Vergesellschaftung von Wohnraum: Enteignungsini schafft Zugzwang
Eine Hamburger Volksinitiative sammelt reichlich Unterschriften zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Jetzt liegt der Ball bei der Bürgerschaft.
„Hamburg enteignet“ hat sich 2021 gegründet. Die Aktivist*innen reagierten auf den erfolgreichen Volksentscheid von „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ in Berlin: Mehr als eine Million Wahlberechtigte stimmten für die Enteignung und Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne in der Hauptstadt.
In Hamburg wird die Initiative von 150 Mieter*innen und neun Stadtteilgruppen getragen. Seit September vergangenen Jahres haben die Organisator*innen von „Hamburg enteignet“ Unterschriften gesammelt, um dem Berliner Vorbild nahe zu kommen. Weil sie die Marke von 10.000 Unterschriften geknackt haben, muss sich nun die Bürgerschaft mit ihren Forderungen befassen. 120 Tage hat sie Zeit, darüber zu entscheiden.
Ursprünglich plante die Initiative, einen Entwurf für ein Vergesellschaftungsgesetz vorzulegen. Wegen möglicher „juristischer Fallstricke“ fordert die Initiative jetzt von der Bürgerschaft, eine Kommission einzusetzen. Diese soll zu gleichen Teilen aus den Organisator*innen von „Hamburg enteignet“ und Mitgliedern der Bürgerschaft bestehen. Sie sollen einen gemeinsamen Gesetzentwurf erarbeiten. Die Initiative fordert durch eine Anstalt öffentlichen Rechts demokratisch verwaltetes Gemeineigentum.
Kleine Vermieter außen vor
Wohnungsunternehmen mit mehr als 500 Wohnungen sollen vergesellschaftet werden – also Firmen wie Vonovia, Heimstaden oder die Adler Group. Marie Kleinert von der Hamburger Initiative sagt: „Was wir beim Unterschriften sammeln häufig erklären mussten: Es geht nicht um die Vermieter mit ein oder zwei Wohnungen, die für ihr Alter vorsorgen wollen. Das ist total verständlich.“ Die Mieter*innen sollten jedoch nicht den Profit der Wohnungskonzerne bezahlen.
Das Problem sei, dass in Hamburg vor allem im Luxussegment gebaut werde, sagt Kleinert. Bezahlbarer Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen sei kaum zu finden. Das liege auch daran, dass der rot-grüne Senat zwar hohe Wohnungsbauzahlen vorweisen könne. Dabei habe er aber sein Ziel verfehlt, ein Drittel der Neubauten als Sozialwohnungen zu errichten. Der Bestand an Sozialwohnungen in der Hansestadt schrumpft, weil jedes Jahr mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen, als fertiggestellt werden.
In Berlin hat sich gezeigt, dass die Umsetzung der Forderungen verfassungsrechtliches Neuland wäre. Im Dezember vergangenen Jahres hat eine Expertenkommission zum Volksentscheid einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem sie die Vergesellschaftung in Berlin als möglich ansieht. Eine endgültige Stellungnahme durch die Kommission steht noch aus.
„Hamburg enteignet“ steht in engem Kontakt mit der Berliner Initiative. Sollte die Politik in Berlin weiter untätig bleiben und das Abstimmungsergebnis ignorieren, erhofft sich Kleinert „lautstarke Proteste“ – die auch der Hamburger Initiative dienen würden.
Die mietenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke gratulierte der Initiative in der Hamburgischen Bürgerschaft: Bei hunderttausenden Mieter*innen in Hamburg wachse die Not und Empörung, denn sie hätten nicht nur hohe Mieten zu stemmen, sondern auch explodierende Energiekosten.
Anke Frieling, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, sieht die Forderungen der Initiative dagegen kritisch: Enteignungen oder Vergesellschaftungen großer Wohnungsbauunternehmen sorgten nicht für den Neubau von günstigen Wohnungen. Wo diese Art von Wohnungsbaupolitik hinführe, könne man in sozialistischen Ländern beobachten.
Auch der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen lehnt die Enteignung von Wohnungsunternehmen ab. Durch Enteignung entstehe nicht eine einzige neue Wohnung.
Die Initiative „Hamburg enteignet“ ist bereit, den nächsten Schritt zu gehen, sollte sich die Bürgerschaft nicht mit ihrer Forderung nach einer Kommission befassen wollen. Sie würde ein Volksbegehren einläuten, wofür sie die Stimmen von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten bräuchte – innerhalb eines Monats.
Über die dafür notwendigen Stimmen macht sich Kleinert keine Sorgen. Immer mehr Menschen interessierten sich für ihr Projekt. Vorerst sagt sie aber: „Wir sind gespannt auf die Antwort!“ Der letzte Schritt wäre ein Volksentscheid, mit dem 2025 zur Bürgerschafts- oder Bundestagswahl gerechnet werden könnte.
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