Umweltpolitik der Konservativen: Grün ist das neue Schwarz
Mit Klimapolitik will die Union ihrem derzeit gefährlichsten Gegner, den Grünen, Wähler*innen abspenstig machen. Kann das klappen?
Die Union krebst in Umfragen zwischen 26 und 28 Prozent herum und schaut ängstlich auf die starken Grünen, die längst in konservativen Milieus wildern. Angesichts dieser Entwicklung arbeitet Kramp-Karrenbauer an der Ergrünung der CDU, wie erfolgreich, bleibt abzuwarten. Am Wochenende veröffentlichte sie – wieder in der Welt am Sonntag – einen Debattenbeitrag mit engagiert klingenden Vorschlägen. Die CDU, so die Botschaft, kann auch öko.
Kramp-Karrenbauer will zum Beispiel das Abgabe- und Steuersystem im Energiesektor „grundlegend“ umbauen. Die CDUlerin will dem Staat aber nicht mehr Einnahmen verschaffen, sondern die BürgerInnen durch bessere Steuerung entlasten. „Wenn wir also das unstrukturiert gewachsene System reformieren, den Ausstoß von Treibhausgasen zum Maßstab machen und im Verkehr und bei Gebäuden einen CO2-Deckel einziehen, dann muss es auch Entlastung für Bürger und Betriebe geben – zum Beispiel beim Strompreis über die EEG-Umlage und die Stromsteuer.“
Energieeffizientes Wohnen will Kramp-Karrenbauer in Zukunft gezielter fördern, zum Beispiel mit einer steuerlichen Sanierungsförderung und einer Abwrackprämie für Ölheizungen. Aber was heißt das genau? Die Vorschläge sind so wolkig formuliert, dass unklar bleibt, was in der Realität passieren soll. Ein Konzept für eine CO2-Steuer liegt beispielsweise seit Längerem vor, Kramp-Karrenbauer blieb bisher allerdings auf Distanz. Die Abwrackprämie für Ölheizungen wird durch aktuelle CDU-Politik konterkariert.
Programmatisch blank
In der Vergangenheit agierte Kramp-Karrenbauer beim wichtigsten Thema des 21. Jahrhunderts unbeholfen. In einem Gastbeitrag in der Zeit, der im Juni erschien, betonte sie zwar mit blumiger Sprache, wie notwendig die „Bewahrung der Schöpfung“ sei – nannte aber kein einziges konkretes Instrument. Die Jugendlichen, die bei Fridays for Future für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele demonstrieren, kritisierte Kramp-Karrenbauer im März für Schulschwänzerei – und empfahl, den verpassten Unterrichtsstoff nachzuholen. Die Versuche der Vorsitzenden, das Feld zu besetzen, können nicht verdecken, wie blank die CDU programmatisch ist – die Zeiten eines Klaus Töpfer sind lange vorbei.
Kramp-Karrenbauers taktisches Interesse ist offensichtlich: Klimaschutz ist heutzutage ein wahlentscheidendes Thema. Wer keine Konzepte vorweisen kann, verliert. Bei den Landtagswahlen 2018 in Hessen und Bayern liefen scharenweise WählerInnen von CDU und CSU zu den Grünen über. Allein in Bayern machten laut Infratest dimap 170.000 ehemalige CSU-Wähler ihr Kreuz bei der Ökopartei. CSU-Chef Markus Söder hat folgerichtig die Grünen zum Hauptfeind beim Kampf um die bürgerliche Mitte erklärt.
Der Bayer arbeitete im Sommer konsequent an seinem grünen Image. Er forderte günstigere Bahnfahrkarten, ein Verbot von Plastiktüten, und er will den Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben. Sein Kabinett musste unter grünen Platanen im Münchner Hofgarten beraten, Söder lehnte sich für die Kameras an einen Baum. Die nüchterne Kramp-Karrenbauer ist sich für solch barocke Schamlosigkeit zu schade, aber ihr Ziel ist das gleiche.
Auch sie plädiert nun wie Söder dafür, Nachhaltigkeit ins Grundgesetz zu schreiben. Und sie wirbt – wie zuvor schon Kanzlerin Angela Merkel – für „Klimaneutralität bis 2050“, was deutlich über die aktuell geplante Reduzierung der Emissionen um 80 bis 95 Prozent hinausgeht. Damit steckt sie ein höheres Ziel, als es die Grünen tun. Kramp-Karrebauers Ideen, so vage sie auch sind, schaffen Anknüpfungspunkte und öffnen Räume für eine mögliche schwarz-grüne Regierung.
Besonderer Co-Autor
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck begrüßte am Montag die Vorschläge, blieb aber verhalten. Es gebe ein Sammelsurium an Einzelvorschlägen, aber keine klare Strategie gegenüber den großen Herausforderungen der Gegenwart, sagte Habeck. Er selbst erinnere sich aus seiner Zeit als schleswig-holsteinischer Umweltminister noch daran, wie Fachminister diskutiert hätten, die Subventionen für neue Ölheizungen zu streichen – wie aber Kollegen anderer Parteien dies stets abgelehnt hätten.
Dennoch: „Die Gedankenübungen, die da veranstaltet werden, können wir nur begrüßen.“ Reflexhaftes Beißen der Opposition sei fehl am Platze.
Ein Detail zeigt, dass Kramp-Karrenbauers Vorstoß mehr als heiße Luft ist. Interessant ist, wer neben ihr als Co-Autor über dem Text steht (und vermutlich mehr zum Text beigetragen hat als die Parteichefin selbst). Andreas Jung ist einer der wenigen aus der Union, die Klimaschutz nicht als notwendiges Übel betrachten, mit dem man sich jetzt mit Rücksicht auf die Wähler eben auch irgendwie beschäftigen muss.
Der 44-jährige Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg saß viele Jahre in den Beiräten des Bundesverbands Erneuerbare Energien und des Potsdamer Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung. Er engagiert sich seit vielen Jahren glaubwürdig für das Thema und wird auch in der Umweltszene, die der Union sonst kritisch gegenübersteht, geschätzt. Einen Erfolg kann Kramp-Karrenbauer also schon mal für sich verbuchen: Sie hat einen fähigen Umweltpolitiker in der CDU aufgespürt.
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