Urteil im Fall Susanna F.: Lebenslange Haft für Ali B.
Das Landgericht Wiesbaden verurteilt den 22-jährigen Iraker wegen Mordes und Vergewaltigung und erkennt eine besondere Schwere der Schuld.
Susannas Ermordung hatte bundesweit für große Aufregung gesorgt, weil wie zuvor in Freiburg und Kandel ein Asylbewerber ein Mädchen umgebracht hatte. Auch dieser Fall hatte fremdenfeindliche Hassbotschaften und Demonstrationen gegen die Einwanderungspolitik der Bundesregierung ausgelöst.
Zum Auftakt des Prozesses gestand der Angeklagte zwar, Susanna getötet zu haben, bestritt die Vergewaltigung jedoch. In seiner fast dreistündigen Urteilsbegründung rekonstruierte der Vorsitzende Richter die letzten Stunden vor der Gewalttat. Jürgen Bonk arbeitete minutiös die Aussagen der Zeugen aus den Cliquen ab, denen Täter und Opfer angehört hatten. Akribisch zitierte er Chatprotokolle und ausgelesene Verbindungsdaten. Ali B. habe Susanna ja bereits drei Wochen vor der Tat sexuell bedrängt, sie habe sich seitdem vor ihm gefürchtet. „Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Ihnen und Susanna hat es nie gegeben“, sagte er.
Vor der Tat habe der sechs Jahre ältere Mann das sexuell unerfahrene Mädchen „mit einer perfiden Planung“ und mit „manipulativer Energie“ von den anderen Jugendlichen separiert, um sie an einem abgelegenen Ort sexuell missbrauchen zu können. Schließlich habe er Susanna erwürgt, als sie mit der Polizei gedroht habe.
Bewegende Worte
In der Urteilsbegründung machte sich das Gericht die Einschätzung der psychiatrischen Gutachterin Hildegard Müller zu eigen, nach der der Angeklagte eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit psychopathischen Züge aufweise. „Ich habe doch nur ein Mädchen totgemacht“, mit dieser Rechtfertigung habe Ali B. seine frauenfeindliche Einstellung offenbart. Frauen, die einen freiheitlichen Umgang mit Jungen und Männern pflegten, sehe der Angeklagte als „Schlampen“ an, die zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benutzt werden dürften, sagte der Richter.
In bewegenden Worten wandte er sich an Susannas Mutter, die vor Gericht Selbstvorwürfe zu Protokoll gegeben hatte. Es sei ihr mit ihrer Zeugenaussage eindrucksvoll gelungen, alle Gerüchte über die angebliche Verwahrlosung ihrer Tochter „wegzufegen“, sagte der Kammervorsitzende.
Richter Jürgen Bonk
Der Angeklagte habe sich zwar entschuldigt, dagegen nicht einmal ansatzweise glaubhaft Reue oder Mitgefühl gezeigt: „Alleine Sie und niemand anderes, nicht der Staat, nicht die Freunde und nicht Susanna, tragen die Verantwortung an Susannas Tod!“, rief Bonk dem Angeklagten zu. Das Gericht verpflichtete ihn, Mutter und Schwester des Opfers je 50.000 Euro Hinterbliebengeld zu zahlen.
Das Urteil begründete das Gericht mit der außerordentlichen Gewalttätigkeit und der rücksichtslosen Begehung der Taten. So nannte der Richter als „widerliches Detail“ die Tatsache, dass der Täter der ermordeten Susanna sogar noch ihre neuen Schuhe ausgezogen habe, bevor er sie in einem Erdloch verscharrt hatte.
Die Aussichten auf seine Rehabilitation bewertet das Gericht pessimistisch. Es sei kaum wahrscheinlich, dass sich Ali B.’s Persönlichkeitsprofil im Gefängnis ändern ließe, sagte der Richter.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier