Vergleiche von SS und Hamas: Traurige Massenmörder
Die SS, sagt der britische Journalist Douglas Murray, habe sich im Gegensatz zur Hamas nicht mit ihren Taten gerühmt. Das zu behaupten, ist falsch.
E s war eine Frage der Zeit, bis Deutschland angesichts des Tötens im Nahen Osten in Stimmung kommt. Tausende Tote Israelis, Zehntausende tote Palästinenser*innen verlangen nach der Frage, wer nun der beste Massenmörder sei. „Sogar die Nazis waren eigentlich beschämt über das, was sie taten“, sagte der britische Journalist Douglas Murray am vergangenen Mittwoch in einem Interview mit dem Moderator Piers Morgan, „SS-Bataillone, die ihren Tag damit verbrachten, Juden von hinten in den Kopf zu schießen und sie in die Gräben zu stoßen, mussten sich am Abend sehr stark betrinken, um zu vergessen, was sie getan hatten“.
Murray verglich das Pogrom der Hamas mit denen der Nazis. Letztere hätten ihre Taten verschleiern wollen, führte der als „Islamkritiker“ bekannte Publizist weiter aus, die Hamas hingegen handelte „mit Freude“, sei „ausgesprochen stolz“ auf Folter, Vergewaltigung, Massenmord.
Das macht Laune. Der Kolumnist Jan Fleischhauer bezeichnete das Interview als „großartig“, lobte die journalistische Qualität und machte sogleich deutlich, wie meilenweit darunter seine eigene Publizistik firmiert: „Deutsche Juden oder Aggro-Araber: Wen wollen wir halten?“, lautete der als Frage formulierte Rassismus im Titel seiner jüngsten Kolumne.
Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte sich entzückt von den Aussagen Murrays: „Hier wird viel ausgesprochen, was sonst nur gedacht wird.“ Er ergänzte: „Die Verharmlosung der Nazis gegenüber der Hamas ist falsch, solche Verbrechen sollte und kann man nicht vergleichen.“
Falsch ist in der Tat einiges an den Aussagen Murrays. „Auschwitzer SS-Mordbestien […] konnten sich im Rausch ihrer Schandtaten nicht genug rühmen. Sie […] sehnten sich nach dem ‚tollen Leben‘ mit seinen ‚starken Erlebnissen‘ und den Alkoholgenüssen, die ihnen dauernd geboten worden waren“, so beschrieb der NS-Widerständler und Buchenwald-Überlebende Eugen Kogon in seinem Buch „Der SS-Staat“ die Aussagen von Nazis noch nach (!) Kriegsende.
Wie sich Deutsche widerstandslos mit ein wenig Schnaps zum Erschießungskommando umschulen ließen, zeigt die ZDF-Doku „Ganz normale Männer“, inspiriert von dem gleichnamigen Buch des US-Historikers Christopher R. Browning. Wie stolz und fröhlich die Nazis angesichts ihrer sadistischsten Taten waren, ließe sich in Klaus Theweleits „Das Lachen der Täter“ nachlesen.
Kurze Blicke in solche Bücher genügen, um Murrays Thesen zu widerlegen. Wozu aber lesen und verstehen, wenn man meinen und fühlen kann – etwa, dass „die Araber“ die schlimmsten Schlächter seien, die Deutschen hingegen traurige, zum Genozid überredete Opfer? Aber, aber – jetzt keine miese Stimmung aufkommen lassen. Wir machen uns doch gerade erst locker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich