piwik no script img

Foto: Stefanie Loos

Verkehrswende ohne AutosÜberzeugungstäter der Straße

Andreas Knie ist einer der bekanntesten Mobilitätsforscher im Land. Er wirbt für autofreien Verkehr – und zeigt in Berlin, wie es gehen kann.

E s wirkt alltäglich, als Andreas Knie an einem Dienstag im Dezember in der Kantine des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) auf einer Mobilitäts-App auf seinem Smartphone herumtippt, und doch könnte es ein entscheidender Schritt hin zu ­einer nachhaltigen Verkehrswende sein.

Es ist Mittagszeit. Knie sitzt an einer der langen Tischreihen, ganz hinten an der Wand und sucht nach einem Mietfahrrad in der Nähe des WZB. Seine grauen Haare wirken etwas zerzaust und stehen in alle Richtungen. Er ist spät dran. Einige Kolleginnen grüßen freundlich zum Leiter der Forschungsgruppe „Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung“ herüber und ziehen mit ihren Tabletts mit Essen vorbei. Knie schaut kurz auf, hebt die Hand zum Gruß und wischt dann weiter auf seiner App herum.

Gleich will er mit dem nächsten frei werdenden Leihfahrrad zu einem Termin im 2,7 Kilometer entfernten Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg radeln. Das WZB begleitet dort einen Modellversuch, der den Autoverkehr in der Stadt senken und dabei helfen soll, klimafreundlicher zu werden.

Im Berliner Graefekiez – einem gepflegten Altbauviertel in Kreuzberg mit Cafés und Buchläden an der Ecke – sollen bald Parkplätze von rund 700 bis 800 Autos verschwinden. Knie und dem WZB schwebt vor, dass sich das Viertel zwischen Volkspark Hasenheide und Landwehrkanal dadurch in ein Areal so wie die sogenannten Superblocks in Barcelona verwandeln könnte.

Testphase eins für die Parkflächen in Berlin-Kreuzberg

Wo einst Autos parkten, sind dort, in der spanischen Großstadt, längst idyllische Grünflächen mit Sitzgelegenheiten für AnwohnerInnen entstanden. Ähnliche Versuche gibt es in der belgischen Hafenstadt Gent, in Hamburg oder auch mit dem so genannten Kiezblock in der nahegelegenen Wrangelstraße in Berlin-Kreuzberg.

Das WZB und Knie arbeiten an dem klimafreundlichen Modellversuch am Graefekiez in insgesamt drei Testphasen mit. T1, T2, T3 heißt es in der Wissenschaft. Gerade stecken sie noch ganz am Anfang: Testphase eins. Aber Knie, 62 Jahre alt, hat bereits sein halbes Leben damit verbracht, zu erforschen, wie der Verkehr der Zukunft aussehen soll.

Er gilt als einer der bekanntesten Mobilitätsforscher hier im Land. Seit den späten achtziger Jahren arbeitet er mit Unterbrechung am renommierten WZB, lehrt zusätzlich an der Technischen Universität in Berlin. Knie rief das erste Carsharing Deutschlands mit ins Leben, war 16 Jahre bei der Deutschen Bahn AG, erfand dort die Bahnräder für die letzte Meile bis vor die Haustür, gründete die Agora Verkehrswende mit – einen heute angesehenen Thinktank, in dem sich Forschende mit Bundesministerien in kleinem Kreis austauschen. Und die Liste könnte lange so weitergehen.

Knie trägt im Gegensatz zu vielen anderen WissenschaftlerInnen auch mal kein Jackett und nie Schlips und ist wohl das, was viele in der Wissenschaftslandschaft als unkonventionell bezeichnen würden. Er ist mit vielen sozialen Bewegungen eng verknüpft, selbst Mitglied bei Scientists for Future.

Ich will, dass wir endlich mit deutlich weniger Autos auskommen

Verkehrsexperte Andreas Knie

Wenn er in den „Tagesthemen“ oder im ZDF die aktuelle Verkehrspolitik kommentiert, ist hinter ihm auch mal eine einfache weiße Wand zu sehen und kein prestigeträchtiges meterhohes Bücherregal. Gefühlt ist Knie einfach bei allen Terminen und Veranstaltungen dabei, wenn es um das Thema Verkehr und Klimaschutz geht. Er sagt, seine Forderungen als Verkehrsforscher hätten sich über die Jahrzehnte dabei eigentlich kaum bis gar nicht geändert: „Ich will, dass wir endlich mit deutlich weniger Autos auskommen.“

An seiner Person zeigt sich dabei wie unter einem Brennglas, was beim Thema Verkehr und Klimaschutz für die Gesellschaft als Ganzes gilt. In nahezu keinem anderen Feld scheint eine so breite Lücke zu klaffen. Zwischen einerseits dem, was man in der Forschung seit Jahren darüber weiß und wie man es ändern könnte, und andererseits dem, was tatsächlich passiert.

Seit den 1990ern ist der CO2-Ausstoß im Verkehr nahezu gleich geblieben. Der größte Anteil des klimaschädlichsten Treibhausgases, das maßgeblich für die Erwärmung unseres Planeten verantwortlich ist, entsteht dabei täglich durch Pkws und Motorräder auf unseren Straßen.

Während in anderen Bereichen, etwa in der Landwirtschaft oder in der Industrie, längst klimafreundliche Alternativen gefunden und vermehrt genutzt werden, um die Emissionen zu senken, änderte sich beim Verkehr in den letzten Jahrzehnten bis heute wenig bis nahezu nichts. Woran aber liegt das? Was muss sich ändern, damit der Verkehr endlich klimafreundlicher wird? Und vor allem: Was lief in der Vergangenheit eigentlich falsch?

Knie macht einen Schritt heraus aus der Rauchwolke

Es ist ein Dezembervormittag in Kreuzberg, unweit von dem Viertel, in dem bald der neue Modellversuch starten soll. Auf der Kreuzung vor Knie ist ein großer schwarzer SUV vor einer Ampel zum Halten gekommen. Die Luft ist klirrend kalt und Knie ist inmitten der weißen Abgaswolke eingehüllt, die aus dem brummenden Motor dringt. Man kann die Mischung aus Benzin und Stickoxid in der Luft förmlich riechen. Das klimaschädlichste Abgas aber nicht – das CO2.

Knie macht einen Schritt aus der Rauchwolke hin in Richtung Böckhstraße. Es ist eine der Straßen, die von hier aus direkt in den Grae­fekiez hineinführen. An verschiedenen Orten sollen in dem Viertel bald kleine Messtationen aufgestellt werden, um die Luftwerte zu messen.

Damit ließe sich sehen, wie viel sauberer und besser die Luft in der Stadt mit weniger Autos ist, meint Knie. Gelingt es, dass in dem Viertel bald weniger Autos parken und fahren, würde für Knie ein lang gefordertes Ziel erreicht werden. Schon in den späten achtziger Jahren hat der Verkehrsforscher als junger Wissenschaftler damit begonnen, ein autofreies Westberlin zu fordern. Damals war die Stadt noch geteilt und die Berliner Stadtautobahn Avus galt als unangefochtene Renn­strecke, sagt Knie. Er kann sich bis heute gut an die ­Widerstände erinnern, die ihm mit Forderungen wie diesen damals entgegengebracht worden sind.

„Das Auto galt damals noch als viel unumstößlicher als heute“, erinnert er sich. Selbst sein eigener Vater – ein Autofreund, aber sehr toleranter Mensch, wie Knie ihn beschreibt – habe ihn damals gefragt: „Mensch Junge, muss das denn sein?“

Es ist doch die Aufgabe von Politik, steuernd einzugreifen, um das Verhalten zu beeinflussen

Andreas Knie über die Arbeit des Verkehrsministeriums

Knie dringt auch dort, wo die großen Veränderungen angestoßen werden könnten, nur schwer durch bis in die Bundespolitik hin zum Verkehrsministerium. Dort dreht sich viel um das Verkehrsaufkommen auf den Straßen, um Verkehrssicherheit oder um Lenkung des Verkehrs – den Ausbau und die Sanierung von Autobahnen. Klimaschutz als eigenständiges Thema sei überhaupt erst seit fünf, sechs Jahren ein Thema im Verkehrsministerium, heißt es – wenn man mit Knie, aber auch anderen WissenschaftlerInnen darüber spricht.

Es fällt auf, dass nicht alle die Verkehrspolitik der vergangenen Jahre mit solch scharfen Worten kritisieren wie Knie. Im Kern aber zeichnen sie alle ein ähnliches Bild. Knie beschreibt es unter anderem so: Für ihn sei in den 1990er Jahren das Verkehrsministerium in erster Linie ein reines Verkehrsbauministerium gewesen, das einzig und allein auf eine autogerechte Verkehrsplanung ausgelegt gewesen sei. Überlegungen, wie man über den Verkehr nachdenken, ihn gar neu organisieren könne, wurden damals nicht angestellt.

Das WZB berät seit 1996 regelmäßig das Bundesforschungsministerium, wo Knie auf mehr Offenheit stößt. Er arbeitet dort etwa an einer Studie zu Verkehr in Ballungsräumen mit. Als Knie das erste Mal Projekte im Bundesverkehrsministerium vorstellt, ist Wolfgang Tiefensee von der SPD Bundesverkehrsminister. Er kommt 2005 ins Amt.

Wie stark der alte Geist des Ministeriums aber noch fortwirkt, manifestiert sich für Knie und andere WissenschaftlerInnen auch am Organigramm des heutigen Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV). Noch immer gibt es große Abteilungen, die sich mit dem Straßenverkehr und den Bundesfernstraßen beschäftigen. 13.000 Kilometer Autobahnen durchziehen derzeit das Land. Knie sagt, für ihn sei das Ministerium bis heute eine „Trutzburg“ geblieben, die auf eine autogerechte Planung setzt. Aber lässt sie sich überdenken? Jetzt, wo sich der Planet immer mehr erwärmt?

Bundesverkehrsminister muss sich kritischen Fragen stellen

Kurz vor Weihnachten und dem Jahreswechsel 2022/23 steht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Ministerium am Invalidenpark – wie immer aufrecht, dunkler Anzug, rote Krawatte, das Haar mit akkuraten Scheitel – vorne in der Mitte eines langgezogenen, grauen Pultes. Eine kleine Weihnachtskugel ist von dem Tannenbaum hinter ihm heruntergefallen und liegt einsam auf dem dunkelblauen Teppichboden. Wissing muss sich rechtfertigen. Jour­na­listIn­nen von ZDF, dpa, RTL/ntv und FAZ sitzen vor ihm. Sie fragen an diesem Mittag besonders kritisch nach.

Seit Tagen streiten die Ampelpartner auf offener Bühne. Vor allem Verkehrsminister Volker Wissing und die Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen. Es geht um das Planungsbeschleunigungsgesetz für den Verkehrsbereich, einen Entwurf aus Wissings Haus. Wissing will, dass die Zeit für Planungs- und Genehmigungsverfahren künftig halbiert wird, damit Infrastrukturvorhaben schneller umgesetzt werden.

Wissing zählt zu diesen Projekten aber nicht nur den Bau von Schienen und Ersatz maroder Brücken wie seine Koalitionspartner, die Grünen. „Neben der Bahn müssen wir uns eben auch dringend Autobahnen und die Brücken anschauen“, sagt der Minister auch an diesem Vormittag in ruhigem und sachlichem Ton. Denn geht es nach Wissing, soll in Zukunft auch der Bau von Autobahnen schneller gehen. Noch am gleichen Abend soll es ein Treffen zwischen Wissing, Lemke und dem Kanzler Olaf Scholz gegeben haben. Ohne Einigung.

Für viele ist der wochenlange Streit längst zu einem wirkmächtigen Symbolbild geronnen – für eine fehlgeleitete Verkehrspolitik. Wissings Verkehrsministerium begünstigt noch immer die Pkws auf unseren Straßen stärker als andere Verkehrsmittel.

Knies „libidinöse Beziehung“ zum Automobil

Knie sagt, das Verkehrsministerium setze die gelebte bundesrepublikanische Realität der 1950er und 1960er Jahre fort. Er selbst wächst als Teil der Boomer-Generation in einer Familie auf, in der das Automobil noch etwas galt. Der Vater, vom Beruf Vertriebler, fuhr erst mit dem Opel Rekord, dann mit dem Ford, schließlich mit dem eigenen Mercedes durchs westfälische Siegerland. Selbst das Päckchen Zigaretten vom Automaten holte sich der Vater lieber mit dem Rekord als zu Fuß. Er war ein regelrechter „Autonarr“, so beschreibt es Knie heute. Das habe auch ihn geprägt, meint er.

Knie spricht in Interviews gern von einer sogenannten „libidinösen Beziehung“. Auch für ihn gab es einmal die Liebe zum Automobil, die den Deutschen als Land, das durch das Auto zum Exportweltmeister wurde, bis heute besonders gerne nachgesagt wird. Knie kaufte sich bald nach seinem Führerschein einen Opel Kadett, pinselte liebevoll Rallyestreifen an seine Längsachsen.

Es ist nur schwer vorstellbar, wenn man den Andreas Knie von heute vor sich sieht. Der Verkehrsforscher besitzt kein Auto und noch nicht mal mehr ein eigenes Rad. Alles leiht er sich für seine Wegstrecken bei Bedarf. „On demand“, wie Knie sagt.

Der Moment, als Knie merkte, er brauche eigentlich kein eigenes Auto mehr, kam für ihn während seines Studiums. Erst im mittelhessischen Marburg, später an der Freien Universität in Westberlin beginnt er mit seinen Kommilitonen Fahrgemeinschaften zu bilden. Zeitgleich schreibt Knie seine ersten Verkehrsgutachten für die Grünen, damals noch die Alternative Liste. Nach Vor­lesungsende trifft er sich in der Uni mit den anderen um sechs Uhr vor der Mensa und fährt gemeinsam in das Wohnviertel zurück. Knie verschrottet schließlich kurz nach der Wende seinen Mercedes/8, für damals 25 D-Mark. Es ist sein letztes Auto.

Die guten Anfänge in der E-Mobilität wurden nicht genutzt

Wirft man einen Blick auf die Website des Bundesverkehrsministeriums, werden dort der Masterplan Ladeinfrastruktur II, das autonome Fahren, ein attraktiverer ÖPNV, das Deutschlandticket und die anstehende Reform der Deutschen Bahn als Maßnahmen für den Klimaschutz angepriesen. Die Antriebswende und der Umstieg auf E-Autos scheinen im Verkehrsministerium dabei besonders großes Gewicht zu genießen. Wissing betont es fast bei jeder seiner Reden, die er öffentlich hält.

Knie findet, die Bundesregierung habe die guten Anfänge in der Elektromobilität aber nicht wirklich genutzt. Bereits Anfang der 2000er Jahre beginnt die Regierung damit, sich ernsthaft mit E-Mobilität auseinanderzusetzen. Knie erinnert sich gern an diese Zeit zurück, spricht gar von einer Sternstunde in seiner Wissenschaftslaufbahn als Verkehrsforscher. „Da kam plötzlich Bewegung ins Verkehrsministerium“, so beschreibt er es heute.

Die Bundesregierung schien bei dem Schritt allerdings weniger den Klimaschutz im Auge zu haben als vielmehr den Wirtschaftsstandort Deutschland, der nicht hinter China zurückfallen soll – so berichten es WissenschaftlerInnen heute im Rückblick. Dort konzentrierte sich die Autoproduktion schon seinerzeit mehr und mehr auf E-Autos. 2010 wird schließlich die GGEMO als einheitliche Anlaufstelle der Bundesregierung für die Aufgaben im Bereich Elektromobilität gegründet. Die ersten Schaufensterprojekte starten. Und Knie wird Teil des neu entstandenen Beratungsgremiums der Bundesregierung, der „Nationalen Plattform Elektromobilität“.

Aber schon in den Jahren 2014, 2015 laufen die staatlichen Förderungen in Zusammenhang mit der E-Mobilität wieder aus. Der Industrie fehlt die Planungssicherheit. Dies gilt bis heute als einer der Hauptgründe, warum hierzulande noch immer zu wenig Ladesäulen für E-Fahrzeuge stehen.

Nicht jeder müsse einen eigenen Wagen besitzen

Knie ist überzeugt davon, dass allein der Umstieg auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge das Problem mit dem Klima ohnehin nicht lösen könne. Später an diesem Vormittag in Kreuzberg fährt er mit seinen Armen durch die graue, kalte Luft, weist einzelne Flächen auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Böckhstraße aus. Das Modellprojekt im Berliner Graefekiez soll zunächst für einen Testzeitraum von sechs bis zwölf Monaten ausgelegt sein.

Dort könnten dann bald Leihfahrräder und E-Roller stehen, um damit zur nächstgelegenen U-Bahn- oder Bushaltestelle zu fahren, meint Knie. „Oder dort“, sagt er und wandert mit seinem Arm ein Stück weiter, könnten Orte begrünt werden, Sitzgelegenheiten geschaffen und die Straße wieder zu einem Raum der Begegnung werden.

Knie zeichnet für sich an diesem Morgen die Zukunft der Verkehrswende in die Luft. Geht es nach ihm, müsste das Auto gar nicht ganz verschwinden. Auch während des Probelaufs können die Pkws im nahgelegenen Parkhaus am Neuköllner Hermannplatz für 30 Euro im Monat abgestellt werden. Es sollen etwa auch Lieferwägen weiter durch die Straßen im Viertel rollen, Menschen mit Einschränkungen sicher von einem Ort zum nächsten gefahren werden können.

Dennoch findet der Mobilitätsforscher, dass heute nicht einfach jeder kostenlos seinen Pkw vor der Haustür parken könne – und dass auch nicht jeder einen eigenen Wagen besitzen müsse. „Wir werden die Klimaziele nur einhalten, wenn wir weniger Autos haben und die Menschen auf andere Verkehrsmittel umsteigen“, sagt er.

Wissings Verkehrsministerium musste im vergangenen Sommer nachbessern

Noch in der gleichen Woche, an einem Donnerstagabend, steht Bundesverkehrsminister Volker Wissing am Rednerpult des Deutschen Bundestages. Vor ihm im Halbrund sitzen dieses Mal die ParlamentarierInnen auf ihren blauen Stühlen, stecken hier und da die Köpfe zusammen, tippen auf ihren Smartphones herum oder horchen dem Minister. Es geht in der Debatte um die Erhöhung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV der Länder, die noch am selben Abend durchs Parlament gehen.

Im Bundeshaushalt 2023 soll Wissing allerdings 160 Millionen Euro mehr für Straßen eingestellt haben als noch im Jahr zuvor. Dabei ist der Bau von Bundesfernstraßen schon damals das größte Stück vom Kuchen. Die Investitionen in die Schiene sinken im Vergleich zu 2022 dagegen um eine halbe Milliarde Euro. Reichen die Mittel also für den Klimaschutz?

Mehr noch als jeder andere Verkehrsminister vor ihm muss sich Wissing an der Einhaltung ­dieser Ziele messen lassen. Zum einen, weil sich die Klimakrise immer weiter verschärft. Zum ­anderen, weil noch unter der Vorgängerregierung das Klimaschutzgesetz verabschiedet wurde. Dort ist genau festgelegt, dass bis zum Jahr 2030 der CO2-Ausstoß im Verkehr auf 85 Millionen Tonnen sinken soll. Zum derzeitigen Zeitpunkt fallen bis zum Ende des Jahrzehnts nach Schätzungen aber noch 261 Millionen Tonnen zu viel an. Es ist eine gewaltige Menge.

Parkende Autos in Berlin-Kreuzberg Foto: Stefanie Loos

Wissings Ministerium musste im vergangenen Sommer nachbessern. 13 Seiten reichte das Bundesverkehrsministerium als Sofortprogramm ein. Viele, auch Knie, werten das als regelrechte „Arbeitsverweigerung“. Selbst der Klimaexpertenrat spricht von der Zeugnisnote „mangelhaft“, sagt, eine eingängliche Prüfung sei gar nicht möglich gewesen.

Das Verhalten der Menschen ist änderbar

Es ist ein Verriss auf offener Bühne, der erahnen lässt, wie viel in Trümmern liegen muss. Eigentlich müsste jetzt innerhalb von 10 Jahren aufgeholt werden, was in den letzten 30 Jahren verpasst wurde. Aber ist das noch zu schaffen? Hinter verschlossenen Türen verhandelt die Regierung seit Monaten darüber, die jährlichen Sektorziele im Klimaschutzprogramm ganz abzuschaffen. Die FDP sagt, es gehe nicht darum, „Ziele aufzuweichen, sondern nur darum, sie dorthin zu verlagern, wo sie schneller eingehalten werden können“. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte der taz, die regierungsinterne Abstimmung zu den Eckpunkten und den dort zu beschließenden Maßnahmen dauere noch an.

Dabei ist klar, das kein anderer Sektor so viel CO2-Emissionen einsparen kann, dass er einen anderen in Zukunft ausgleichen könnte. Fragt man Knie, woran es am meisten liege, dass sich beim Klimaschutz auch nach all den Jahren des Stillstands heute so wenig bewege, muss er nicht lange überlegen. Knie sagt, man höre aus dem Verkehrsministerium immer wieder, dass man das Verhalten der Menschen im Verkehr nicht einfach ändern könne. Knie ist nicht der Einzige, der das erzählt.

Dabei sei es doch gerade die Aufgabe von Politik „steuernd einzugreifen“, um das Verhalten zu beeinflussen, findet Knie. Alles andere käme einer Bankrotterklärung gleich. Seine Stimme wird lauter, wenn er darüber spricht, er gestikuliert wild, echauffiert sich. Knie glaubt zudem, dass Wissing die Gesellschaft mit der Annahme unterschätze, dass die Menschen nur einfach immer weiter stur Auto fahren wollen.

Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine etwa, ist Knie sich sicher, wären die Menschen für ein Tempolimit bereit gewesen oder für autofreie Sonntage. So wie einst während der Ölkrise in den 1970er Jahren. Knie selbst kickte damals noch als kleiner Junge mit dem Fußball über die mehrspurige Autobahn.

Manchmal auch müde, die immer gleichen Forderungen zu wiederholen

Wissing betont auf öffentlichen Auftritten gerne, dass es nur darum gehen könne, den Menschen „Angebote zu machen“. Aber Verbote? Wie ein Tempolimit? Wie sehr das dem FDP-geführten Ministerium missfallen könnte, lässt sich womöglich an Auftritten seines Parteikollegen Wolfgang Kubicki ablesen. Bis heute beschwört der FDPler in abendlichen Politiktalkshows gerne das Schreckensbild einer Verbotspartei herauf. Für Kubicki ist das bis heute noch immer der Koalitionspartner, die Grünen. Knie dagegen findet, es sei höchste Zeit, das Dienstwagenprivileg, die Pendlerpauschale oder die Dieselsubventionierung abzuschaffen. Diese Begünstigungen für das Auto seien falsch und müssten endlich verschwinden.

Es sind Momente wie diese, in denen man merkt, dass selbst Knie, der so unermüdlich daran glaubt, dass es immer eine Alternative zum Bestehenden, immer die Möglichkeit der Veränderung gibt, der vor Energie in sich oft fast förmlich vibriert, manchmal auch müde davon ist, die immer gleichen Forderungen zu wiederholen.

In der Sendung „13 Fragen“ des ZDF Ende August ist unter den sechs Gästen mit kontroversen Meinungen – die sich über bunte aufgemalte Felder auf dem Boden mit Schritten aufeinander zubewegen können, wenn sie einer Aussage des Gegenübers zustimmen – auch Andreas Knie.

Sie diskutieren über den ÖPNV. Knie steht eigentlich fast in der ersten Reihe des Feldes, als es an einer Stelle plötzlich aus ihm herausbricht. „Wir forschen schon seit 45 Jahren daran“, ruft er laut in den Raum, wirft beide Arme in die Luft.

Er hat an diesem Freitag im Dezember irgendwie schlechte Laune

In einem Café in Kreuzberg erzählt Knie später, wie er unlängst mit einem Autofahrer diskutierte, der keinen Millimeter bereit war von seiner Position abzurücken. Schon in seiner ersten Publikation, Erscheinungsjahr 1994, bezeichnet Knie dagegen das Auto als Klimasünder. Die Anek­dote steht fast paradigmatisch dafür, wie hitzig und hochemotional die Debatten über den Verkehr – und vor allem das Auto – hierzulande noch immer geführt werden. Wenn man Knie fragt, warum er trotz all der Widerstände über die Jahre immer weitermache, antwortet er, dass man als Verkehrswissenschaftler einfach Überzeugungstäter sein müsse. Er verstehe seinen Beruf als Wissenschaftler auch als „Berufung“.

Tage später ist Knie beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, wegen des Modellversuchs am Graefekiez. Er wirkt an diesem Freitag im Dezember auch etwas gehetzt, hat irgendwie schlechte Laune. Aber so richtig rausrücken mit der Sprache will er nicht. In der Lokalzeitung Berliner Morgenpost war vor wenigen Tagen zu lesen: „Graefekiez ohne Parkplätze – Amt rüstet sich für Klagen“. AnwohnerInnen haben über 1.000 Unterschriften gesammelt und einen Antrag gegen den „Bullerbü-Plan“ eingereicht, heißt es. Das wird laut Bezirk nun von den Zuständigen geprüft.

Eine Studie des WZB im Oktober 2022 ergab, dass die Mehrheit der Menschen im Viertel für das Projekt sei. Hinter Knie erstrecken sich die Straßen des Berliner Graefekiezes. Noch parken die Pkws an diesem Vormittag hier dicht an dicht. Keine freie Lücke ist derzeit zu sehen.

Neulich, so sagt Knie, habe ihn eine Studentin nach einem seiner Vorträge an der TU Berlin eine Frage gestellt: Wieso gibt es eigentlich überhaupt so viele Autos? Er hält dabei ungläubig seine Hände an die Schläfen. „Darauf muss man erst einmal kommen“, sagt er, „dass Autos eben keine Selbstverständlichkeit sind.“ Knie scheint in diesem Moment noch immer beeindruckt davon. Dann muss er plötzlich los, der Deutschlandfunk wolle ihn zum 49-Euro-Ticket interviewen.

Die Stelle, an der Andreas Knie an diesem Vormittag im Dezember sein rotes Mietfahrrad abgestellt hat, ist später von keinem parkenden Auto verdeckt. Nur ein grünfarbener E-Scooter steht daneben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

48 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Erst einmal ist es nicht richtig, dass Autos unentgeltlich vor der Haustüre geparkt werden könnten. Im Zuge der Errichtung von Immobilien wird eine Stellplatzberechnung erstellt, die dann vom Bauherren zu bauen sind bzw. der Stadt zu bezahlen sind.

    Die Hauptprobleme sind doch, dass der öPNV seinen Aufgaben bzgl. einer üblichen Lebensführung nicht gerecht wird (Familie mit Kindern, Pflege Älterer, Barrierefreiheit, Transport etc.) Und in den letzten Jahrzehnten zudem immer schlechter wurde (Ausfälle durch kaputte Busse o. Bahnen, durch Stau Verspätungen und oft Totalausfälle gerade bei Schnee und Eis).

    Zudem wurde die Infrastruktur außerhalb von Städten zurückgebaut, sodass Berufstätige, Schüler und Kinder in die Städte drängen. Dies möchte man auch wiederum, wegen der Versiegelung von Bauflächen oder dem Pendlerverkehr nicht.

    Also solange Alternativen fehlen, bleibt Normalverbraucher auf das Auto angewiesen, ansonsten funktioniert das Arbeits- und Familienleben nicht mehr. Nur in Großstädten würde eine solche Politik funktionieren, ab dem Stadtrand leider nicht mehr.

    • @Privatkundig:

      Ja, dann braucht es wohl mehr Geld und mehr Willen, das zu ändern. Das Geld müsste man dann natürlich woanders wegnehmen. Stichwort Pendlerpauschale. Sämtliche autobezogene Subventionen. Etc.



      Billigparken. Etc.

      • @blutorange:

        Ja, aber bitte die Reihenfolge beachten!

        Nicht zuerst das Autofahren verbieten oder nur an den üppigen Geldbeutel knüpfen, um dann erst zu beginnen das Angebot des öPNV auszubauen und dieses Angebot erst in frühestens ca. 10 Jahren bewerkstelligen zu können.

        In diesen ca. 10 Jahren Übergangsfrist hätten man es dann geschafft unsere Gesellschaft herunterzurocken, die Reproduktionsrate zu reduzieren und das Autofahren nur noch den Gutverdeneren zu überlassen, die dann auf den Straßen mit ihren SUVs besser durchkommen und dann auch gerne doppelt soviele Parkplätze und Fahrbahnbreiten beanspruchen können, weil sie für eine zu breit sind

  • Vielen Dank taz für dieses Interview.

    Herr Knie sollte ungeachtet seiner möglicherweise vorhandenen Expertise keine Projekte des Senates begleiten dürfen.

    Wegen Befangenheit. Bereits die Bezeichnung als "Überzeugungstäter" schließt ihn aus.

    • @DiMa:

      Und was spricht dagegen? Wer sagt, dass herangezogene Experten neutral sein müssen? Sind sie in Bezug auf ihre Spezialthemen nicht alle befangen?



      Ist ein Herr Wissing etwa nicht befangen? Und noch dazu nicht mal Experte...

  • In den 1980iger Jahren bis in die heutige Zeit wurden gerade im ländlichen Raum,viele Bahnstrecken stillgelegt und vielfach abgerissen. Das Auto wurde dadurch für die dort lebenden Menschen mangels Alternativen, praktisch unentbehrlich. Die Autolobby, gepaart mit willfährigen Politikern, haben ganze Arbeit geleistet. Für eine echte Verkehrswende ist der politische Wille, bis heute nicht wirklich vorhanden. Hier ein kleines Beispiel aus Rheinland-Pfalz. Dort wird seit Jahren um die Reaktivierung der Hunsrückbahn gestritten. Zeitgleich wurden mehrere Abschnitte der B50 vierstreifig ausgebaut, der Hochmoselübergang realisiert, uvm. Doch die Bahn läßt weiter auf sich warten. Es darf weiterhin ungebremst rumgelindnert werden.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Oh die vielen Beispiele hier, warum Person XYZ auf keinen Fall auf ein Auto verzichten kann.

    Wenn Sie nicht gerade 70 Jahre alt sind werden Sie es noch erleben, nicht nur auf ein Auto sondern auch auf die anderen Annehmlichkeiten unserer sog. Zivilisation verzichten zu müssen. Nur dann halt nicht freiwillig...

    • @659554 (Profil gelöscht):

      Bitte die gut belegten Argumente nicht so pauschal abtun und auf plausible Argumente auch mal argumentativ eingehen.



      Dies zu ignorieren, kann man sich höchstens erlauben, wenn man jung ist, in einer infrastrukturell gut vernetzten Stadt lebt, und auf das altgediente Fahrrad umsteigen kann -ohne nass zu werden, da es dank Klimaerwärmung seltener regnet ; )



      PS: Es gibt aktuelle Studien, die von der vorherigen Bundesregierung in Auftrag gegeben wurden, nach denen überprüft wird inwieweit die ländlichen Gebiete infrastrukturell abgebaut werden können.



      Möchten wir soetwas, möchten wir Wohnungsabriss in ländlichen Gebieten, kostenspieligen Neubau (Ressourcenverbrauch) massive Verdichtung und Flächenzubau in Großstädten?



      Das müssten Sie dann explizit akzeptieren, tun Sie dies?

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Als am 26. September 2021 die erste Wahlhochrechnung am Fernseher auftauchten war klar, dass die FDP in der nächsten Regierung sein und daher in den nächsten 4 Jahren in punkto Klima nichts passieren würde.

  • Wir sind froh ein Auto in Berlin zu haben.

    Der öffentliche Nahverkehr in Berlin ist für Famielen kaum nutzbar, ständig verspäten sich Züge oder fallen ganz aus, sind Fahrstühle kaputt (S-Schöneweide mit vollem Kinderwagen nach Wocheneinkauf) oder man wird vor seinen Kindern von komischen Leuten angeschriehen.

    Wie angenehm erscheint da der eigene Wagen als sicherer Hafen für die Famiele mit allem komfort die die Kinder benötigen. Dazu schnell (Fahrt zu Großeltern in Brandenburg: VBB 1:59h, Auto 0:35h), flexibel und wetterunabhängig.

    Leider werden bei solchen Betrachtungen Familien mit Kindern nicht mitbedacht. Uns bringen E-Roller oder Elektrofahräder zum Anschluß an die öffentlichen herzlich wenig. Aber schön dass der Herr Professor schon als Student ohne Auto auskam.

    • @Jörg Radestock:

      Ihnen würde aber eine Car-Sharing-Station mit verschieden großen Automodellen nahe an Ihrem Haus etwas bringen, oder? Würden Sie dann nicht auch ohne eigenes Auto auskommen?

      • @Andreas V.:

        Über Carsharing hatte ich bereits vor meinen Kindern nachgedacht. Damals wie heute funktioniert das aber nur im inneren Berliner S-Bahnring. Selbst wenn ein Anbieter ein familiengerechtes Angebot in Baumschulenweg hätte, bliebe immer noch das schleppen von Babyschale, Kindersitz und Zubehör über eine Distanz von mehreren hundert Metern. Ein weiterer Punkt ist der Kostenfaktor. Auf den Kilometer gerechnet kostet Carsharing im Vergleich ein vielfaches des eigenen (inkl. Versicherung, Steuern, Reparaturen, Anschaffung, Sprit) Autos. Eine Wochenendfahrt zu den Großeltern (100km Strecke, Carsharing 152 Euro für ein Mittelklassewagen bei cambio und ca. 23 Euro mit eigenen Auto (23 Cent/km). Insofern stellt sich für uns die Frage nicht.

        • @Jörg Radestock:

          Das ist natürlich ein ernstzunehmendes Problem und unzumutbar, einige 100 Meter Dinge hin- und herzutragen. So wertvoll ist die Klimarettung und damit Zukunft der Kinder ja nicht, dass man das auf sich nehmen würde...



          Leider ist Ihnen wie vielen das Ausmaß der Folgen unseres Lebensstils nicht klar. All die Investition in ein komfortables Leben mit Ihren Kindern bringt Ihnen nichts, wenn die eh keine komfortable oder auch nur lebenswerte Zukunft mehr vor sich haben.



          Verzicht und Umdenken ist gefragt. Will aber keiner hören. Und da kann man angesichts solcher Ausführungen wie Ihrer oben schon verzweifeln.

      • @Andreas V.:

        Das Problem ist es also,dass die Leute ein Auto besitzen,nicht dass sie es fahren?



        Warum sollte der Vorredner sein Auto aufgeben,um sich von der Preisgestaltung der Carsharingunternehmen abhängig machen? Außerdem,nehmen sie dann auch nicht "die Parkplätze weg"?

      • @Andreas V.:

        Um dann jedes Mal die Kindersitze zur Carsharing-Station zu schleppen? Und zurück? Mit kleinen Kindern an der Hand? Zzgl. Einkäufe?



        Ich bin so froh dass ich mir all das nicht antun muss. In dieser ganzen Debatte existieren Familien mit Kindern überhaupt nicht. Für viele Kinderlose besteht zwischen „Care-Arbeit“ & individueller Mobilität kein Zusammenhang.

  • Vor zehn Jahren habe ich mir mit 50 mein erstes Auto geleistet - ich wäre sonst nicht pünktlich zur Arbeit gekommen. Der Bus vor Arbeitsbeginn fuhr am Abend vorher, der danach zwei Stunden nach Arbeitsbeginn.



    Es soll ja angeblich noch einige Mitglieder der werktätigen Klasse geben, die nicht im Homeoffice arbeiten können und die keine flexiblen Arbeitszeiten haben.



    Dieses Jahr wurde von der Kommune beschlossen, die Buslinie abzuschaffen.

    • @Schnetzelschwester:

      Man könnte sich auch dafür starkmachen, dass das nicht passiert, statt resigniert und nörgelnd ein Auto zu kaufen.

  • Weniger auofahren ist wie rauchen aufhören, schwer. Oder auch nicht, ich habs fünfmal geschafft.



    Seh ich in unserem Block mit etwa vierzig Mietern. Ein Drittel Autos gehören Menschen, die es nicht brauchen, z.B. Rentner. Damit wird einmal die Woche zu AldiLidlPennyPlus gefahren.



    Sie könnten locker Taxi fahren, Geld sparen, brauchen sie nicht, Geld ist reichlich vorhanden.



    Ein weiters Drittel hat keine regelmässige Beschäftigung, zum Teil Null. Auto muss vor der Tür stehen, frisst ne Menge Geld, steht wochenlang still.



    Bleibt das Drittel Angewiesener. Wegen null Alternative.



    Da hätten wir doch Einsparpotenzial.



    Bei zwei Dritteln.



    Aber sie können den Menschen alles nehmen, bloss das Auto nicht. Dafür gäbs im trägen Deutschland dann doch noch Revolutionspotenzial.



    Und das nicht nur im TV.

    • @Hans Jürgen Langmann:

      Wenn die Autos stehen bleiben pusten sie kein CO2 in die Luft. Damit ist doch schon einmal viel gewonnen.

  • Also ich habe schon lange den Eindruck, dass das Auto - ähnlich wie die Zigarette - ein Freiheitssurrogat ist. Leute, die sonst sehr wenig Kontrolle über ihr eigenes Leben haben und wenig Spaß oder Zeitsouveränität, brauchen so etwas. Beides stinkt und schädigt auf vielfältige Weise andere Menschen und die Umwelt.

    Dazu kommt natürlich noch das Arbeitsplatzargument, wie immer. Was für die Tabakindustrie lächerlich ist, weil sie seit Jahrzehnten hochautomatisiert ist (und vornehmlich Arbeitsplätze - auch für Kinder - im Globalen Süden schafft, siehe unfairtobacco.org/ ), scheint auch im Falle der Autoindustrie übertrieben (www.bund-naturschu...-der-autoindustrie )

    Wir sollten den Menschen endlich Macht über ihr eigenes Leben geben...

  • Respekt. Bevor man Hernn Knie's Autonichtbesitz zu sehr herrausstreicht: Herr Knie wohnt nicht mehr im westfälischen Siegerland. Ob er dort auch ohne Auto zurechtkäme?

    Den Probelauf finde ich gut, auch dass währenddessen die Pkws im nahgelegenen Parkhaus am Neuköllner Hermannplatz abgestellt werden können, 30 Euro im Monat sind ein echtes Schnäppchen.

    Damit aus dem Probelauf eine dauerhafte und flächendeckende Realität werden kann, müsste eine Mehrheit überzeugt werden, das eigene Auto abzuschaffen. Das wird eine harte Nuss: in Umfragen sind alle für eine autofreie Stadt und wenn es dan konkret wird, wird es kompliziert...gemessen an den Wahlergebnissen in Berlin fragt man sich schon, wem denn die vielen Autos gehören, die in Kreuzberg am Strassenrand stehen.

    • @Newjoerg:

      55% aller haushalte in berlin besitzen kein auto

      • @the real günni:

        danke, das ist mehr als ich erwartet habe. Offensichtlicht müssen es noch mehr werden.

    • @Newjoerg:

      Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass PKW-Nutzung nicht 100% abgeschafft werden soll (das will ja auch Herr Knie nicht). Es läuft hinaus auf verschiedene Gruppen von "habe noch nie ein eigenes Auto besessen und fahre Rad/ÖPNV" bis hin zu "brauche aus nachvollziehbaren Gründen ein eigenes Auto".



      Dem Klima (und der sonstigen Umwelt und der Verkehrssicherheit) ist ja schon geholfen, wenn die vorhandenen Autos weniger benutzt werden und dabei langsamer fahren.

  • Die Förderung für E-Autos läuft 2024-2025 aus.

  • Die FDP ist eben rückwärtsgewandt - ganz im Gegensatz zu ihrer Wahlwerbung. Hoffentlich merken das die Jungwähler in dieser Legislaturperiode.



    "PKW first - Bedenken second", oder wie?



    Ach, darum gibt es so viele PKW ...

    • @Christian Lange:

      Auch Jungwähler mögen Autos ;-)

      Ach ja: ein Auto hat i.d.R. fünf Vorwärtsgänge aber nur einen Rückwärtsgang. Genau wie die F.D.P.

  • Na ja. Für diesen gentrifizierten Teil des Graefekitz soll zum Parken das im Nachbarbezirk vorhandene Parkhaus am Hermannplatz für nahezu umsonst dienen. Wenn es dann irgendwann nicht für quasi umsonst ist, dann können sich die Bewohner dieses exklusive Parkhaus immer noch leisten.



    Damit wurde aber noch kein Auto abgeschafft. Den Bewohnern wurde lediglich von der Stadt ein verlängerter Vorgarten geschenkt. Die Autos werden lediglich versteckt aber weiterhin genutzt. Man lügt sich die Autos unter den Teppich.

    • @Rudolf Fissner:

      "Damit wurde aber noch kein Auto abgeschafft. Den Bewohnern wurde lediglich von der Stadt ein verlängerter Vorgarten geschenkt. Die Autos werden lediglich versteckt aber weiterhin genutzt. Man lügt sich die Autos unter den Teppich."

      Verbieten kann man den Menschen die Autos bei derzeitiger Rechtslage nicht. Ach dürfte es im Rahmen eines Versuches schon gar nicht gehen.

      Aber davon ab: Ist der Weg zum Auto (gefühlt - ich weiß nicht wie weit die Wege Wohnort, Parkort bei den überfüllten Parkplätzen schon jetzt sind) länger, wird es seltener genutzt werden.

      Die zentralere Lagerung der unvermeidbaren Autos wird durch die Ermöglichung neuer (innerstädtischer) Grünflächen das lokale Mikroklima verbessern und, vielleicht, bei großer Gesamtfläche, irgendwann auch, wenn auch nur subtil, das Makroklima.

      • @DerEitlePfau:

        Ich schrieb nich von Verbiete ich schrieb von Verlogen.

        Und wenn Autos irgendwo zentral gelagert werden, dann sollen die Autobesitzer dafür auch zahlen und keine Garagenplätze für fast gar nichts geschenkt bekommen.

      • @DerEitlePfau:

        "Ist der Weg zum Auto (...) länger, wird es seltener genutzt werden"

        Ist Ihnen eigentlich klar, was das alles bedeutet. Es geht ja nicht darum, dass die Leute nur mal eben mit der Nase darauf gestoßen werden müssen, dass es einen ÖPNV gibt, und dann nutzen sie den, und alles ist gut.

        Sehr viele Autofahrer haben den ÖPNV immer wieder versucht und sich mit Grausen abgewendet. Weil er nicht nur umständlich und unbequem, sondern vor allem langsam und unzuverlässig ist. Weniger Auto heißt: Weniger Mobilität. Weniger Strecken werden gefahren, der eigene Aktionsradius wird kleiner.

        Die Folgen davon sind weniger Wohnflexibilität (man muss näher am Arbeitgeber wohnen, besonders tricky wenn zwei Partner arbeiten) und weniger Möglichkeiten zum Einkaufen, Ausgehen, Freunde besuchen, Erholen, Besorgungen machen. Die Fahrerei kostet dann mehr Zeit, was wiederum die Work-Life-Balance schädigt.

        Die Leute haben nicht nur aus Spaß ein Auto. Das Auto bietet immer noch die schnellste und flexibelste, und auch privateste Mobilität. Wer es abschaffen will, muss sich ehrlich machen, und sagen: Du kannst ohne Auto nicht mehr so schnell und so weit fahren und verlierst Lebensqualität.

        • @Gorres:

          Ich weiß nicht, ob sie in Berlin leben. Aber dort ist das Gemecker über den ÖPNV Jammern auf wirklich hohem Niveau. Ja, trotz allem, was man so anführen könnte an Mängeln. Und wenn es nicht so viele Autos gäbe, wären die Busse übrigens auch pünktlicher.



          Und ich glaube keinesfalls, dass irgendein Bewohner des Graefekiez für die Arbeit tatsächlich aufs Auto angewiesen ist. Und auch nicht, dass jemand trotz Stadtverkehrs Zeit spart und mit dem Auto schneller da ist.

        • @Gorres:

          Sehe ich auch so. Man muss es sich leisten können. Nicht-Auto besitzen ist Luxus, den man sich leisten können muss.



          Zudem - wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, hat oft noch einen VW-Bus rumstehen. So jedenfalls in meiner Grün-bürgerlichen Ecke.

          PS: Ich habe auch gar kein Auto

        • @Gorres:

          Mit einer Sonderparkuhr für 30 Cent pro Tag und Anwohner in einem Parkhaus wird den Bewohner eine Garage geschenkt. Das ist das ganze billige Geheimnis hinter dieser Aktion für die wohlhabenden Bewohner des Kiezes.

          • @Rudolf Fissner:

            Sie reiten ja sehr auf dem Thema "gentrifizierter, wohlhabender Kiez" herum. Sind Sie der Meinung, der Modellversuch hätte besser in einem eher benachteiligten Viertel geplant werden sollen?



            Ansonsten ist das Ziel ja nur ein Versuch, einige Monate zu sehen, wie es anders gehen könnte. Selbstverständlich verschwindet dadurch kein Auto. Aber in der Folge vielleicht schon. Oder die Akzeptanz für eine andere Verkehrsgestaltung wird erhöht und die kann dann durchgesetzt werden.

        • 6G
          659554 (Profil gelöscht)
          @Gorres:

          "Du kannst ohne Auto nicht mehr so schnell und so weit fahren und verlierst Lebensqualität."

          1. Satzteil stimmt, 2. Teil ist falsch.

          • @659554 (Profil gelöscht):

            Nein, auch der zweite Teil stimmt. Als Mensch der Jahrelang ohne Auto ausgekommen ist und auch weiterhin täglich die Öffis nutzt um zum Arbeitsplatz und zurück zu kommen kann ich bestätigen, dass das eigene Auto deutlich mehr Lebensqualität bedeutet als ohne zurecht zu kommen.

          • @659554 (Profil gelöscht):

            2. Teil stimmt zum Teil. Lebensqualität verlierst du, wenn du nicht mehr zum Baggersee zum Baden kommst, zum Beispiel. Das vermisse ich sehr. Du kannst nicht mehr überall hin, wo es keinen ÖV gibt, zum Beispiel in schöne Gegenden im Schwarzwald zum Wandern etc. Auto kann mehr Freiheit bedeuten. In Europa hatte ich (alt) allerdings nur 3 Jahre lang ein Auto, da ich an Orten mit super ausgebautem ÖV lebte; dazwischen in den USA geht ohne Auto absolut nichts (außer vielleicht man lebt in NY oder San Francisco).

          • @659554 (Profil gelöscht):

            Wie können Sie das für mich beurteilen? Natürlich verliert man Lebensqualität, wenn man kein Auto mehr hat. Sonst würden nicht so viele Leute eines haben.

            Aber ich werde an Sie denken, wenn ich das nächste Mal schlotternd auf einem zugigen Bahnsteig stehe und auf den nicht kommenden Zug warte.

  • Ich habe wahrscheinlich ein CO2 Konto, dass jedem Grünen vor Freude die Tränen in die Augen treiben könnte (kein eigenes Auto, seit 10 Jahren nicht mehr geflogen, fast nur Fahrrad im privaten Alltag)



    Dennoch stimme ich nicht ein in das Hohelied der Abschaffung des Autos, weil dazu stimmt es einfach mit der Infrastruktur nicht in Deutschland - entgegen allen Versprechungen und Verlautbarungen aus der Politik. Im Gegenteil, es ist VIEL schlechter geworden. Wer einmal lange Zeit mit der Bahn gependelt ist über längere Distanzen, der kann ein Lied davon singen. Kaum eine Fahrt, wo alles hinhauen hat und ein Zug ohne Macken kam. Monate ohne Totalausfälle und Verspätungen von über einer Stunde konnte man sich im Kalender markieren, so selten waren die.



    Nahverkehr auf dem Land? Ein Witz.



    Pendeln in der Grossstadt mit kleinen Kindern und dementsprechend Gepäck oder mit der Oma zu einem Arzttermin? Nicht viel besser.



    Carsharing mit ach so tollen Firmen, die in ihren AGB die EU Vorschläge zu Beschwerde-Schlichtungen ausschliessen? Wirklich sehr verbraucherfreundlich und vertrauensbildend. (Bei Nachfragen, man muss ja Geld sparen, sprich verdienen)

    Diese Diskussion bleibt weltfremd. Es muss bessere Lösungen geben als die Abschaffung des Individualverkehrs.

    • @Werner2:

      "Carsharing mit ach so tollen Firmen, die in ihren AGB die EU Vorschläge zu Beschwerde-Schlichtungen ausschliessen? "



      Bitte hierfür nicht das Wort "Carsharing" benutzen, das ist Irreführung. Es handelt sich um gewerbliche Kurzzeitvermietung.

    • @Werner2:

      "Dennoch stimme ich nicht ein in das Hohelied der Abschaffung des Autos, weil dazu stimmt es einfach mit der Infrastruktur nicht in Deutschland - entgegen allen Versprechungen und Verlautbarungen aus der Politik. "

      Liest man den Artikel und hört auch anderswo Verkehrs"experten" jeder Couleur zu, die die Minderung des Individualverkehrs fordern / betreiben, wird dies als (s. o.) Problem anerkannt und Lösungen befördert. Es geht natürlich nur, wenn beide Richtungen gleichzeitig befördert werden: ÖPNV etc aufwerten, e-Mobil, statt fossil-mobil UND Auto-Individualverkehr runter.

      Das dies nicht passiert, ist kein Naturgesetz, sondern politischer Wille.

      Konkret von Ihnen angesprochene Probleme (Carsharin, Mobilität mit Senioren, Kindern ...) kann man lösen.

      "Carsharing mit ach so tollen Firmen, die in ihren AGB die EU Vorschläge zu Beschwerde-Schlichtungen ausschliessen? Wirklich sehr verbraucherfreundlich und vertrauensbildend." So etwas funktioniert letztlich nur, weil die Auto-Lobby Interesse daran hat, entsprechende Modelle als unattraktiv da stehen zu lassen und entsprechende Gestaltungen lobbyistisch begleitet - aktiv gestaltete selbsterfüllende Prophezeiung: Ohne mindestens 4 Autos / Person gehts nicht. WIRKLICH?^^

      • @DerEitlePfau:

        das eine bedingt das andere. weniger autos, besserer OEPNV, bessere radinfrastruktur.



        Unterschied zwischen satdt und land muss immer gemacht werden.



        die forderung nach weniger MIV bezieht sich auf die staedte.



        es heisst weniger, nicht null.

      • @DerEitlePfau:

        Es ist leider sehr viel billiger, dem Autoverkehr Steine in den Weg zu legen, als den ÖPNV zu verbessern. Daher machen viele Politiker das erste und unterlassen das zweite. Das sorgt zu Recht für Ärger.

        In Bonn gelingt der grünen OB gerade das Kunststück, den ÖPNV *und* den Autoverkehr zugunsten des Radverkehrs zu behindern, und jede Menge Geld auszugeben, aber nur für die eigene Verwaltung, nicht für den Verkehr. Jetzt haben wir Stau, notorisch unzuverlässigen ÖPNV, und leere Radspuren.

        • 6G
          659554 (Profil gelöscht)
          @Gorres:

          "Daher machen viele Politiker das erste"

          Wo???? Das würde Schlagzeilen machen, wenn es stimmte.

          • @659554 (Profil gelöscht):

            Lesen Sie eigentlich auch Posts zuende? Ich schrieb doch, wo. Und ja, das macht auch Schlagzeilen. Die Lokalpresse ist voll davon ("Verkehrswende heizt Stimmung an", "Sozialer Sprengstoff Bewohnerparken", etc).

      • @DerEitlePfau:

        Carsharing ist ein absolutes Verlustgeschäft in Deutschland für Alle die sich je in diesen Markt getraut haben. Selbst die von Ihnen hier bezichtigten Autohersteller haben ja eigene Modelle versucht aber zwischenzeitlich wieder aufgegeben (VW We share, BMW, Mercedes ShareNow.). Das Geschäft rechnet sich einfach erst ab ca. 3000 Einwohnen pro km2. Deshalb ist es auch nur in Berlin einigermaßen profitabel. Der Rest von Deutschland ist nicht dicht genug besiedelt. Für ländliche Regionen ist das Modell komplett unbrauchbar.



        Paris hat glaube ich mal ein E-Sharing Angebot kommunal eingerichtet mit für die Nutzer günstigen Preisen. Die streiten sich wahrscheinlich aktuell immer noch wer jetzt für die Millionenverluste gerade steht. Alle Sharing Modelle haben übrigens einen sehr hohen Verschleißfaktor. Menschen wertschätzen fremdes Eigentum einfach nicht. Kann Ihnen jeder bestätigen der jemals etwas verliehen hat. Die Autos sind in kürzester Zeit abgewirtschaftet. Die Statistiken sind hier genau wie bei Rollern und anderen Sharing-Projekten geradezu erschreckend aus ökologischer Sicht. Es wird langsam Zeit diese Modelle nicht mehr als besonders ökologisch anzupreisen.

        • @Šarru-kīnu:

          Ich habe mich auf Stadtmobil bezogen, die auch in Berlin eine grosse Niederlassung haben und dennoch seltsame AGBs vorweisen

          Dafür aber macht Stadtmobil nach außen sehr auf moralisch, sozial und alterntiv, was auch zvom Stadtmobilvorstand geführten eigenen Lobbybüro aller Carsharing Firmen beim Bundestag so nach außen transportiert wird