Umgang mit der AfD: Rechte ausgrenzen
Mit Rechten reden? Nein. Solange man die AfD ausgrenzt, schadet man ihr. Stark ist sie dort, wo sie in Teilen der Gesellschaft normalisiert ist.
Kaum zu glauben, dass es diesen Meinungstext 2021 noch immer braucht. Nach wie vor behaupten einige Politiker*innen und Kommentator*innen, dass es falsch sei, die AfD systematisch auszugrenzen. Zum Glück sieht das auch in der zweiten Legislaturperiode, in der die rechtspopulistische bis faschistische Partei in den Bundestag eingezogen ist, die Mehrheit der Abgeordneten anders.
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Die AfD hat in der ersten Sitzung des Bundestags Michael Kaufmann aus Björn Höckes rechtsextremem Landesverband Thüringen zur Wahl zum Vize-Bundestagspräsidenten aufgestellt. Formal steht das jeder Fraktion zu. Einen Anspruch darauf, vom Rest des Hauses gewählt zu werden, gibt es allerdings nicht. Niemand darf Abgeordneten vorschreiben, wem sie ihre Stimme geben.
Die AfD klagte zwar bereits in der vergangenen Legislatur dagegen, dass sie nicht gewählt wird, blieb allerdings erfolglos. Und so fiel am Dienstag im Bundestag zum Glück auch der sechste AfD-Kandidat für das Vizepräsidentenamt im Bundestag durch und verpasste die für eine Mehrheit erforderlichen 369 Stimmen deutlich. Auf einen zweiten Wahlgang verzichteten die Braunen missmutig. Nicht ohne rumzuheulen, versteht sich. Tenor: Es ist keine Demokratie, wenn wir nicht gewählt werden. Schon klar.
Und es mag für einige unelegant erscheinen oder gar demokratische Selbstverletzung sein, wenn man die Geschäftsordnung verändert, um einen AfD-Alterspräsidenten zu verhindern oder diesen nicht zum Vizepräsidenten wählt. Die meisten Wähler*innen dürften demgegenüber aber genau dies von den demokratischen Abgeordneten erwarten und zu Recht einfordern. Die AfD ist keine normale Partei. Man darf ihr nicht mehr Raum geben, als sie ohnehin schon durch ihre Repräsentation in derzeit allen deutschen Parlamenten einnimmt.
Eine Legende, die sich hält
Kritikwürdig ist eher, dass die Ausgrenzung nicht eindeutig war: 118 Abgeordnete stimmten für Kaufmann, die AfD ist aber nur mit 83 Mitgliedern in den Bundestag gezogen, von denen zudem Fraktionschef Tino Chrupalla wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne war. Es haben also immer noch 36 Abgeordnete demokratischer Parteien für den AfDler gestimmt. Das sind zwar weniger Stimmen als AfD-Kandidat*innen in der vergangenen Legislaturperiode erhielten, aber dennoch: Einige haben es offenbar noch immer nicht begriffen.
Noch immer hält sich die Legende, dass man mit Rechten reden und sie argumentativ stellen müsse, ihnen Raum auf Podien, Buchmessen oder in politischen Ämtern zugestehen müsse. Denn sonst, so die Befürchtung, könnten sie sich als Opfer inszenieren.
Wenn man diese Erzählung übernimmt, geht man allerdings der rechten Strategie auf den Leim: Denn die Opferinszenierung ist ein grundsätzliches Kernelement rechtspopulistischer Strategie und würde selbst dann nicht aufhören, wenn die AfD an der Macht wäre. Bestes Beispiel dafür ist Donald Trump, der sich sogar noch als US-amerikanischer Präsident und mächtigster Mann der Welt als Underdog inszenierte. Ähnlichen Bullshit verzapft auch die AfD, wenn man sie dann auf Podien einlädt, Gastbeiträge in Zeitungen schreiben lässt, ihnen Raum in Talkshows gibt oder sie unnötigerweise in Ämter wählt, wie es ja bereits in einigen Länderparlamenten geschehen ist.
Im Thüringer Landtag stimmte sogar der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow für den nun im Bundestag durchgefallenen Kaufmann. In Baden-Württemberg wurde ohne Not ein AfDler in den Verfassungsgerichtshof gewählt. Und in Sachsen-Anhalt findet ein CDU-Mann es unproblematisch, einen AfDler zu wählen, weil der Beamter sei und einen Innenausschuss gut geleitet habe – woraufhin der Kandidat nur knapp scheiterte. In Brandenburg darf der AfD-Vizelandtagspräsident Andreas Galau unterdessen Debatten über rechten Terror abwürgen. Immerhin scheint man dort zu lernen und Teile des Parlaments versuchen zumindest, den AfDler wieder aus dem Präsidium zu bekommen.
Schach spielen mit einer Taube
Solange man die AfD ausgrenzt, schadet man ihr. Aus ihren Opfererzählungen kann sie kein Kapital schlagen. Im vergangenen Wahlkampf haben alle demokratischen Parteien die AfD ausgegrenzt, niemand erwägt eine Zusammenarbeit mit der extrem rechten Partei. Und trotz pandemischer Krisenlage und einer historisch schwachen CDU konnte die AfD nicht profitieren. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im Mai 2022 könnte sie sogar aus dem Landtag fliegen und auch in Nordrhein-Westfalen droht den extrem Rechten eine Niederlage.
Stark ist die AfD überall hingegen dort geblieben, wo sie in Teilen der Gesellschaft bereits weitgehend normalisiert ist. In Teilen Sachsens oder Thüringens etwa, wo AfDler*innen teilweise als kommunal verankerte Politiker*innen wahrgenommen werden. Die gleichbleibend hohen Zustimmungswerte oder sogar Zugewinne zeigen, dass Appeasement bei Rassist*innen nichts nützt.
Die AfD gehört konsequent und konfrontativ ausgegrenzt. Sie bedroht Minderheiten, ihre Anhänger*innen bedrohen, verletzen und ermorden Menschen. Auch deswegen muss eine ihr mit dem Wiedereinzug formal zustehende Finanzierung ihrer parteinahen Stiftung verhindert werden.
Wer die AfD wählt, bekennt sich ausdrücklich zu dem rassistischen Programm und dem antidemokratischen Kurs der extrem rechten Partei. Ihre Wähler*innen stellen sich gegen die freiheitliche Grundordnung dieser Gesellschaft und sind nicht an einer richtigen Debatte interessiert.
Der Fußballphilosoph Eric Cantona sagte einmal: Mit Rassisten debattieren ist wie mit einer Taube Schach spielen. Es ist egal, wie gut du bist. Am Ende wird die Taube alle Figuren vom Spielfeld werfen, auf das Brett kacken und herumstolzieren, als hätte sie gewonnen. Cantona hat recht: Der Fehler ist es, sich auf das Spiel einzulassen.
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