Trump und AfD: Nicht in die Falle tappen
Eine weitere Amtszeit Donald Trumps als Präsident ist eine reale Gefahr. Die Dynamik der Rechten muss gebrochen werden – nicht nur in den USA.
D iesen Montag beginnt im US-Bundesstaat Iowa nun tatsächlich die Vorwahlsaison der Republikaner, an deren Ende aller Wahrscheinlichkeit nach Donald Trump erneut als Präsidentschaftskandidat gekürt werden wird. Das allein ist schon deprimierend – könnte aber auch eine gute Nachricht sein, wenn denn sicher davon auszugehen wäre, dass sich die US-Konservativen mit der erneuten Nominierung dieses narzisstischen, hochstapelnden Lügners und notorischen Gesetzesbrechers selbst ins Aus schießen. Nur: In allen Umfragen zur Wahl im November liegen der amtierende demokratische Präsident Joe Biden und Donald Trump derzeit praktisch gleichauf, mit Vorteilen für Trump.
Das erzeugt Ängste, nicht nur in den USA, und immer noch Unverständnis. Wie kann man nur? 2020 brachte diese Angst vor einer weiteren Trump-Amtszeit Biden ins Amt, der mit einer historischen Rekordzahl an Stimmen gewählt wurde. 2016 hatte das mit Hillary Clinton noch nicht funktioniert – einerseits, weil sie unfassbar unbeliebt war, andererseits, weil sich damals noch fast niemand vorstellen konnte, dass Trump wirklich gewinnen könnte – Michael Moore und Bettina Gaus ausgenommen.
Diesmal ist es andersherum: Vielen fehlt inzwischen die Vorstellungskraft, wie Trump zu verhindern sein könnte. Und: Es ist frustrierend und ermüdend, ständig in der Defensive zu sein, zur Verteidigung eines wahrlich nicht perfekten demokratischen Systems, für Minderheitenrechte, Klimaschutz, Pressefreiheit und zivilen politischen Diskurs eintretend. Es scheint, als sei zum Gestalten kein Spielraum mehr; im Vordergrund steht die Abwehr dieser Welle aus völkischem Rassismus, Vorurteilen und verschwörungsideologischen Lügengeschichten.
Nimmt man die aktuellen Reden Joe Bidens zum Maßstab, dann schätzt es auch sein Wahlkampfteam so ein, dass Bidens Weg zur Wiederwahl nur über eine Anti-Trump-Mobilisierung funktioniert. Statt über seine eigenen Errungenschaften – die es ja gibt! – oder seine Pläne für die Zukunft zu sprechen, redete Biden über Trump, über dessen Versuch, das Wahlergebnis von 2020 in sein Gegenteil zu verkehren, die Gefahr für die Demokratie, die von Trump ausgeht. Alles daran ist richtig – und trotzdem tappt Biden so direkt in die Falle, die von den Trumps dieser Welt inzwischen in fast allen westlichen Demokratien ausgelegt wird.
Je dystopischer der Rechtspopulismus im Verbund mit faschistischen Kräften die Gegenwart zeichnet – Illegale Masseneinwanderung! Bevölkerungsaustausch! Klimalüge! Kriminalität! Elitenherrschaft! –, desto mehr sehen sich liberale Demokrat*innen gefordert, ständig nachzuweisen, dass das alles Quatsch ist – und laufen dabei Gefahr, reale Probleme kleinzureden und nicht anzugehen. Auch so geht Vertrauen verloren.
Das Phänomen geht längst über die USA hinaus. In diesem Jahr, mit Europawahl und drei ostdeutschen Landtagswahlen, bei denen die rechtsextreme AfD stärkste Partei zu werden droht, ist die steigende Sorge vor einem neuen Faschismus inzwischen zumindest in linksliberalen Bevölkerungsteilen zur bestimmenden politischen Emotion geworden. „Nie wieder ist jetzt!“ meint ja längst mehr als die Sorge um die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland.
Selbsterfüllende Prophezeiung
Aber wir stellen auch frustriert und ungläubig fest, dass das kein allgemeines Gefühl jener großen Mehrheit ist, die nicht AfD wählt. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang klagte diese Woche, die Öffentlichkeit habe immer noch nicht begriffen, wie groß die rechtsextremistische Bedrohung inzwischen ist. Und so fallen die politischen Gefühls-, Informations- und Erlebniswelten immer weiter auseinander. Der inhaltsbezogene Streit um die richtige Lösung, den Demokratie braucht wie die Luft zum Atmen, wird immer schwieriger zu führen. Damit wird das rechte Gerede von der dysfunktionalen Demokratie zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Die umstürzlerische Rechte braucht nicht einmal Mehrheiten, um ihr Zerstörungswerk von innen und außen voranzutreiben.
Die Dynamik ständigen Wachstums der Rechten muss gebrochen werden, sie muss Rückschläge erleben. In den USA 2020, in Brasilien 2022 und in Polen 2023 ist es gelungen, solche Regierungen wieder loszuwerden, bevor ihre Macht absolut geworden ist. Damit sind sie natürlich nicht weg, aber erst einmal gedämpft. Es dreht die Dynamik um, wenn in Zahlen zu sehen ist, dass diese selbsterklärten wahren Vertreter des Volkes genau das eben nicht sind. Genau deshalb behauptet ja Donald Trump so hartnäckig, er habe in Wirklichkeit gewonnen. Irgendwann kann man diese Leute rechts liegen lassen. Bis dahin: Organisieren, gute Vorschläge machen und Wahlen gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag