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Erfahrungen als FrauGeschlechtslos und asexuell

Behinderte Frauen werden in erster Linie als behindert wahrgenommen, nicht als weiblich. Deshalb finden sie auch im Feminismus kaum statt.

Lisa Schmidt ist Wheelchairskaterin. Auch behinderte Frauen brauchen Feminismus Foto: Jörg Farys

Behinderte Menschen sind geschlechtslose Wesen. Man sieht es an Toiletten in Restaurants, Ämtern und Kaufhäusern. Männer – Frauen – Behinderte. Und weil sie so schön geräumig sind, werden die Behindertentoiletten häufig nebenbei als Abstellkammer verwendet.

Behinderte sind auch asexuelle Wesen – zumindestens in der Vorstellung der meisten Nichtbehinderten. Die gefühlt am häufigsten gestellte Fragen sind: „Hast du Sex?“ und – noch offensiver – „Wie hast du denn Sex?“

Selbst Fremde schrecken vor solch intimen Fragen nicht zurück. Gerne im Flüsterton, mit aufgerissenen Augen und gerunzelte Stirn, als sei ihnen die Vorstellung zuwider. So ganz genau will man es nicht wissen, interessiert ist man trotzdem.

Und da vor allem behinderte Frauen in erster Linie als behindert wahrgenommen werden und nicht als weiblich, finden sie im Feminismus selten bis gar nicht statt. Im Juni nominierte des Online-Frauenmagazin Edition F 50 Frauen, von denen 25 als „Frauen, die unsere Welt besser machen“ ausgezeichnet werden sollten. Die Frauen waren aus über 750 Einsendungen ausgewählt worden.

Denise Linke

Jahrgang 1989, ist Autorin und Herausgeberin des N#mmer-Magazins

Nicht beeindruckend genug?

Keine Frau mit Behinderung stand auf der Liste. Die Redaktion von Edition F teilt mit, dass es keine Nominierte mit Behinderung gegeben hätte, später stellt man klar, dass es vielleicht doch welche gab, diese aber schlicht nicht beeindruckend genug waren. Stolz verweisen sie darauf, dass immerhin in der Jury eine Frau mit Behinderung sitze.

taz.mit behinderung

Menschen mit Behinderungen fordern immer wieder: „Nichts über uns ohne uns!“ Jedoch sind sie in den Redaktionsräumen des Landes kaum vertreten. Zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember 2016 präsentiert sich die taz am Vortag als Ergebnis einer „freundlichen Übernahme“.

Darin erzählen Autor_innen von sich. Davon, dass sie nicht „an den Rollstuhl gefesselt sind“ oder „an ihrem schweren Schicksal leiden“. Davon, wie es ihnen im Alltag und im Beruf ergeht. Koordiniert wird die Übernahme von Leidmedien.de. taz.mit behinderung – am Kiosk, eKiosk und natürlich online auf taz.de.

Ständig werden Frauen mit Behinderung übersehen. Im Feminismus werden Women of Color, LGBT-Frauen und Migrantinnen eingebunden, selten jedoch Frauen mit Behinderung, obwohl 8 bis 10 Prozent aller Frauen in Deutschland schwerbehindert sind.

2014 sorgte der Hashtag #YesAllWomen für Aufsehen. Frauen teilten darunter ihre Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Als sich Frauen mit Behinderung an der Aktion beteiligten, erfuhren sie teils Zurückweisung. Es sei ein Unding, dass behinderte Frauen die Bewegung nutzten, um vom eigentlichen Problem abzulenken und auf die Probleme behinderter Frauen aufmerksam zu machen. Diese Anschuldigungen kamen von Frauen. Von Frauen ohne Behinderung.

Kaum Anlaufstellen für behinderte Frauen

Es ist unsinnig, verschiedene Randgruppen innerhalb der sowieso schon marginalisierten Gruppe der Frauen gegeneinander auszuspielen. Aber es ist ebenso unsinnig, Frauen mit Behinderung zu ignorieren. Denn häufig werden sie der Behindertenbewegung zugeschrieben, unabhängig davon, welche Themen sie interessiert oder welche Probleme sie haben.

Wird eine behinderte Frau etwa Opfer von physischer oder psychischer Gewalt, hat sie kaum Anlaufstellen. Denn nur 10 Prozent der Beratungsstellen und Frauenhäuser sind deutschlandweit barrierefrei. Eine traurige Bilanz. Und sie zeigt deutlich, dass behinderte Frauen in den Köpfen vieler einfach nicht stattfinden. Selbst in den Köpfen derer, die sich mit den Problemen von Frauen auseinandersetzen müssen.

60 bis 70 Prozent der behinderten Frauen weltweit haben physische, 90 Prozent psychische und die Hälfte sexualisierte Gewalt erfahren. Wenn Frauen mit Behinderung Opfer von Gewalt werden, dann ist die Behinderung zwar meist auch Teil des Problems, aber das Frausein eben auch.

Die Betroffenen brauchen Frauenhäuser, sie brauchen Rückhalt und ärztliche Hilfe. Und sie brauchen Feminismus. Nur den Feminismus der weißen, nichtbehinderten Frauen: Den brauchen sie nicht.

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17 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Äh? Geht es da behinderten Männern anders?

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Nein, das kann ich Ihnen versichern. Als behinderter Mann macht jede Frau nen Bogen um sie. Widerspricht aber wohl dem Weltbild dieser Dam!

  • Ich weiß nicht, wieso man da wieder so ein Feminismus-Ding draus machen muss. Man könnte ja mal die Gegenfrage stellen: wie viele normale Frauen sich eine Beziehung mit einem schwerbehinderten Mann vorstellen können.

     

    Wenn man sich die darwinistischen Hintergründe von Liebe und Sexualtät vor Augen hält, dann ist es nicht erstaunlich, dass eine Behinderung nicht gerade zum Sexappeal einer Person beiträgt. Das mag man bedauern, aber es wird sich kaum ändern lassen. Sexualität ist nun mal, ihrem innersten Wesen nach, diskriminierend.

     

    "Im Feminismus werden Women of Color, LGBT-Frauen und Migrantinnen eingebunden, selten jedoch Frauen mit Behinderung, obwohl 8 bis 10 Prozent aller Frauen in Deutschland schwerbehindert sind."

     

    Das sind aber zum Großteil alte Menschen, die oft schon gepflegt werden und deren feministisches Engagement sich in Grenzen hält. In der aktiven Alterskohorte dürfte der Anteil behinderter Menschen deutlich geringer sein. Insofern muss es auch nichts bedeuten, wenn unter 25 ausgewählten Frauen keine Behinderte ist.

     

    Zumal zu den Behinderungen ja auch geistige Behinderungen zählen, und dass geistig behinderte Frauen nicht in irgendwelchen Elite-Listen auftauchen, ist kein großes Wunder.

  • Solange die "Linke" sich darin sonnt, ihr Tun und Schaffen nur noch Minderheiten aller Art zu schenken, braucht sich langsam keiner mehr über zunehmenden Rechtspopulismus zu wundern.

    So bitter es ist, als Frau behindert zu sein - habt Ihr bei der TAZ nichts anderes zu tun?

    Die alte Welt bricht nach und nach weg und die TAZ entdeckt die Leiden der behinderten Frauen...

    Mehr Hilflosigkeit im Kampf gegen rechts kann ich mir kaum vorstellen. Was ist aus Euch geworden?

    • @Matthias Trompete:

      "Minderheiten aller Art" sind halt die Mehrheit der Gesellschaft also wo ist das Problem!? Wer fordert den Kampf nach möglichst viel Freiheit und Gleichberechtigung für alle Menschen mit weniger Privilegien aufzugeben, hat die Logik der Rechten schon verinnerlicht und ist selbst Teil des Problems. "Habt ihr nichts besseres zu tun" - echt schwer zu sagen ob das kälter oder dümmer ist...

      • @Harvey:

        Wo ist den mein Vorkämpfer?`Ich bin ein behinderter Mann und glauben Sie ernsthaft ich hätte irgendwelche genderspezifischen Vorteile gegenüber dieser Frau? Werdet bitte mal spezifisch und kommt nicht immer mit diesem patriarchalischen Geschwurbel!

  • Zitat: "Die Redaktion von Edition F teilt mit, dass es keine Nominierte mit Behinderung gegeben hätte, später stellt man klar, dass es vielleicht doch welche gab, diese aber schlicht nicht beeindruckend genug waren."

     

    Seltsame "Klarstellung"! Das einzige, was die Redaktion von Edition F mit ihrer Klarstellung klar gestellt hat, ist, dass sie sich nicht beeindrucken lassen will von Menschen, deren Wege sehr viel weiter und beschwerlicher sind als die Wege anderer, die sie aber trotzdem erfolgreich bewältigen. Ich finde, das spricht nicht gegen die nominierten Frauen mit Behinderung. Es spricht eher gegen jene Jurymitglieder, die zu dumm oder zu ignorant waren zu erkennen, was eine echte Leistung ist und was nur eine Spielerei.

     

    Wenn mich daran überhaupt etwas beeindruckt, dann ist es die stolze Unbekümmertheit, mit der manche Menschen ihre Charakterschwächen öffentlich zur Schau tragen. Da kann sich mach eine Behinderte ne Scheibe davon abschneiden, finde ich!

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    "da vor allem behinderte Frauen in erster Linie als behindert wahrgenommen werden und nicht als weiblich, finden sie im Feminismus selten bis gar nicht statt."

     

    Da haben die behinderten Frauen aber echt Glück gehabt! Viele nicht behinderte Frauen müssen explizit klarstellen das sie mit dem peinlichen Gefasel derer die sich heute Feministen nennen nichts zu tun haben.

     

    „Es ist unsinnig, verschiedene Randgruppen innerhalb der sowieso schon marginalisierten Gruppe der Frauen gegeneinander auszuspielen.“

     

    Menschen die marginalisiert sind leben am Rand der Gesellschaft. Da die Gesellschaft zu 50% aus Frauen besteht ist es mehr als unwahrscheinlich das Frauen generell marginalisiert werden.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Zitat: "Menschen die marginalisiert sind leben am Rand der Gesellschaft. Da die Gesellschaft zu 50% aus Frauen besteht ist es mehr als unwahrscheinlich dass Frauen generell marginalisiert werden."

       

      Stellen Sie sich bitte einen Kreis vor, werteR JANUS. Und nun stellen Sie sich bitte vor, dass es Punkte gibt, die im Zentrum des Kreises stehen und solche, die am Rand sind. Wo, meinen Sie wohl, finden mehr Punkte einen Platz? Eben.

       

      Unsere Gesellschaft besteht aus Menschen, die bestimmen (dürfen) was passiert, und solchen, die das nicht tun (dürfen). Die Bestimmer stehen im Zentrum. Da, wo nur wenige Menschen Platz haben. Die Nichtbestimmer stehen am Rand. Da, wo viele von ihnen einen Platz finden. Die Nichtbestimmer können allenfalls um die Bestimmer kreisen, um sie sich ohnehin schon alles dreht.

       

      Die vielen Nichtbestimmer am Rand nennt man die Marginalisierten. Und nun raten Sie bitte noch einmal: Wo bekommt wohl die übergroße Mehrheit der 50% Frauen dieses Planeten ihren Platz zugewiesen? Ganz genau: Am Rand. Unter all den Frauen aber, die schon ziemlich weit am Rand unsrer Gesellschaft stehen, sind behinderte und farbige Frauen noch einmal ganz besonders weit vom Zentrum weg. Sie stehen fast immer am aller äußersten Rand. Da, wo noch weiter außen gar nichts mehr kommt, wo aber immerhin noch jede Menge Platz ist...

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        "Stellen Sie sich bitte einen Kreis vor, werteR JANUS. Und nun stellen Sie sich bitte vor, dass es Punkte gibt, die im Zentrum des Kreises stehen und solche, die am Rand sind. Wo, meinen Sie wohl, finden mehr Punkte einen Platz?"

         

        Nur so aus Jux: Wo mehr Punkte einen Platz finden hängt davon ab wie viel Platz die Punkte im Zentrum des Kreises einnehmen.

         

        Ihr bildliches Beispiel in allen Ehren. Marginalisierte Menschen sind Obdachlose und Menschen die so arm sind das sie am Gesellschaftlichen Leben quasi nicht teilnehmen können.

        Die Gruppe "Frau" ist ein absolut ungeeignetes Mittel um zu ermitteln ob jemand marginalisiert wird oder nicht, weil Marginalisierung vor allem ein ökonomischer Vorgang ist und Frauen in Sachen Einkommen keine homogene Gruppe sind.

        Man kann Gruppen auch durch Ausgrenzung marginalisieren und das war bis vor garnicht so langer Zeit auch sicher der Hauptgrund für Marginalisierung aber das ist vorbei, zumindest in der westlichen Welt.

         

        Was Sie dann später beschreiben ist keine Marginalisierung sondern die Verteilung von Macht. Das ist aber etwas gänzlich anderes.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        Also doch, die Erde ist eine Scheibe!

         

        Aber haben in einem beliebig kleinen Kreis nicht immer noch unendlich viele Punkte Platz? Wenn alle in die Mitte drängen, haben wir dann irgendwann ein Schwarzes Loch? Kann es eine Mitte ohne Rand geben?

         

        BTW: was ist mit kleinen Frauen? Werden die nicht noch mehr marginalisiert als grosse? Wie sieht es zwischen den schlauen und minderbegabten Frauen aus? Den Blondinen und Brünetten? Den dicken FleischesserInnen und den mageren VeganX? Ein multidimendionaler Komlex steht hier erst am Anfang der Aufklärung.

      • @mowgli:

        Die Punkte am Rand wählen die Punkte in der Mitte.

        • @Kubatsch:

          Nö, die Punkte am Rand gehen meist überhaupt nicht zur Wahl - freiwillig, was natürlich auch in gewisser Weise einer Wahl gleichkommt.

           

          Das Problem daran ist lediglich, dass Politiker und Ihre Berater sehr genau beobachten, wer wählen geht und wer nicht, und ihre "Wahlgeschenke" an dieser Information ausrichten...

          • @Grisch:

            Also du sagst, dass Frauen nicht wählen gehen und die Politiker dies wüssten?

  • Es liegt wohl nicht an der Behinderung. Frauen haben generell Probleme, "denn sie haben eine Scheide". Seit der letzten Böhmermann-Sendung wird sich das auch nicht länger mehr verheimlichen lassen.

     

    siehe hier: https://youtu.be/At9bBaPJ5-8

  • Ist immer witzig, wenn sich eine Ideologie anfängt selbst zu zerfleischen.