Ukraine debattiert über Nato-Versprechen: Ernüchterung in Kiew
Auf die Nato-Entscheidung folgt Enttäuschung aus der Ukraine. Aber nicht nur die Nato, sondern auch Selenskis Auftritt wird kritisiert.
„Sehr, sehr, sehr schade“, kommentierte der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk auf seinem Twitter Account die Entscheidung von Vilnius, der Ukraine keinen festen Fahrplan für einen Nato-Beitritt zu geben. Der Politologe Wolodymyr Fesenko kommentierte die Entscheidung am späten Abend auf seiner Facebook-Seite als „etwas enttäuschend“.
Gleichzeitig, so Fesenko, müsse man realistischerweise erkennen, dass eine derartige Entscheidung von Anfang an sehr unwahrscheinlich gewesen sei. Solange der Krieg zwischen der Ukraine und Russland andauere, werde die Nato die Ukraine nicht aufnehmen, so Fesenko, wolle sie doch die Risiken eines direkten militärischen Konfliktes mit Russland und somit auch eines Atomkrieges vermeiden.
Selenskis Enttäuschung über einen fehlenden Zeitplan sei verständlich, ordnete auch der in Odessa lebende anarchistische Blogger Wjatscheslaw Asarow ein. Wer aus der früheren Sowjetunion komme, halte nicht viel von Versprechen einer „strahlenden Zukunft“, sei dieses doch gleichbedeutend mit dem religiösen Versprechen eines Glücks nach dem Tod.
Vorsichtiger Optimismus nach der Enttäuschung
Selenski habe klar sein müssen, dass kein Land der Nato einen direkten Konflikt mit der Atommacht Russland will. Zumal das Bündnis einem direkten Konflikt mit einem weitaus totalitäreren Staat als Russland – Nordkorea – aus dem Weg geht. Letztendlich bedeute die zeitlich nicht klar angegebene Beitrittszusage, dass die Ukraine wohl erst in die Nato könne, wenn sich Russland selbst grundlegend ändert, so Asarow.
Für den Wirtschaftswissenschaftler Olexandr Kirsch ist die Entscheidung von Vilnius einfach nur „eine Schande“. Generalsekretär Stoltenberg, der „armselige Generalsekretär eines armseligen Blocks“, habe nur schwer seinen Unmut über eine Entscheidung, die er offensichtlich nicht mitgetragen habe, verbergen können, analysierte Kirsch auf dem ukrainischen Portal obozrevatel.com.
Doch schon am Mittwochvormittag wich die Enttäuschung einem vorsichtigen Optimismus. Für Mariia Zolkina, bei der ukrainischen Democratic Initiatives Foundation Leiterin der Abteilung für „Regionale Sicherheits- und Konfliktstudien“, hat die Ukraine das Maximale dessen bekommen, was herauszuholen war.
Diskutiert wird in der Ukraine auch Selenskis Kommunikation. Selenski, der eine Fahne der in Bachmut kämpfenden Sturmbrigade „Edelweiß“ nach Vilnius mitgebracht hatte, hatte in einer wenig diplomatischen Wortwahl die Entscheidung der Nato kritisiert.
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Der ukrainische Diplomat Waleri Tschali Selenskis mahnte Selenski, es sei nicht sinnvoll, auf die Partner „emotional Druck auszuüben.“ Man solle jetzt nicht verrückt werden, „alle mit Emotionen zuschütten“, so Tschali. Selenskis Verhalten sei „nicht professionell“, so Tschali.
Demgegenüber glaubt der Politologe Wolodymyr Fesenko, Selenskis „sehr emotionales Auftreten“ sei gut für die Sache. Die „emotionale und harte Rhetorik“ habe schon in der Vergangenheit Ergebnisse gebracht, wenn auch nicht sofort. Er habe so Druck auf die Amerikaner ausgeübt und habe dann Erfolg gehabt, bei den Patriot-Raketen und bei der Luftabwehr. Auch bei Deutschland, so Fesenko gegenüber Nastojaschee Vremja, habe dieses Vorgehen Ergebnisse gezeigt.
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