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Verzweifelter Arbeitskampf in SachsenAussperrung statt Tarifvertrag

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

180 Tage haben Beschäftigte einer Recyclingfirma gestreikt. Jetzt werden sie ausgesperrt. Bitter für die IG Metall!

Seit dem 8. November 2023 kämpfen Mitarbeiter von SRW für bessere Arbeitsbedingungen. Jetzt werden sie ausgesperrt Foto: Jan Woitas/dpa

E s ist ein trauriger Rekord. 180 Tage haben die Schrotterinnen und Schrotter im sächsischen Espenhain gestreikt. Doch das war’s jetzt. Der längste Streik in der Geschichte der IG Metall hat kein glückliches Ende gefunden – auch wenn die Gewerkschaft, um ihre Niederlage nicht eingestehen zu müssen, noch davon spricht, ihn nur „unterbrochen“ zu haben.

Das ganze Gerede der vergangenen Wochen über die angeblich ins Unermessliche gestiegene Macht der Gewerkschaften und das vermeintlich allzu ar­beit­neh­me­r:in­nen­freund­li­che deutsche Streikrecht hat sich vor einem Werkstor südlich von Leipzig als Demagogie der Arbeitgeberlobby enttarnt. Nicht einmal die zahlreiche Politprominenz bis hin zum sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, die die Streikenden besucht hat, hat ihnen mehr als folgenlose Schulterklopferei eingebracht.

Dabei waren ihre Forderungen alles andere als revolutionär. Die Beschäftigten wollten nicht mehr als einen Tarifvertrag, der dafür sorgt, dass sie nicht länger mehrere Hundert Euro im Monat weniger als ihre Kol­le­g:in­nen in vergleichbaren Betrieben im Westen verdienen und dafür auch noch länger arbeiten müssen.

Das bittere Ergebnis: Dem Arbeitgeber SRW metalfloat reicht es nicht, die Streikenden mit seiner Hartleibigkeit zermürbt zu haben, er verweigert ihnen jetzt auch noch die Wiederaufnahme der Arbeit. Zunächst bis zum 31. Mai werden sie ausgesperrt. Diese Demütigung bedeutet für die rund 90 Betroffenen, weiterhin keinen Lohn zu erhalten, sondern auf das deutlich niedrigere Streikgeld der Gewerkschaft angewiesen zu sein. Das ist hart für Menschen, deren Stundenlohn ohnehin nur knapp über dem Mindestlohn liegt.

Hinter der SRW metalfloat in Espenhain steckt ein chinesischer Konzern. Mit US-amerikanischen Kapitalisten wie Elon Musk (Tesla) oder Jeff Bezos (Amazon) hat er gemeinsam, nichts von deutschen Sozialpartnerschaftsmodellen zu halten. Gewerkschaften und Tarifverträge sind ihnen ein Gräuel. Weder die IG Metall noch Verdi haben bislang eine Antwort gefunden, wie sie diesen Kulturkampf gewinnen können.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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22 Kommentare

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  • Der Betrieb möchte doch sicher Aufträge haben.



    Sofern es sich um öffentliche Aufträge handelt, könnte man ihn ja von der Vergabe ausschließlich. Hier sind dann die öffentlichen Verwaltungen gefordert. Privatkunden könnten sich solidarisch zeigen.

    • @Jutta Kodrzynski:

      Auf welcher Rechtsgrundlage meinen Sie den Konzern von der Vergabe ausschließen zu können? Ein Vergabeausschluss mangels Tarifbindung wäre wohl ein deutlich verfassungswidriger Eingriff in die Koalitionsfreiheit und das (EU-)Vergaberecht. Da würde der Arbeitgeber dann den entgangenen Gewinn einklagen können, ohne überhaupt tätig zu werden und Arbeitnehmer zu beschäftigen. Waren Lösungen so einfach, gäbe es wohl solche Probleme nicht

  • Bei der GDL schrieb der Autor:

    "Tarif-Einigung zwischen Bahn und GDL:Es lohnt sich, zu kämpfen

    Weniger Arbeit für mehr Geld – der neue Tarifvertrag ist ein wahrer Erfolg für die GDL. Davon sollten sich andere Gewerkschaften ein Scheibchen abschneiden."

    Andere Gewerkschaften haben sich ein Scheibchen abgeschnitten und der Arbeitgeber hat dagegen gehalten. Jetzt wird die "Sozialpartnerschaft" hochgehalten, da man im Kampf nicht gewonnen hat. Mit anderen Worten, der Arbeitgeber ist unfair, wenn er kämpft und nicht an die "Sozialpartnerschaft" denkt. War die GDL dann auch unfair?

    Das derzeitige Streikrecht begünstigt Spartengewerkschaften von spezialisierten Berufen. Wenn die Ausbildung nicht sehr speziell ist, ist der Streikdruck geringer.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Strolch:

      Sicherlich kann man Äpfel mit Birnen vergleichen, gibt aber halt nur wenig Sinn. Die Tarifauseinandersetzung der GDL mit der Deutschen Bahn bewegte sich im Rahmen des deutschen Sozialpartnerschaftsmodells. In Espenhain weigert sich der gewerkschaftsfeindliche Arbeitgeber hingegen, überhaupt einen Tarifvertrag abzuschließen, um dessen konkrete Ausgestaltung dann gerungen werden könnte.

      • @Pascal Beucker:

        Es sind keine Äpfel und Birnen. Beides fällt unter Art. 9 GG. Ein Arbeitgeber kann nicht verpflichtet werden, einen Tarifvertrag abzuschließen (im übrigen ein Arbeitnehmer nicht einer Gewerkschaft beizutreten). Es gibt keine Zwangsschlichtung. Das ist ein Grundrecht. Aus diesem Grund kann die GDL streiken, egal wie hoch die Forderungen sind. Was soll den der Rahmen des "Deutschen Sozialpartnerschaftsmodells" sein, wenn nicht die Gesetze? Und wo bewegte sich der "gewerkschaftsfeindliche Arbeitgeber" außerhalb der Gesetze?

        Nebenbei: Sozialpartnerschaft meint ein kooperatives Verhalten der Arbeitsvertragsparteien. Wo war denn die GDL kooperativ und hat nach Konsens gestrebt und die SozialPARTNERSCHAFT hochgehalten? Die GDL hat maximale Interessenvertretung betrieben. Und damit Sie mich nicht falsch verstehen: Die GDL kann und durfte das ja machen. Aber ein Arbeitgeber kann sich eben auch weigern, einen Tarifvertrag abzuschließen.

        Nebenbei: Worin ist denn der große Unterschied, wenn der Arbeitgeber gesagt hätte: Lasst uns einen Tarifvertrag schließen, aber ALLE Arbeitsbedingungen bleiben identisch, ich verändere nichts. Dann wäre er ja nach Ihnen sozialpartnerschaftlich oder nicht, auch wenn sich inhaltlich nichts ändert?

  • Nun ja.

    Ein halbes Jahr streiken und somit nichts erzeugen, was Umsatz bringen könnte, ist auch nicht gerade ein Pappenstiel. Jeder Streikteilnehmende und auch die Gewerkschaft muss sich bewusst sein, dass Aussperrung das Mittel der Arbeitgeberseite ist.

    Falls nicht: Schlafmütze.

  • Da helfen nur Solidaritätsstreiks.

    • @Bolzkopf:

      Solidaritätsstreiks sind m.W. im Deutschen Streikrecht nicht vorgesehen. Die Gewerkschaft und ggf. die daran beteiligten Arbeitnehmer würden sich m.E. Schadensersatzpflichtig machen.

  • "Weder die IG Metall noch Verdi haben bislang eine Antwort gefunden, wie sie diesen Kulturkampf gewinnen können."

    Da wird noch eine Antwort kommen, bin ich mir sicher. Und es gibt genug Methoden, mit solchen Unternehmen und Unternehmen eine Ebene zu finden, auf der verhandelt wird.

    Aber grundsätzlich wäre das auch mein Gefühl: Die Rahmenbedingungen sind jahrelang zugunsten der Unternehmer, der Kapitalibesitzer und der Manager verdreht worden. Solidarstreiks, wie es sie in Schweden oder in Großbrittanien gibt, finde ich vollkommen in Ordnung, wären für Deutschland wichtig.

    Gerade für solche Unternehmer. Das müsste man aber in Deutschland einführen. Überhaupt müsste die Politik ihre der Tendenz nach gewerkschaftsfeindliche Politik überdenken, besser noch ändern.

    Und die Haltung der Politik ist für mich nicht glaubwürdig. Einschränkungen von Gewerkschaften waren über Jahre unter Kohl und Merkel Teil der offiziellen Linie. Schröder und Fischer haben das nochmals verschlechtert.

    Der gesamte Niedriglohnsektor basiert darauf, dass Arbeitnehmer keine 'echte' Möglichkeit mehr haben, sich durch Gewerkschaften Ausgleich zu verschaffen. Und da arbeiten bis zu 20 Prozent der Beschäftigten. Deren Löhne sind marginal gestiegen, durch die Inflation wahrscheinlich stark gesunken, habe dazu keine Zahl gefunden, von diesen Minigehältern zahlt niemand 1 Prozent Bruttolohn an eine Gewerkschaft. Leider.

  • @WILLIFIT

    Deshalb macht ja auch die Arbeitgeberschaft (durch ihre Lobby, die FDPCDU) wie die Maus am Faden, wenn es um Lieferkettengesetze geht.

    Nichts soll denen im Weg stehen, wenn sie Arbeitnehmerrechte zertrümmern.

    Und wenn's den Leuten schlecht gehen, dann schieben sie die AfD vor, die dann auf die paar Flüchtlinge zeigt, die es noch ins Land schaffen und brüllt: "DIE WARN'S".

  • Menschen im Niedriglohnsektor haben keine Lobby. Sie werden einfach als ersetzbar angesehen. In einer Region in der eine hohe Arbeitslosigkeit existiert sind sie es leider auch.

  • Absolut nicht nachvollziehbar wieso China deutsche Unternehmen übernehmen darf. Aber die SPD macht fleißig weiter mit dem Ausverkauf, da kann fdp mahnen und protestieren.



    Scholz scheint sich Schröder als Vorbild zu nehmen.

    Von der unrühmlichen Rolle der Gewerkschaftsbosse die mal wieder die Arbeiter für ihre Macht verheizen wollen wir mal gar nicht sprechen, das Prinzip ist ja bekannt.

    • @Notizen aus Taiwan:

      Welches Deutsche Unternehmen hat "China" in diesem Fall übernommen? Und wie kommen Sie darauf, dass ein Deutscher Unternehmer hier anders handeln würde.

  • Ich verstehe die Schlussfolgerung nicht. Die Idee von Sozialpartnerschaft ist doch gerade, dass man eben nicht streikt oder wenn doch dann nur als Symbol, da im Grunde ja Arbeiter:innen und Kapital im gleichen Boot säßen und zusammenarbeiten sollten (was natürlich Quatsch ist).

    Die Antwort auf diesen Kampf haben verdi und IG Metall daher sehr wohl gefunden, nämlich den Streik. Dass er hier gescheitert ist, liegt nicht daran, dass chinesische Unternehmer so böse und anders als deutsche Unternehmer sind, sondern an den spezifischen Bedingungen in diesem Betrieb.

  • Kommt der Arbeitgeber aus den USA, sind das Einzelpersonen. Kommt er aus China, gibt es keine Individuen mehr. Alle gleichgeschaltet offenbar. Die Welt kann ja so einfach sein.

  • Die deutsche Konzernlandschaft ist was?

    Es sind die Dax-Unternehmen, welche auf Profit ausgerichtet sind (was auch richtig ist).



    Die deutsche Politik hat die Randbedingungen verändert, indem politisch auf China negativ eingewirkt wird (Aussage Xi ist ein Diktator).



    Die Geschäftswelt funktioniert anders.

  • Es ist die freie Wahl eines Unternehmen, ob es dem Arbeitgeberverband beitreten möchte oder nicht. Und genauso ist es die freie Wahl der Arbeitnehmer, bei diesem Unternehmen anzufangen. Dazu ist ja sicher niemand gezwungen worden.



    Warum wird das Unternehmen jetzt so als Paria dargestellt, nur weil es seine Rechte wahrnimmt?

  • Genau das kommt dabei heraus, wenn man menschenverachtenden Diktaturen die deutsche Konzernlandschaft überlässt. Brutalster Kapitalismus at it´s best. Und der Staat schaut ohnmächtig lächelnd zu. Da passt doch der aktuelle FDP-Europa-Wahlkampf-Slogan perfekt: "Wirtschaft liebt Freiheit so wie Du."

    • @willifit:

      Die Frage ist ja, wie sich deutsche Investoren im Ausland verhalten, die sind ja auch nicht besser. Warum investieren die in China, sicher nicht um sich dort um Arbeitnehmerrechte zu kümmern.



      Man könnte das ja vereinfachen, indem man ab einer gewissen Betriebsgröße bzw. Umsatz Betriebsrat und Tarifbindung vorschreibt.

    • @willifit:

      Der Staat schaut nicht ohnmächtig zu, sondern er schaut bewusst zu.

      Man könnte solche Betriebe zu einem Tarifvertrag zwingen, wenn der Staat das denn wollte.

      Offenbar will er nicht.

      • @Sonntagssegler:

        Wenn Sie Unternehmen zu einem Tarifvertrag zwingen wollen, haben Sie genau zwei Möglichkeiten. Entweder ändern Sie den Teil der Verfassung, in den die Koalitionsfreiheit Hartmut wird. Oder Sie führen einen Landes-Wirtschaftsminister, der mit einer rechtlich haltbaren Begründung einen bestehenden Flächentarifvertrag, soweit es den hier gäbe, für allgemeinverbindlich erklären würde Die juristischen Hürden dafür sind fast noch höher als die für eine Grundgesetzänderung.