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Verhalten von BahnpersonalWertvoll wie Goldstaub

Freundlichkeit ist in Zügen der Deutschen Bahn seltenes Gut. Unser Autor war mit einer Privatbahn unterwegs, in der er das Gegenteil erlebte.

Was machen die da anders? Foto: Arnulf Hettrich/imago images

Ulm Hauptbahnhof zur Mittagszeit, der Nahverkehrszug nach Regensburg steht auf Gleis 27 bereit. Der Triebwagen ist nur mäßig besetzt. Pünktlich geht es los.

Aber dann, schon in der nächsten Station Neu-Ulm, steht eine Mutter mit zwei kleinen Kindern ratlos auf dem Bahnsteig. Ihre Deutschkenntnisse sind gering, aber so viel wird klar: Sie ist mit dem Fahrkartenautomaten nicht zurecht gekommen und hat kein Ticket. Die Familie möchte nach Chemnitz. Ohne Fahrschein aber darf niemand in den Zug der Privatbahn Agilis einsteigen.

Der Schaffner, neudeutsch Zugbegleiter, könnte nun auf die Beförderungsbedingungen verweisen und die Tür verriegeln. Das wäre in Deutschland der korrekte, übliche Weg. Der Zug würde ohne die Familie abfahren, die schließlich selbst daran schuld ist, dass sie kein Ticket besitzt.

Aber das macht der Schaffner, ein schon etwas älterer Herr, nicht. Er bittet die Frau und ihre Kinder samt Kinderwagen erst einmal herzlich herein. Fragt nach dem Reiseziel, verkauft eine Fahrkarte nach Chemnitz, obwohl es die im Zug doch eigentlich gar nicht zu kaufen gibt. Erklärt die Anschlusszüge nach Chemnitz, die Umsteigezeiten, weist darauf hin, wo es knapp wird und dass der Fahrstuhl in Donauwörth gerade nicht funktioniert. Wiederholt das alles mindestens drei Mal, weil die Mutter nicht alles auf Anhieb versteht. Und dann sorgt er noch dafür, dass die Familie einen guten Platz neben dem Stellplatz für den Kinderwagen bekommt.

Bestimmt ein Einzelfall

Diese Freundlichkeit, gar einer Migrantin mit Kopftuch gegenüber, ist gewiss ein Einzelfall, denke ich mir. Menschen wie dieser Zugbegleiter sind so wertvoll wie Goldstaub. Leider auch ähnlich selten.

Diese Freundlichkeit an Bord scheint gar kein Einzelfall zu sein, sondern Programm

Aber dann in Donauwörth ist Personalwechsel, eine jüngere Zugbegleiterin übernimmt, die Familie hat den Zug verlassen. Kurz vor Ingolstadt sucht ein junger Mann die Schaffnerin auf, sichtlich verzweifelt. Er spricht nur sehr wenig Deutsch. Aber soviel wird klar: Er hat die Station, wo er aussteigen wollte, verpasst, ist jetzt ohne gültiges Ticket im Zug.

Die Zugbegleiterin beruhigt den aufgeregten jungen Mann. Erklärt ihm, dass das gar nicht schlimm sei. Verweist auf den Gegenzug, in den er in Ingolstadt nur umzusteigen brauche, um nach Hause zu kommen. Verspricht, dass er dort keine Fahrkarte benötigen werde. Zeigt ihm nach der Ankunft das Gleis, zu dem er sich bemühen müsse. Es fehlt nur noch, dass sie ihn persönlich dort hinbringt.

Einstellung des Unternehmens

Diese Freundlichkeit an Bord des Zugs scheint gar kein Einzelfall zu sein, sondern Programm. Und sie erfreut selbstverständlich nicht nur diejenigen, die man landläufig als Migranten bezeichnet, sondern auch Schwaben, Oberbayern, Niederbayern, Oberpfälzer und sogar Preußen.

Was machen Sie bei Agilis da anders als die große Deutsche Bahn? Anruf bei der Pressesprecherin in Regensburg. Jennifer Raab erklärt, dass Quereinsteiger im Servicebereich eine rund sechswöchige Schulung erhalten, bei der es auch um den „wertfreien und hilfsbereiten Umgang gegenüber unseren Fahrgästen“ gehe: „Jeder ist in unseren Zügen willkommen, genauso wie in unserem Team.“ Am wichtigsten sei es, „dass man Spaß an seiner Arbeit haben sollte“, erklärt Raab.

Alles großartig also? Nicht ganz. Denn eigentlich, ja eigentlich sollte es doch gar keiner Erwähnung wert sein, wenn sich Dienstleister so verhalten, dass alle Beteiligten, gleich welcher Hautfarbe, Sprache oder anderer Merkmale, ihre Dienste gerne in Anspruch nehmen.

Bei Agilis werden übrigens gerade neue Mitarbeiter gesucht.

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10 Kommentare

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  • Die Kundenfreundlichkeit der Privaten im ÖPNV ist Programm, auch in unserem Verkehrsverbund, dem VRR. Das ist nicht allein Folge des Wettbewerbs sondern hat auch andere Gründe. 2018 berichtete kommunal.de, dass immer mehr Städte zur Verbesserung der Sicherheit im ÖPNV "aufrüsten, bis hin zur Ausgabe stich- und schussfester Westen. Selbst aus dem Sauerland lagen erschreckende Zahlen zu Angriffen auf Zugpersonal vor. In Dortmund begannen Kripo- Beamt*innen Fahrer*innen zu trainieren, Empowerment zur Deeskalation. Aber auch bei der Deutschen Bahn gab es Erfolge. Als neulich ein Mitfahrender seinen Fahrschein nicht vorzeigen wollte mit der Begründung, der Zugbegleiter möge in 20 Minuten zur Kontrolle erscheinen, denn das sei exakt die Verspätung, die man eingefahren habe, nahm der Uniformierte es locker und grinste, das wiederum verblüffte den schon bekannten Dauernörgler. Apropos Servicewüste Deutschland als Fazit: Auch "tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser als man glaubt".

  • automat wollte keine fahradkarte ausspucken un der zug kommt - in dem seit betreiberwechsel leider kein automat mehr steht ? bei dbs wären das 60 euro. bei privats in westphalen ein lächeln und ne fahrradkarte vom schaffner, zum normalpreis. so isses.

  • @BUNTE KUH

    Ich sagte ja: mal dies, mal das. Mir ist bewusst, dass die Unternehmenskultur die Freundlichkeit der Mitarbeiter*innen nicht gerade fördert.

    Deshalb wertschätze ich diese um so mehr, wenn sie da ist. Und sie ist auch oft da. Nicht immer.

  • Ich denke, wenn man sich vor oder sofort nach Fahrtantritt freundlich an einen Zugbegleiter der DB wendet, weil man mit dem Automaten keine Fahrkarte bekommen hat, hat man auch ganz gute Chancen auf kulantes Verhalten. Es gibt natürlich überall solche und solche.



    Allerdings entspricht es nicht wirklich meinen Vorstellungen von gut recherchiertem Journalismus, wenn aus einem privaten Einzelerlebnis offenbar ohne weitere Recherche pauschale Aussagen getroffen werden. Ich finde das den Zugbegleitern der DB gegenüber auch nicht fair, die Leute müssen genug einstecken.

  • Kann ich nicht sagen, dass das DB-Personal unfreundlich ist. Im Gegenteil. Und es verwundert mich eigentlich immer wieder. Denn oft habe ich erlebt, dass es sehr rüpelhafte oder gewaltandrohende Fahrgäste gibt.

    • @resto:

      Resto, das sehe ich auch so. Trotz des Arbeitgebers Bahn, der doch in vielen Situationen sehr umständlich und abweisend ist, sind die Mitarbeiter*innen in den meisten Fällen sehr höflich und zuvorkommend. Ich weiß nun nicht wie alt der Schreiber des Artikels ist. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen, dass er vor ca. 25 Jahren das letzte Mal mit der DB unterwegs war. Es lebe das gepflegte Vorurteil. Ausserdem ist ein Ereignis nicht unbedingt dafür geeignet, die Privatisierung in den Himmel zu loben, aber das wurde auch schon gesagt.

  • "... sollte es doch gar keiner Erwähnung wert sein..."

    Doch, sollte es. Die Dienstleister*innen sind keine Maschinen. Die Kund*innen tragen eine Mitverantwortung. Mit Geld kann ich die Transportdienstleistung kaufen, nicht die Freundlichkeit.

    Bei der Deutschen Bahn habe ich mal dies, mal das erlebt. Fest steht, dass das Unternehmen dabei nicht unbedingt behilflich ist (das hätte ich gerne anders!) -- die Mitarbeiter*innen sind oft Held*innen. Und so begegne ich ihnen auch.

    • @tomás zerolo:

      Da habe ich schon andere Dinge erlebt, so in der S-Bahn:

      Ein asiatischer Mann hat eine Ticket, aber es noch nicht entwertet. Nun ist das eigentlich kein Problem, die Zugbgleiter können auch die Zeit aufs Ticket schreiben und mit einem Zangenabdruck versehen. Das wäre gerade hier bei einem Landesfremden angebracht gewesen.

      Aber was macht der Fahrgastverwalter ("Schaffner")? Schickt den Asiaten auf den Bahnsteig, er solle gefälligst dort entwerten. Und was macht er noch? Lässt einfach den Zug losfahren, ohne den Fahrgast. Keine Zeit, mal 30 Sekunden zu warten.

      Ich hatte das dann leider vergessen, denn *den* (also den Schaffner) hätte ich gern "hochgehen" lassen.

  • Das Phänomen ist ja nun wirklich nicht neu.

    Und es ist in anderen Ländern meistens noch viel ausgeprägter, meine Erfahrungen mit Beamten in Ländern wie Russland, China, Kuba oder auch Frankreich toppen alles was ich an UnFreundlichkeit von einem deutschen beamten je gehört hätte.



    Wer beim Staat arbeitet, der hat es eben nicht nötig freundlich zu sein, das Geld kommt auch wenn man unfreundlich ist.

    Ein gutes Argument, unter vielen weiteren, den Anteil des Staates an der Wirtschaft so klein wie möglich zu halten

  • Fazit:



    Die Zerschlagung des Bahnkonzerns in Privatbetriebe wird, man weiß das aus England und von der Einführung des Privatfernsehens, zu einer Verbesserung für Kunden und Konsumenten führen.



    Klar, Herr Hillenbrand.