Vorstoß zu Unterhaltsreform: Streit um Geschlechtergerechtigkeit
Bundesjustizminister Marco Buschmann will Väter bei Unterhaltszahlungen entlasten, die sich aktiv um ihre Kinder kümmern. Eine gute Idee? Ein Pro und Contra.
Ja.
Z war gibt es getrennte Väter, die keinen, zu wenig oder nur unregelmäßig Unterhalt für ihre Kinder zahlen. Aber für sie ist der Vorstoß von Justizminister Marco Buschmann nicht gemacht: Es geht um die getrennten Väter, die ihre Kinder häufig betreuen. Sie sollen nicht mehr den vollen Unterhalt zahlen müssen.
Denn es gibt eben auch jene Männer, die sich von Anbeginn an um ihren Nachwuchs kümmern. Doch wenn sich Mutter und Vater nach einer Trennung die Betreuung zeitlich nicht genau gleich aufteilen, muss die Seite mit der geringeren Betreuungszeit in der Regel den vollen Unterhalt zahlen. Das ist nach wie vor meist der Mann.
Diese starre Regelung ist nicht mehr zeitgemäß. Väter sind heute oft eben nicht mehr die Sonntagsdaddys, die nach dem Eis im Zoo die Kinder bei der Mutter wieder abliefern. Auch brauchen aktive Väter eine größere Wohnung mit Kinderzimmer, Möbeln, Kleidung; finanziell schlägt das oft heftig zu Buche. Denn Väter sind heute nicht mehr in jedem Fall Besserverdienende, so wie Mütter nicht mehr vorrangig Hausfrauen sind.
Wer es ernst meint mit der Geschlechtergerechtigkeit, wer will, dass Frauen nicht mehr abhängig sind von einem aktuellen oder einem getrennten Partner, wer mehr Care-Väter möchte, der sollte anerkennen, dass das aktuelle Unterhaltsmodell in Teilen überholt ist. Es geht von einem traditionellen Beziehungsmodell aus, das in der Realität nicht mehr so oft vorkommt: der Mann als Alleinverdiener und abwesender Vater, der auch nach einer Trennung nur als zahlendes Phantom existiert.
Die Betreuungsanteile getrennter Väter liegen vielfach – und nicht selten gerichtlich festgelegt – bei etwa einem Drittel. Wer kein Besserverdiener ist, muss oft Vollzeit arbeiten, um den vollen Unterhalt zahlen zu können. Dann bleibt keine Zeit fürs Kind. Das will niemand. So wie niemand Müttern Geld wegnehmen will. Aber die „kinderlose“ Zeit können Frauen investieren – in Erwerbsarbeit. Für die Kinder sind Eltern, die sich auf Augenhöhe begegnen, ohnehin das beste.
Nein.
Die FDP betreibt Identitätspolitik. Heute: für Väter, die Unterhalt zahlen und ihre Kinder „mitbetreuen“. Warum Väter? Der Elternteil, den Justizminister Buschmann (FDP) finanziell entlasten will, ist zu rund 80 Prozent männlich.
Eines vorweg: Kindern würde das keinen Cent mehr bringen. Für Väter, die ihre Kinder betreuen, sich den Unterhalt aber nicht leisten können, springt schon jetzt der Staat ein. Für die Betrüger, die trotz prallen Kontos nichts herausrücken, auch. Für sie fordere ich keine Anreize, sondern Strafen, die volle Härte des Rechtsstaats.
Seit dem gescheiterten Versuch, Unternehmensvorstände zu quotieren, wissen wir: Freiwillige Anreize funktionieren in der Geschlechterpolitik nicht. Den tief sitzenden patriarchalen Habitus des Sich-nicht-zuständig-Fühlens bei den Komplettversagern unter den Erzeugern wird Buschmann auch nicht ausmerzen, indem sie 100 Euro mehr im Monat behalten dürfen.
Natürlich gibt es Väter, die sich kümmern. Doch die Zahl der Vorzeigedaddys ist bundesweit nicht so hoch, wie es im Lastenradtaumel vor Kitas in Berlin-Mitte wirken mag, und ob diese Väter eine Entlastung brauchen, sei mal dahingestellt.
Ganze drei Stunden pro Tag verbrachten Väter 2019 im Schnitt mit ihrem Kind. Damit ein Vater, der wenig Geld hat, sich künftig beispielsweise ein Kinderzimmer leisten kann, sollte die Politik ihn auf andere Weise entlasten, etwa durch niedrigere Steuern oder Sozialabgaben. Auch Unternehmen müssen väterfreundlicher werden.
Auf keinen Fall jedoch sollte man Müttern Geld wegnehmen, wie Buschmann es vorhat. Ihre Kosten, etwa für ein Kinderzimmer, sinken schließlich nicht, wenn Papa vier- statt einmal pro Woche vorbeikommt. Der Hinweis auf die prekäre Lage alleinerziehender Mütter ist kein „Whataboutism“, sondern weitet den Blick aufs große Ganze.
Gleichstellung erreicht man nicht, indem man zwei Gruppen gegeneinander ausspielt. Der Vorstoß von Buschmann spaltet und ist brandgefährlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient