Umstrittene Wahlrechtsreform: Karlsruhe, bitte korrigieren!
Der eilig geänderte neue Wahlrecht der Ampelkoalition soll offenbar der Opposition schaden. Das Bundesverfassungsgericht sollte es deshalb korrigieren.

E s ist gut, dass die CSU am Wochenende beschlossen hat, gegen die Wahlrechtsreform vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Zwar hat die Partei jahrelang aus Eigennutz jede sinnvolle Reform verhindert und keinen einzigen vernünftigen Vorschlag vorgelegt, so dass man reflexhaft denken könnte: Geschieht ihnen doch recht! Zumal der Sonderstatus der CSU immer wieder ein Ärgernis ist. Doch dass das Gesetz nun in Karlsruhe überprüft werden wird, könnte nicht nur der CSU nutzen. Es ist gut für die Demokratie. Noch besser wäre es, wenn die Ampel es nachbessern müsste.
Ursprünglich hatten SPD, Grüne und FDP – nach langen Jahren erfolgloser Diskussion – einen vernünftigen Entwurf vorgelegt. Er hätte das Verhältniswahlrecht gestärkt, die Wahlkreise beibehalten und den Bundestag verkleinert. Und er war für alle im Bundestag vertretenen Parteien verhältnismäßig fair. Das ist angesichts des komplexen Problems eine ganze Menge. Dass dafür der Sieg in einem Wahlkreis nicht mehr zwingend zu einem Bundestagsmandat führt, sondern nach der neuen Logik nur die Chancen dafür erhöht, hätte man hinnehmen können. Einen Parameter muss man ändern, soll das Wachstum des Bundestags wirklich begrenzt werden, was richtig ist.
Am Ende aber ist die Ampel falsch abgebogen. Mit der plötzlichen Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel bei Beibehaltung der Fünfprozentregel wendet sich das neue Wahlrecht gegen Teile der Opposition. Die Linke wäre nach diesen Regeln schon 2021 gar nicht mehr in den Bundestag eingezogen; auch für die CSU könnte es künftig eng werden. Zwar ist bislang nicht bekannt, warum die Ampel wirklich zu dieser Verschärfung gegriffen hat – von der sie noch Wochen zuvor nichts wissen wollte. Klar aber ist: Sie setzt sich damit dem Vorwurf aus, der Opposition schaden und die eigene Machtstellung erhalten zu wollen.
Das Wahlrecht allein mit der Regierungsmehrheit zu ändern, ist nicht gut. Es so zu machen, ist höchst problematisch. Wenn die Ampel selbst nicht merkt, dass hier Nachbesserungen nötig sind, kann man nur auf das Verfassungsgericht hoffen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?