piwik no script img

Wahl von Kai Wegner in BerlinDemütigung statt Triumph

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Kai Wegner fällt in Berlin in zwei Wahlgängen durch. Jetzt wird es für den neuen Regierenden Bürgermeister noch schwieriger, die vielen Probleme der Stadt anzugehen.

Not amused: Kai Wegner spricht mit Parteigenossen Foto: Michele Tantussi/reuters

D as hatte sich Kai Wegner ganz anders vorgestellt. Erst im dritten Wahlgang erhielt der CDU-Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters eine Mehrheit aus CDU und SPD. Dabei hätte dieser 27. April ein Tag des Triumphs für ihn und seine Partei werden sollen. So aber wird dieser Tag immer auch als Tag der Demütigung von Wegner im Gedächtnis bleiben – zumal im Raum steht, dass Wegner auch mit und vielleicht sogar nur wegen Stimmen der AfD gewählt wurde.

Im ersten Wahlgang fehlte dem CDU-Kandidaten mit 15 Stimmen viel mehr Unterstützung, als irgendjemand erwartet hatte. Schon das zeigt, auf welch wackligen Beinen diese Koalition steht. Prompt begannen die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen CDU und SPD.

Wie immer bei einer geheimen Wahl gilt allerdings: Wir werden die genauen Gründe und Ab­weich­le­r*in­nen nie kennen – was die Situation noch verfahrener macht. Insgesamt kann man aber, ohne dass man den Sozialdemokraten die alleinige Schuld daran geben kann, sagen: Letztlich spiegelt sich in Wegners Wahlergebnis das knappe Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids wider, bei dem nur 54 Prozent für Schwarz-Rot votiert hatten.

Dieser verpatzte Auftakt wird es dem neuen CDU-Regierungschef noch schwerer machen, die vielen Probleme Berlins anzugehen, zumal die nächste Wahl bereits in gut drei Jahren stattfindet. Zwar herrscht über die großen Herausforderungen parteiübergreifender Konsens: Die Stadt braucht eine Verwaltungsreform, konsequente Klimaschutzpolitik und viel mehr bezahlbaren Wohnraum. Aber wenn sich eine Koalition so früh derart instabil zeigt, darf sie auf keine Zugeständnisse von anderen Parteien – etwa bei Verhandlungen zwischen der Senats- und der Bezirksebene – hoffen und muss zugleich stets um die eigene Mehrheit bangen.

Wer also gehofft hatte, mit Kai Wegners Wahl käme das mit der Pannenwahl 2021 ausgelöste Chaos zu einem Ende, liegt falsch. Doch die Opposition aus Grünen und Linken, immer noch sauer über den überraschenden Spurwechsel der SPD hin zu CDU, kann sich darüber nicht freuen. Sollte Schwarz-Rot bald platzen, wäre es keineswegs klar, dass es erneut zu Rot-Grün-Rot kommt.

Und bei der Wäh­le­r*in­nen­schaft schwächt ein erneutes Durch­einander das Vertrauen in die Berliner Landes­politik weiter. Damit ist keiner Partei gedient. Ein bisschen politische Normalität hätten die Ber­li­ne­r*in­nen schon erwarten dürfen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • In erster Linie ist das Ergebnis der SPD, besonders ihrer Führung, zu verdanken. Wenn man einen Mitgliederentscheid mit solcher Schlagseite durchführt, braucht man eine qualifizierte Mehrheit. Oder man moderiert das Ganze eher neutral, dann genügt jede noch so knappe Mehrheit. Das hätten allerdings die parteiinternen Kritiker der Organisation dieses Mitgliederentscheids schon längst einmal sagen und fordern können. Versagen der SPD auf ganzer Linie also.







    In zweiter Linie zeigt die AfD die innere Nähe zu Wegner und bestimmten Anteilen des Koalitionsvertrags auf. Hätten die einer Regierenden von Grünen oder Linken zugestimmt? Ganz bestimmt hätten sie sich nie im Leben getraut, das auch nur zu behaupten!







    Und drittens führt es all jene ad absurdum, die nicht oft genug behaupten konnten, dass es an der Regierungsbeteiligung von Grünen und Linken liege, dass die Schlangen in den Berliner Bürgerämtern so lang sind. Das Chaos rührt von Giffey her, die gegen große Teile ihrer eigenen Partei regieren wollte und will.







    Mittlerweile ist der Schaden allerdings so groß, dass es nicht ausreichen wird, Giffey in die Wüste zu schicken. Und weil die SPD damit für einige Zeit ausfallen wird, bleibt auf mittlere Sicht wohl nur schwarz-grün. Welch ein Erfolg der SPD!

  • "Damit ist keiner Partei gedient."

    Naja... Eine würde mir da schon einfallen. Die demokratischen Parteien in Berlin sollten sich sehr genau überlegen, wie albern ihr Theater wirken soll. Die letzten Jahre waren ein Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte.

  • Ach Herr Schulz da muss viel passieren das das Vertrauen in die jetzige Koalition geschwächt wird … nach der absoluten Unfähigkeit der RGR Koalition in den letzten Jahren ist ein dritter Wahlgang wirklich lachhaft …

  • Mit Frau Doktor Schummel an der Seite wird Alles flach Dahinglitschen.



    Horrido

  • Die mutigen SPD-Linken proben den Aufstand aber nur so lange,es nicht wirklich wehtut, i. e. Neuwahlen und Verlust des Mandates drohen. Man bleibt bei klassisch sozialdemokratischem Handeln, der Symbolik..

    Interessant vor allem, dass für aufrechte Linke parteiinterne Demokratie, vulgo Mitgliederentscheide, nicht als bindend oder als Richtschnur empfunden werden.

    Was sagt uns das?

    Dem linken Teil in der SPD-Fraktion ist das Symbol und das Gefühl wichtiger als Mtgliederentscheide zumindest so lange es nicht das Mandat kostet.

    Wahrscheinlich sind mehr auf links gedrehte SPD_Mitglieder ob der symbolik sogar noch begeistert. Nur Regieren ist anders da diskreditiert man die eigne neue Regierung nicht sofort .... aber wahrscheinlich ist das gar nicht so wichtig. Hauptsache, mit die richtische Jefühl ... ditte is Bealin, wa?

  • Ein Gutes hat das Ganze: jetzt kommt Kevin. Er übernimmt die Führung bei der Berliner SPD. Restart mit ihm als Bürgermeisterkandidaten bei baldigen Neuwahlen und am Ende alles gut mit rot-rot-grün!

    • @Lindenberg:

      Ist das ironisch gemeint?

      • @__tester:

        Anders kann es nicht sein.

  • Ja wo warr eigentlich der Gegenkandidat der Grünen oder der Linken im dritten Wahlgang?



    Verpasste chance finde ich - Lederer hätte doch mit einfacher Mehrheit die chance gehabt als chamanterer Wegner rotrotgrün lebendig zu machen - und die afdzu spalten !

    • @niko:

      fand ich auch – dabei kann Machtkampf doch auch Spaß machen, aber sowohl grün als auch Linkspartei sind geistig zu träge, kein Esprit, kein Biss, deshalb schaffen sie es auch nicht ganz an die Spitze, weshalb sie sich von den anderen auf der Nase rumtanzen lassen müssen.

  • Na Servus

    Ja wie? Jedenfalls muß der CDU-Kai nich mal eben - in sei schmählich Leide - 🙀🥳🤬 -



    Die gemeine Hupfdrohle geben - wie einst die SPD-Simonis Heide!



    Is doch die mit machtgeil Giffey angerührte Schose - wa!



    Sowas von offner klüttenschwarzer Hüse!



    Hüse? Hose. Ist es doch ganz ungenant bekannt:



    “Wer in Berlin is in der SPD - Ei&Na nu¿!



    Wär in Bayern sattelfest - jo mei - in der CSU!“

    kurz - Diese verwerchelt angepopelte Rotznasen-Unducht!



    Is ne abgrundtiefschwarze bodenlose asiSchlucht •

    Na Mahlzeit

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      Angesichts ihres absichtlich nicht aufgearbeiteten Einflusses auf das unfreiwillige und vorzeitige Ableben von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hat die SPD wohl kaum noch Luft nach unten, der Boden ist schon längst ihr Habitat.



      Vorwärts und nicht vergessen ;)

      • 9G
        90118 (Profil gelöscht)
        @90118 (Profil gelöscht):

        PS: Okay, hab´s übersehen, die "abgrundtiefschwarze bodenlose asiSchlucht" bietet natürlich doch noch weiteren Spielraum in dieser Richtung.

  • Mal angenommen es wäre so, dass alle 15 fehlenden Stimmen bei der SPD zu finden wären, obwohl sich nur zwei dazu in der Probeabstimmung bekannten, dann wirft es ein wenig gutes Licht auf die Parteimandatsträger.

    In den einzelnen Gremien war man sich bewusst, dass es eine Mitgliederbefragung mit Ergebnis geben würde. Man hat sie durchgeführt, um ein Votum der SPD-Miglieder zu erhalten, weil man sich in Zerrisenheit befand, nicht sicher war. Die Mehrheit hat entschieden.

    Es wird immer von "knapper" Mehrheit geschrieben. Ab wann ist die Mehrheit nicht mehr knapp?



    Ab 65%, ab 75%, ab 98%? Die Mehrheit orientiert sich an der Hälfte plus x.

    Soll man Verhältnisse wie in der DDR bekommen, mit unrealistischen und manipulierten Zustimmungswerten oder soll man sich an demokratische Gepflogenheiten halten, dass eine einfache Mehrheit, eine Stimme Vorsprung, eine Mehrheit ist, die Mehrheit auf Zeit, die Mehrheit der Demokraten ist.

    Sich an dieses Votum nicht halten zu wollen, wirft die Frage auf, warum man dann das Parteiticket in der Fraktion behalten will.

    Wenn man als Wähler Parteilisten wählt, weil man die weniger Prominenten Kandidaten eh nicht kennt, dann ist es eine Selbstverständlichkeit anzunehmen, dass die auf der Liste für die Partei Antretenden sich an die Parteiorgansiation und Programmatik halten.



    Wozu braucht es sonst Parteien? Wozu brauchen Kandidaten und Mandatsträger sonst den Rückenwind ihrer Parteien?

    Im Tagesspiegel gab Kai Wegner ein Interview. Demnach war es bei den ersten Wahlgängen nicht ausgeschlossen, dass es auch in der CDU Abweichler geben könnte.

    Wir wissen es nicht.

    Es ist allerdings wenig einleuchtend, dass die AfD exakt die erforderliche Stimmenauffüllung zustande bringt, die es in geheimer Wahl braucht, um genau die exakte Anzahl an Sitzen der neuen Koalition zusammenzubekommen.

    Wer hier der Erzählung der AfD folgt, kocht sein eigenes Süppchen mit dieser neuen Regierung in Berlin und springt allzu gerne auf den Zug auf.

    Wie schäbig.

  • Der Wegner kann nun wirklich weder was für die AFD- Spielchen, noch für die Gewalt die Giffey ihrer eigenen Partei antut. Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD wieder einschläft ist aber hoch.

  • Ich habe Tränen gelacht!! So sieht also `Das Beste für Berlin´ aus! OmG, Wegner gleich zu Beginn als "Master of Desaster"!! Aber Chapeau, Hut ab vor den Standhaften: Wer hätte gedacht, dass nicht alle Abgeordneten der SPD den Industrie-, Bank- und Großkonzernfreunden und -freundinnen so tapfer widerstehen. Wenn man sich nur auf der Zunge zergehen lässt, was noch vor Bestand der Koalition so alles gewispert wurde: Bebauung des Tempelhofer Feldes, Bewerbung für Olympia, ein Vorhaben besser als das andere für - Berlin? "Das Beste für Berlin?!" Das Beste für die üblichen Verdächtigen aus dem CDU- und SPD-Seeheimer-Dunstkreis!! Also, werte Genossinen und Genossen: Bleibt standhaft! Weiterhin keine Mehrheiten für `Vorwärts in die Vergangenheit´!! Ich habe neue Hoffnung in die SPD, nach Jahrzehnten der schlimmsten Enttäuschungen!

    • @Munio Eunano:

      "Das Beste für Berlin: CDU" - offensichtlich glaubt nicht jeder der Abgeordneten an Werbung. Komisch ...

  • Die Berliner SPD gehört in die Opposition.



    Egal in welcher Konstellation die Partei ist im jetzigen Zustand nicht regierungsfähig.

  • Er wird damit gerechnet haben, ist ja nicht so, dass das selten passiert (Lieberknecht etc.): die Muckis spielen lassen, zeigen, dass man auch als Juniorpartner was drauf hat. Danach gab's meistens geräuschloses Verwalten.

  • Tja, die SPD scheint nicht viel von Demokratie zu halten. Die Mitglieder haben mit einer Mehrheit, wenn auch knapp, für die Koalition gestimmt. Daran muss sich jeder Abgeordnete halten. Bei weiteren Abstimmungen kann man sich an die Fraktionstreue halten oder nicht, aber hier lag eine Entscheidung der Basis vor.