriere als Reality-TV-„Star“, sondern durch seinen offen gepredigten Hass gegen Schwarze Personen, People of Color, Geflüchtete, Juden und Jüdinnen, Muslim_innen, Queere, Transpersonen, Frauen, Menschen mit Behinderungen und arme Menschen. Bei dieser explosiven Mischung ist Name gleich Programm: Trump bedeutet im englischsprachigen Slang auch so viel wie ein feuchter, ekliger Furz.
Interessant sind nicht die geschockten Statusmeldungen – als wäre es bei den zahlreichen Gewaltfällen so unwahrscheinlich, dass die USA auf Hass stehen –, sondern die Statistiken der Wahlergebnisse. Sie zeigen, welche Bevölkerungsgruppe wie gewählt hat.
Hätten nur Menschen gewählt, die 1982 und später geboren wären, hätte Hillary Clinton haushoch gewonnen. Ähnlich wie beim Brexit haben es also mal wieder die älteren Generationen verkackt.
Der Republikaner war natürlich unter weißen Männern populär. 63 Prozent von ihnen wählten diese furchtbare Verkörperung eines Altherrenwitzes.
Status quo weißer Vorherrschaft
Viel auffälliger war hingegen, dass 53 Prozent der weißen Frauen für ihn abstimmten. Und zwar deshalb, weil er sein frauenverachtendes Weltbild sehr offen zeigt, beispielsweise in seinen direkten und indirekten Aufrufen zu sexualisierter Gewalt.
Die Mehrheit weißer US-Amerikanerinnen wählt einen Mann, der unter anderem vom Ku-Klux-Klan unterstützt wurde, der ein Einreiseverbot für Muslim_innen fordert und gegen den zahlreiche Vergewaltigungsvorwürfe vorliegen. Es ist einerseits erschreckend und sagt andererseits sehr viel über den Status quo weißer Vorherrschaft und den rechten Backlash des Westens aus.
Zum Vergleich: Unter Latina-Frauen gab es 26 Prozent und unter Schwarzen Frauen gerade mal 4 Prozent Trump-Wählerinnen. Was ist denn da los mit den weißen Frauen? Wo bleibt ihre Solidarität mit anderen Frauen? Mit jenen, die Betroffene sexualisierter Gewalt sind? Mit Women of Color und Schwarzen Frauen? Alleinerziehenden Müttern? Frauen mit Behinderungen? Geflüchteten Frauen? Mit Jüdinnen und Musliminnen? Kein Wunder, dass seit Mittwoch besonders weiße Frauen zur Zielscheibe des Frustes über Trumps Wahlsieg wurden.
Die Zahlen entlarven vor allem einen Mythos, nämlich dass Frauen automatisch so handeln, wie es für ihr Geschlecht am besten sei. So neu ist die Erkenntnis eigentlich nicht. Weder Merkel noch Thatcher handelten feministisch.
Intersektionaler Feminismus ist scheißegal
Während mehrfachdiskriminierten Frauen stets vorgehalten wird, sie müssen gefälligst immer ihre Identität als Frau für politische Entscheidungen priorisieren und somit an erster Stelle Frau und erst an zweiter von anderen Strukturen wie Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit betroffen sein, agierten Trumps Wählerinnen an erster Stelle als weiße Personen. Sie verteidigten ihre Position in einem rassistischen System.
Die Aufrechterhaltung weißer Vorherrschaft war eben doch verlockender als körperliche und sexuelle Selbstbestimmung, reproduktive Rechte, Kinderbetreuung, ein soziales Auffangsystem oder ein freierer Zugang ins Gesundheitssystem.
Hätte es so etwas wie eine feministische Schwesternschaft je gegeben, haben sie diese verraten, da sie sich lieber einem wütenden weißen Mann unterordnen als einer, wenn auch fragwürdigen, weißen Frau.
Das Misstrauen gegenüber weißen Frauen hat sich bewährt: Ihnen ist intersektionaler Feminismus scheißegal. Lieber machen sie sich zu Komplizinnen von Vergewaltigungskultur als von jenen Menschen, die ebenfalls von weißen Männern unterdrückt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann