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Ukrainische Aktivistinnen vor prorussischer Demo: AfD und Pegida am 24.2.2023 in Dresden Foto: Sylvio Dittrich/imago

Ukrainisches Leben in DresdenAneinander vorbei

In Dresden verläuft ein Riss zwischen integrativ denkenden Sowjetnostalgikern und Geflüchteten aus der Ukraine. Auch die Stadtbewohner sind gespalten.

E in gutes Jahr nach dem russischen Überfall fällt es in einer Halbmillionenstadt wie Dresden nicht leicht, eine ukrainische Community zu identifizieren. Schon der erste Anlaufpunkt scheint sich zu verstecken. Unweit vom Bahnhof Mitte, gegenüber dem wuchtigen historischen Gewerkschaftshaus, fallen an einem der gesichtslosen Nachwendebürohäuser Schilder des Kolibri e. V. kaum auf.

Dabei wuselt es dort ständig auf der Treppe und erst recht auf den engen Fluren des Kinder- und Elternzentrums. Ruhepunkte zwischen Unterrichtsräumen, Bibliothek und Büro bilden die wartenden Mütter, während ihre Zöglinge in den Räumen elementaren Vorschulunterricht, Sprachkurse oder musisch-künstlerische Ausbildung erhalten. Sie sprechen gedämpft, meist auf Russisch oder Ukrainisch.

Der bunte Eindruck im Büro, wo Souvenirs aus aller Welt neben ukrainischen, russischen oder deutschen Fähnchen stehen, verstärkt sich hinter den anderen Zimmertüren. Derzeit proben alle ganz speziell für ein gemeinsames Fest, also einen „Prasdnik“ am 11. März, das Vereinigungsfest eines Vereins über alle Unterschiede hinweg.

Im Musikzimmer ist eine Kindergruppe etwa im Schulanfängeralter um das Klavier versammelt. Der Kommandoton, mit dem sie dirigiert werden, erinnert an den in sowjetischen Schulen und auch an Musikschulen üblichen Drill.

Die gute alte Zeit in der SU

Doch dann überrascht der Text: „Ukraina nasha mati – Ukraine, unsere Mutter“ klingen die von einem sonoren Bass geführten Kinderstimmchen. Ein patriotisches ukrainisches Lied im Marschtritt! Der 73-jährige Musiklehrer, Pianist und Komponist aus Kyjiw hält für den Nachwuchs im Exil die Heimatbindung aufrecht.

Eine Tür weiter, bei der Sprachlehrerin Olga, wartet der Kontrast. Eben noch hatte ihre für die Vorschulkinder tätige Kollegin energisch den Kopf geschüttelt, als sie nach möglichen Spannungen mit Kindern deutsch-russischer Spätaussiedler und jüdischer Kontingentflüchtlinge gefragt wurde. „Es gibt keine Spaltung, wir sprechen alle Russisch!“

Die Diskussionen und Äußerungen zu Putin unter den Eltern sind für uns nicht länger zu ertragen

Ein deutscher Vater über den Verein kolibri e. V.

Auch Olga spaltet nicht, zeigt aber auf, welche Breite von Prägungen Kolibri ausbalancieren muss. Sie berichtet von einem kleinen ukrainischen Mädchen, das im Vorjahr von seinen geflohenen Eltern gebracht wurde. Als es erfuhr, dass andere Kinder hier russische Eltern haben, entfuhr es ihm: „Ich hätte sie getötet!“ Das Mädchen blieb künftig fern. Olga hat sogar Verständnis dafür, dass Kinder in diesem Alter nicht nur ihre Eltern verteidigen, sondern auch das, was sie von ihnen hören.

Dieser Hass aber entsetzt sie auch, und zwar aus einem bestimmten anderen Grund. „In der Sowjetunion gab es in meiner Jugendzeit keinen Unterschied nach Herkunft!“ Im Jahr 2000 kam sie aus Kasachstan mit ihrem russischen Mann nach Deutschland. Ihr Vater war Ukrainer, die Mutter deutschstämmig aus einem Dorf bei Luhansk. Und ihr Sohn ist mit einer belarussischen Frau verheiratet.

Unerträgliche Putin-Bewunderung

Der früher einigenden oder vereinheitlichenden Zeit trauert sie nach. „Sollen wir uns jetzt mit Messern zerschneiden?“ Dass Putin und sein Regime selbst für eine neue Todfeindschaft zwischen ehemaligen Brudervölkern gesorgt haben, kommt ihr nicht in den Sinn.

Was sie als „Blick von der Seite“ einer Besserverstehenden bezeichnet, ist vielmehr unüberhörbare Putin-Verehrung. Er habe versucht „zusammenzuhalten, was in den 1990ern in Fetzen gerissen wurde“. Das sei für Russland gut. „Putin ist schon ein Krieger“, sagt sie bewundernd.

Nach der russischen Invasion in der Ukraine haben wegen ähnlicher Einlassungen einzelne deutsche Eltern ihre Kinder bei Kolibri wieder abgemeldet, obschon viele, wie ein Vater, von den „wirklich wunderbaren Lehrkräften“ speziell im Russischunterricht begeistert waren. „Die Diskussionen und Äußerungen zu Putin unter den Eltern sind für uns nicht länger zu ertragen“, sagte der Vater damals.

Der Geist von Kolibri pegelt solche Spannungen aus. Im Tanzsaal zum Beispiel, wo die schon etwas Größeren eine poppige Choreografie zu Musik von Michael Jackson und damit dessen Hüftknick proben. Die junge Leiterin der Tanzgruppe kommt wie fünf der zwölf Kinder aus der Ukraine.

Es gibt nicht nur eine Identität

„Der Umgang mit Menschen, die Kinder sind uns das Wichtigste“, bekräftigt mit der ihr eigenen Vehemenz die Vereinsvorsitzende und Musiklehrerin Galina Jefremova. Längst ist sie eine vitale Rentnerin, aber auf sie geht hier eine künstlerische Jugendgruppe zurück, die zunächst beim Deutsch-Russischen Kulturinstitut wenig gefördert worden war.

Auch von der Stadt Dresden gab es anfangs nur ein paar Tausend Euro, bis Kolibri ein Domizil fand, sich etablierte und heute mit deutlich höheren Summen gefördert wird. So wirksam, dass das Begegnungszentrum ab dem kommenden Jahr in das Kulturkraftwerk Mitte umziehen und zum Träger der Villa der Kulturen avancieren wird.

Jegliche Polarisierung würde die integrativen Intentionen dieses Begegnungszentrums konterkarieren. „Menschen besitzen nicht nur eine Identität“, lautet ein Leitsatz von Geschäftsführerin Kristina Daniels. Die in Belgrad geborene promovierte Slawistin und Osteuropahistorikerin wuchs in Süddeutschland auf und hat viele Jahre sowohl in Moskau als auch in Kyjiw gearbeitet. „Politik und Religion stehen nicht im Vordergrund, aber wir positionieren uns klar gegen diesen Krieg“, ergänzt sie.

„Wer soll jetzt der oder die Schlechte sein?“, fragt Galina Yefremova, die selbst eine sehr mehrdeutige Herkunft hat: Geboren als Jüdin in Russland und ab dem ersten Lebensjahr in der Ukraine aufgewachsen, ist auch ihre Identität nicht eindimensional.

Der Traum von der Goldenen Generation

Kolibri versucht Ähnliches wie die Jüdische Gemeinde zu Dresden, mit der es wegen der Kontingentflüchtlinge eine enge Verbindung gibt. Schon seit 2014 gleicht man dort die Spannungen zwischen Ukrainern und Russen durch die Besinnung auf das gemeinsame Judentum aus, seit einem Jahr auch durch die gemeinsame Hilfe für Flüchtlinge.

Entsprechend werden die beiden Damen der Leitung nicht müde, auf die Vielfalt und Internationalität von Kolibri zu verweisen. Afrikanische Männer kämen her, um Russisch zu lernen, weil sie in eine Russin verliebt sind. Es gebe indonesische, afghanische oder iranische Gruppen.

Die Jugendfilmgruppe hat einen vielbeachteten 40-minütigen Spielfilm über latenten Antisemitismus im Schulalltag gedreht. Einer der Hauptdarsteller ist Malik, Sohn tschetschenischer Flüchtlinge. „Wir arbeiten für die Zukunft des Landes, für eine Goldene Generation, die viele Sprachen spricht“, schwärmt Galina Yefremova.

Unter den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern sind integrative Ausgleichsbemühungen verständlicherweise seltener anzutreffen. Ausgerechnet am 7. November, an dem nach dem Gregorianischen Kalender die Sowjetunion den Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 feierte, eröffnete im Vorjahr ein Ukrainisches Haus in Dresden.

Ukrainisches Haus im Keller

Ein wenig hoch gegriffen wirkt die Bezeichnung für den großen Raum plus Vorraum im Souterrain, zusammen etwa 200 Quadratmeter. An der Decke verlegte Kabel- und Lüftungskanäle verstärken den Kellereindruck. Wie ein Raumteiler wirkt ein Regal mit etwa 400 ukrainischen Büchern für jedes Alter. An den Wänden hängen Collagen, Symbole der Zerrissenheit.

Dafür kann dieser neue Ukrainetreff mit umso noblerer Lage glänzen. Im Untergeschoss des QF-Einkaufsquartiers an der Frauenkirche gelegen, soll es erklärtermaßen auch der Begegnung mit Dresdnern dienen. Das Management des Einkaufscenters stellt die Räume vorerst kostenfrei bis Oktober 2023 zur Verfügung. Die Stadt übernimmt für ein Jahr die Betriebskostenpauschale von monatlich 1.300 Euro netto. Nur den elektrischen Strom muss der Trägerverein Plattform e. V. selbst bezahlen.

Doch dessen Wirken hier unten beobachten zu können, erweist sich als schwierig. Immerhin waren zum Jahreswechsel 8.861 Ukrainer in Dresden registriert. Die Glastüren des Ukrainischen Hauses aber bleiben meistens geschlossen. Nur alle paar Tage öffnen sie sich für einen Entspannungskurs oder einen bildkünstlerischen Workshop. Man kann dann junge Frauen beobachten, die einzeln ankommen, insgesamt kaum mehr als zehn. Deutsch spricht keine von ihnen.

Dafür geht es zwei Tage vor dem Jahrestag des Kriegsbeginns beim deutsch-ukrainischen Stammtisch umso lebhafter zu. Etwa 40 Gäste jeden Alters sind gekommen. Bei der Einzelvorstellung stellt sich heraus, dass sie fast paritätisch zuzuordnen sind. Nach zweisprachiger Moderation finden sich die Gäste an fünf Tischen bei einem Pappbecher Bier oder Saft ein. Die Stimmung bleibt aber gedämpft und tendiert eindeutig contra Russland, obschon einige Teilnehmer schon vor vielen Jahren aus der Ukraine gekommen waren.

Steht Putin in zehn Jahren vor Berlin?

Nadija zum Beispiel, um die vierzig, winkt nur ab, wenn sie von der Trauer über die aufgelöste Sowjetunion hört. „Die Sowjetunion war eine Illusion“, meint sie mit Blick auf die seit 1922 immer schwelende Nationalitätenfrage. Sie kann sich wie alle Geflohenen hier überhaupt nicht über konkrete deutsche Hilfsbereitschaft beklagen, obschon die Sachsen zuerst für billiges Gas demonstrierten. Sie lebt bei Freunden im 20 Kilometer entfernten Dippoldiswalde.

Gert, ein Ingenieur, der mit seiner Firma länger als ein Jahrzehnt Kontakte mit der Ukraine pflegt, hat schon vor der Krim-Annexion eine bestimmte Stimmung dort erlebt: „Putin kommt, es ist nur die Frage, wann.“ Die Fernsehauftritte eben dieses Putin beobachtet er genau, insbesondere dessen Körpersprache. „Ich frage mich, ob wir in zehn Jahren nicht vor demselben Problem stehen wie die Ukraine“, orakelt er und denkt dabei an russische T72-Panzer, auf denen „Nach Berlin“ steht.

Hellwach spricht die 31-jährige Alexa, die hier von einer Modelagentur angeworben wurde. Zu Hause, im mittlerweile russisch besetzten Donbass, saß sie an leitender Stelle einer Oblastverwaltung. „Bei Rückkehr droht mir der Tod“, muss sie eine Träne unterdrücken. Gern würde sie auch hier zum Beispiel in der Staatskanzlei arbeiten.

Auch Alexa lobt geradezu überschwänglich die sächsische Hilfsbereitschaft und lässt sich davon nicht durch die russlandfreundlichen Demonstrationen abbringen. Ungeachtet gesellschaftlicher Zerrissenheit imponiert ihr hier besonders die funktionierende Ordnung, kein Einzelfall unter Flüchtlingen.

Ein Abbild der ukrainischen Gesellschaft

Ratlos und kopfschüttelnd aber reagiert Alexa, als sie von den Animositäten zwischen Plattform e. V. und dem Kolibri-Begegnungszentrum erfährt. Auch das zu Plattform gehörende Ukrainische Koordinationszentrum rückt den Interkulturellen Verein in die Nähe Moskaus.

Wir begegnen heute schon neben der sehr großen Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung auch unangenehmen Vorurteilen

Tetiana Ivanchenko, Journalistin und Vorsitzende des Ukrainischen Vereins Plattform

Der lange Arm des Krieges hat offenbar ein Umgangsproblem radikalisiert, das lange kein offenes mehr war. Ein schwelendes Misstrauen zwischen denen, die den integrativen Gedanken über alles stellen, und jenen, die sich spätestens seit 2022 als Kriegspartei herausgefordert fühlen.

Hinzu kommt das Gefühl einer gewissen Ungleichbehandlung wegen der guten institutionellen Förderung der „Konkurrenz“, während die Mitglieder von Plattform e. V. und das Koordinationszentrum bis zur Erschöpfung ehrenamtlich arbeiten.

Vorstandsvorsitzende ist die junge promovierte Wissenschaftlerin und Journalistin Tetiana Ivanchenko. Vor fünf Jahren kam sie für ein journalistisches Projekt und ihre Promotion nach Berlin – und blieb. Für ein Treffen hat sie keine Zeit. Aber in geschmeidigem Deutsch beschreibt sie schriftlich die Situation der ukrainischen Community in Dresden, die in ihrer Heterogenität ein „Abbild der Gesellschaft in der Ukraine“ sei.

Vermeintlich „prorussisch“

Auf die heikle Frage nach dem Verhältnis zur Dresdner Stadtgesellschaft wie auch zu vermeintlich konkurrierenden Institutionen angesprochen, antwortet Tetiana Ivanchenko ausweichend, aber vielsagend. Der Vorstand habe beschlossen, sich dazu nicht zu äußern, und möchte „nicht in eine für uns unerwünschte Diskussion hineingezogen werden“.

Und sie fügt erklärend hinzu: „Wir begegnen heute schon neben der sehr großen Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung auch unangenehmen Vorurteilen.“

Deutlicher wird bei aller Freundlichkeit der ukra­inisch­stämmige Pfarrer Bohdan Luka, der seit 2004 in den sächsischen und thüringischen Großstädten die ukrainischen Christen der griechisch-katholischen Kirche betreut. In Dresden ist der liebenswürdige Mann mit dem rundlichen Gesicht sehr populär, wird von seinen Landsleuten nur „Vater Luka“ genannt. Auf Kolibri angesprochen, ist aber von der Bergpredigt nach Matthäus 5 nicht viel zu spüren.

Der streitbare „Vater Luka“ betreut ukrainische Gläubige in der Region Dresden Foto: Steffen Kuttner/imago

Den Verein bezeichnet Pfarrer Luka als „prorussisch“. Frau Yefremova habe zwar mehrmals versucht, einen Kontakt herzustellen, räumt er ein „Sie sind von Kopf bis Fuß ein sowjetischer Mensch“, habe er ihr entgegnen müssen.

Geld aus Moskau – und vom Rathaus

Der Krieg hat die Erinnerung an die Verbrechen der vor hundert Jahren begonnenen Sowjetherrschaft gegenüber den Ukrainern wieder kollektiv wachgerufen, auch bei einem Priester. Und der Ex-Geheimdienstler Putin gilt als ein Exponent dieser Sowjetunion und sorgt für makabre Kontinuitäten. Die Ukrainer beobachten gerade jetzt Pilgerzüge zur ehemaligen Putin-Villa aus seiner Zeit als KGB-Offizier in Dresden, heute Sitz der Anthro­po­so­phischen Gesellschaft.

Kolibri-Geschäftsführerin Kristina Daniels möchte zu den ukrainischen Anwürfen am liebsten nur beredt schweigen. „Unerfreulich“ seien das Verhältnis und die Ausladung seitens des Ukraine-Hauses, mehr kommentiert sie nicht.

Auch das Deutsch-Russische Kulturinstitut in einer hübschen Zwiebelturmvilla wollte sich schon vor einem Jahr nicht äußern, verlangt aber jetzt von der taz eine Entschuldigung für damals aus anderen Quellen beschaffte Angaben.

Zum Beispiel zu der Frage, ob es weiterhin von der für die russische Propaganda in der Diaspora gegründeten Stiftung Russki Mir (Russische Welt) getragen wird, also eine Exklave des russischen Staates ist. Das Institut erhält jährlich noch 15.000 Euro Förderung aus dem Dresdner Kulturrathaus. Es bedient aber mit einem schmalen, lediglich retrospektiv-folkloristischen Programm eher eine geschlossene Gesellschaft.

Die Kirche mischt vorne mit

Ähnlich isoliert ist die Dresdner Russisch-Orthodoxe Kirche. An ihrer Stelle äußert sich auf der Homepage der Moskauer Patriarch Kirill in einer Botschaft an alle „Kinder der Kirche“ vom 17. März des Vorjahres, die an Demagogie nicht zu überbieten ist:

„Doch selbst in den schwierigsten Zeiten der Prüfung hat unser Volk stets Hilfe von der Allheiligen Gottesmutter erfleht, die sich immer als inständige Fürsprecherin der Heiligen Rus erwiesen hat. Richten wir unseren Blick und unser Seufzen an die inständige Fürsprecherin der Christen, sodass auf ihre unablässige Fürsprache der menschenliebende Herr Seine Gnade über unsere Völker kommen lässt und uns festen und unerschütterlichen Frieden schenkt.“

Um Frieden bitten und den Krieg unterstützen – die Dresdner Orthodoxe Kirche gehört zum Moskauer Patriarchat, einer waffensegnenden Stütze der Putin-Clique.

Und wie verhält sich das sächsische Gastgebervölkchen? Pfarrer Bohdan Luka begegnet „die gesamte menschliche Bandbreite – von sehr herzlich bis zur kompletten Ablehnung“. Zur leisen Kundgebung vor der Frauenkirche, die am 24. Februar den Jahrestag des Kriegsbeginns betrauerte, kam immerhin fast die doppelte Anzahl der erwarteten tausend Teilnehmer.

Auch Dresden ist gespalten

Die AfD-Pegida- und Schwurblerdemo auf dem Theaterplatz, einen Tag vor der Wagenknecht/Schwarzer-Demo in Berlin, brachte es nicht ganz auf diese Zahl. Aber elf Tage zuvor, am Zerstörungsgedenktag Dresdens im Zweiten Weltkrieg, wurde Oberbürgermeister Dirk Hilbert eben auch als „Kriegstreiber“ ausgebuht, als er von der russischen Aggression sprach.

Der Volksneid giftet und sieht in den Kaufhäusern nur noch reiche ukrainische Frauen. Die Kassiererin im Supermarkt macht ihrem Ärger Luft, schon mit 63 Jahren verrentete Ukrainer bekämen angeblich von uns üppige Rentenzahlungen, während sie selbst bis 67 schuften müsse. Die Friseurin hat von Flüchtlingen gehört, die hier absahnen, reisen und währenddessen ihre Wohnungen in der Westukraine vermieten. Auch Kinder nicht arbeitender geflüchteter Mütter bekämen privilegiert Kindergartenplätze.

Alexa aus dem Ukraine-Haus hat Ähnliches noch nicht erfahren und verteidigt die Sachsen. Sie sei aber von Russen als „Schlampe“ und schlimmer beschimpft worden, sobald sie als Ukrainerin erkennbar war.

Neben Ressentiments und Stereotypen machen aber auch gutwillige Helfer unangenehme Erfahrungen: Eine Musikerin aus Langebrück, die gleich eine Vierer-WG aufnahm, beobachtete insbesondere bei der jungen „Generation Handy“ bereits das typisch westliche Anspruchs- und Versorgungsdenken.

Differenzierung? Eine Utopie

Und dass Flüchtlinge der ersten Stunde, die seither mit ihrem SUV hier fahren, als Flüchtlinge erster Klasse erscheinen, ist keine Erfindung. Auch hier zeigt sich das von Plattform-Chefin beschriebene Abbild der gesamten ukrainischen Gesellschaft in seiner ganzen Heterogenität

Differenzierte Wertungen und ein tolerantes Miteinander werden in Dresden aber auf absehbare Zeit eine große Herausforderung bleiben. Die 64-jährige Walentyna, die sich im 18 Kilometer entfernten Radeberg endlich eine Einraum­wohnung einrichtet, kann kaum noch an einen Frieden glauben. Denn sie kann sich nicht mehr vorstellen, dass sie und ihre Landsleute die russischen Gräuel jemals verzeihen.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Putin-Villa", Antroposophische Gesellschaft, Schrägschwurbler-Demos:



    Kommt hier zusammen, was zusammen gehört?

  • Ich werde nicht so richtig schlau, was der Autor des Artikels eigentlich ausdrücken will...



    Was mir aber groß aufstößt, ist, dass er hier zwei Vereine vergleicht, die von ihrer Infrastruktur und ihren Möglichkeiten absolut nicht zu vergleichen sind...

    Wenn er auch nur eine ungefähre Ahnung davon hätte, dann wäre sein Loblied auf Kolibri und seine Kritik an Plattform etwas differenzierter ausgefallen.



    Kolibri ist ein Verein, welcher seit vielen Jahren existiert, welcher eine institutionelle Förderung der Stadt DD bekommt und welcher Räume, Angestellte, eine Geschäftsführung und eine gewachsene Infrastruktur hat. Weiterhin ist die Art und Weise, wie dies alles erreicht wurde zwar total legitim, aber durch Konkurrenzverhalten, Lobbyarbeit und durch "harte Bandagen" geprägt... Ich möchte das gar nicht schlecht reden, aber verbinden ist nicht immer die Stärke des Vereins gewesen.



    Weiterhin sind etliche benannte integrative, interkulturelle Beispiele nur entstanden, weil sich aktuelle Koop. Partner aus Mangel an anderen geeigneten Räumlichkeiten an den Verein Kolibri gewandt haben, selten umgekehrt... Auch keine Kritik, nur klingt es in dem Artikel, als wäre das alles von Kolibri aus entstanden.

    Im Gegenzug ist der Verein Plattform ein Verein, der sich kurz vor dem Krieg zu einem ganz anderen Zweck gegründet hat. Der keine Infrastruktur, Räume, oder Personal, geschweige denn Förderung, oder Rücklagen hatte. Und trotzdem eine Koordinierungsstelle für die ankommenden Geflüchteten, der Zivilgesellschaft und der Stadt DD aufgebaut hat. Und dabei die meisten Aufgaben für die Stadt übernommen hat, da diese lange nicht aus dem Quark gekommen ist.



    Das ukrainische Haus ist das, was sie dafür "bekommen" haben. Einen Raum wie beschrieben-toll. Das ihr Fokus durch ihre Arbeit des letzten Jahres auf Ukrainer*innen liegt wäre nur verständlich. Und doch vernetzen sie sich mit vielen Communities (arab./tschetschen./dt./etc.) in verschiedenen Veranstaltungen auch weg vom ukr. Haus.

  • Tja, dieser Artikel hätte so sicher auch über andere deutsche Städte geschrieben werden können. Von daher ist das Sachsenbashing nicht angebracht....

  • Vielleicht lese ich ja diesen Artikel vollkommen falsch?



    Denn für mich wird in der Hauptsache das schwierige Verhältnis von Russen und Ukrainern beschrieben?



    Dagegen scheinen die Kommentatoren ihr schwieriges Verhältnis zu den Sachsen thematisieren zu wollen?



    Die beschriebenen Eindrücke der Russen und Ukrainer bezüglich ebenjenen Sachsen interessieren die Kommentatoren weniger:



    „ Auch Alexa lobt geradezu überschwänglich die sächsische Hilfsbereitschaft und lässt sich davon nicht durch die russlandfreundlichen Demonstrationen abbringen. Ungeachtet gesellschaftlicher Zerrissenheit imponiert ihr hier besonders die funktionierende Ordnung, kein Einzelfall unter Flüchtlingen.“

    • @Thomas Kühnelt:

      Nein sie lesen schon richtig. Bei uns in Sachsen gibt es ganz unterschiedliche Menschen, oh wunder, so wie überall. Ok, bei uns gibt es wohl ein paar mehr A********** als im superlinksliberalen Berlin, aber nicht so viele wie es schnell mit Wahlstatistiken herbeigeredet wird. Es gibt sogar eine Schnittmenge von AfD-Wählern, die Flüchtlingen helfen. Weil sie nicht die fliehenden Menschen, sondern die deutsche Politik dafür verantwortlich machen, dass vermeintlich zu viele von diesen hier sind.

      Wie dem auch sei, sobald "Sachsen" irgendwo bei der taz drübersteht, kommt halt der Mob und schimpft ganz allgemein über uns weil ist en vogue und kein bisschen un-PC. Wir dummen Fascho-Ossis haben das gefälligst hinzunehmen.

  • Was differenzierte Wertungen und ein tolerantes Miteinander in(Dresden) Sachsen anbelangt sieht es trüb aus.



    AfD-29%. Eine CDU die einen unsinnigen Spagat zwecks Machterhaltung betreibt.



    Die Restparteien sind zu vernachlässigen.



    Anschließe mich SURYO(11:40).



    Pilgerzug in die Vergangenheit



    www.deutschlandfun...n-dresden-100.html

  • @GÜNTER PICART

    Der feine Unterschied ist, dass Merz danach von Sozialtourismus im Kontext ukrainischer Geflohener faselt.

    Sollte Ihnen das entangen sein.

  • "Die Friseurin hat von Flüchtlingen gehört, die hier absahnen, reisen und währenddessen ihre Wohnungen in der Westukraine vermieten."

    Tjo. Das hat sie von Friedrich Merz gelernt. Derselbe, der "rah, rah, rah" Kriegstourismus nach Kyiv machte.

    Und so 'ne Partei ist bald wieder auf 30%. Bitter, nicht wahr?

    • @tomás zerolo:

      Das hat sie nicht erst von Merz gelernt, sondern spätestens (!) 2015 von Pegida. Dresden ist und bleibt eine Hochburg der populärextremistischen Niedertracht.

    • @tomás zerolo:

      Nach Söder der mit dem größten Mundwerk, erfolgreich auf die Vergesslichkeit der Leute bauend. Er wollte die AfD halbieren, die ist aber seit seinem dritten erfolgreichen Anlauf noch größer geworden, 20 bis 50%. Und die Medien versagen wie bei Merkel auch bei Merz. Seine Attacken (ASZ hat voll Recht) auf die derzeitige Regierung sind Attacken auf Merkel, denn die hat die jetzige Lage wesentlich zu verantworten.

    • @tomás zerolo:

      Viele Deutsche sind halt auch in der Vergangenheit und steckengeblieben und denken Kriegsflüchtlinge hätten wie 1945 auszusehen. Dabei waren bei dem Angriff auf Kiev die wohlhabsensten Vororte betroffen. Es ist also kein Wunder dass da Leute mit hochwertigen Autos flüchten. Die Ukraine ist ja kein Entwicklungsland.

      • @schnarchnase:

        Aber wenn die Flüchtlinge tatsächlich mittellos sind, wird ihnen zB in Leipzig, aber auch am Rande der Wagenknecht-Schwarzerschen Demo „Ihr Schweine, ihr lebt auf unsere Kosten!“ oder Ähnliches ins Gesicht geschrien.

        Die ganzen „Argumente“ sind nichts anderes als der Versuch, den eigenen Unwillen, von diesem Krieg behelligt zu werden, zu rationalisieren. Und natürlich zutiefst heuchlerisch. Warum ist zB Petr Bystron nicht in seine Heimat zurückgekehrt? Schließlich ist die Tschechei schon lange nicht mehr kommunistisch und der Fluchtgrund entfallen. Und dass man in Westdeutschland 1989 von den dort ankommenden Ostdeutschen ganz selbstverständlich als Flüchtlingen sprach, ist einigen Herrschaften in Ostdeutschland offenbar auch entfallen.

        • @Suryo:

          Ja, man hat die Ostdeutschen als Flüchtlinge behandelt und als Faulenzer etc... Dabei waren sie doch Brüder. Und dann wundert man sich, dass ein Teil von Ihnen sich im Vereinten Deutschland nicht wohlfühlt. Den 2. WK hatte ganz Deutschland verloren. Auf die Angleichung der Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse warten wir noch heute. (Danke. Mir, 51, geht's gut wirtschaftlich. Und als Sohn eines ostdeutschen Pfarrers auch immer systemfern gewesen.)

          • @Fritz Förster:

            Ach herrje, die fühlen sich nach über 30 Jahren „nicht wohl“. Dann könnten die Türken ja erst recht Randale machen.