Tod der Journalistin Shireen Abu Akleh: Streit um unabhängige Untersuchung
Nach den tödlichen Schüssen schieben sich Israelis und Palästinenser:innen gegenseitig die Schuld zu. Forderungen nach Aufarbeitung werden laut.

Shireen Abu Aklehs Sarg wird durch die Menge getragen Foto: Ammar Awad/rtr
TEL AVIV taz | Tausende Palästinenser:innen versammelten sich am Donnerstag zur Trauerfeier für die Al-Dschasira-Journalistin Shireen Abu Akleh, die am Vortag in Jenin durch eine Kugel getötet worden war. Dichtgedrängt folgten sie der Prozession, bei welcher der in eine palästinensische Fahne gewickelten Leichnam durch die Straßen Ramallahs getragen wurde.
Auch am Folgetag ist der Hergang ihres Todes nicht genau aufgeklärt: Israel, dessen Außenministerium am Mittwoch in einem getwitterten Video nahegelegt hatte, dass Abu Akleh „wahrscheinlich“ durch Schüsse von militanten Palästinenser:innen getötet worden sei, ruderte mittlerweile zurück. Es bleibe unklar, ob Abu Akleh von Palästinenser:innen oder vom israelischem Militär getötet worden sei, betonte Aviv Kohavi, Kopf von Israels Militär.
Die Nichtregierungsorganisation B’Tselem, die Menschenrechtsverstöße in den palästinensischen Gebieten dokumentiert, hatte das getweetete Video analysiert und kam zu dem Schluss, dass die „palästinensischen Schüsse, die vom israelischen Militär verbreitet wurden“, „nicht die Schüsse sein“ können, „die die Journalistin Shireen Abu Akleh getötet haben“. Das deckt sich mit den Berichten von zwei Augenzeug:innen, die das israelische Militär beschuldigen.
Laut der israelischen Zeitung Ha’aretz wurde die tödliche Kugel von einem Typ Sturmgewehr abgeschossen, das sowohl von militanten Palästinenser:innen als auch von Israels Militär verwendet wird. Abu Akleh sei aus einer Entfernung von etwa 150 Metern getroffen worden.
„Sie haben das Verbrechen begangen, wir trauen ihnen nicht“
Internationale Untersuchung nötig
Die internationalen Stimmen nach einer unabhängigen Untersuchung werden immer lauter. Uneinigkeit gibt es jedoch über die Frage, was genau „unabhängig“ bedeutet: „Man kann die Israelis nicht fragen, dass sie sich selbst untersuchen, wenn sie seit über 70 Jahren die Menschenrechte verletzen, und erwarten, dass sie nach all den Jahrzehnten zu einem anderen Ergebnis kommen als bisher“, sagte Ahmad Abuznaid, Direktor der US-Kampagne für die Rechte der Palästinenser.
Israel bot eine gemeinsame Untersuchung an, die meisten Palästinenser:innen sehen dies jedoch als leere Geste. Auf der Trauerfeier wiederholte Palästinenser:innen-Präsident Mahmud Abbas seine Absage dazu: „Sie haben das Verbrechen begangen, und wir trauen ihnen nicht.“ Die Palästinensische Autonomiebehörde werde sich stattdessen „sofort an den Internationalen Strafgerichtshof wenden.“
Die Ankündigung einer gemeinsamen Untersuchung von Außenministers Jair Lapid reiche nicht aus, schrieb die international tätige Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen in einer Presseerklärung: „Es muss so schnell wie möglich eine unabhängige internationale Untersuchung eingeleitet werden.“
Seit 2018 sind laut Reporter ohne Grenzen mehr als 140 Journalist:innen durch israelische Sicherheitskräfte verletzt worden, seit 2000 wurden außerdem mindestens 30 getötet. Israel steht auf Platz 86, die Palästinensischen Gebiete auf Platz 170 von 180 Staaten der Rangliste der Pressefreiheit.
Leser*innenkommentare
ingrid werner
was soll das pamphlet wieder mal? Es geht um die Aufklärung einer Tötung (wie sie in den Gebieten quasi jede Woche vorkommt), diesmal einer bekannten Journalistin, darauf haben die Angehörigen einen Anspruch. darum muss man gar nicht viel Text machen. Und da Israel es mit Aufklärung bei Tötung v Palästinensern durch durch israel. Sicherheitskräfte nun mal erwiesenermaßen nicht so genau nimmt, müssen unabh. Organisationen denen auf die Finger schauen, ganz einfach. Das läuft bei derartigen Fällen in anderen Ländern nicht anders.
ingrid werner
@ingrid werner @Günter speziell Samstag,19:56
cuba libre
Die Filmaufnahmen lügen ja nicht. Eine Riesensauerei, was die israelische Polizei sich da geleistet hat.
Man stelle sich das nochmal vor. Auf einem Beerdigungszug wird reingeknüppelt, was das Zeug hält.
Günter
B'Tselem ist eine Angelegenheit der Menschen in Israel.
Dass man bei uns B'Tselem als Kronzeuge für die ewige Unruhe des deutschen Christenmenschen ins Herz geschlossen hat, verseht sich von selbst. Wer weiß, was in solchen Leuten vorgeht, wenn sie ihre Gebete sprechen, etwa unter der "Sandsteinplastik" der Stadtkirche zu Wittemberg. Eine nähere Betrachtung - in all ihren Schasttierungen - wäre hier angebracht. Selbst wenn's durch die Jahrhunderte zu nichts geführt hat.
Günter Picart
@Günter B'Tselem hat in diesem Fall aber sehr gute Aufklärungsarbeit geleistet und den Versuch, den Tod der Journalistin durch eine verirrte Palästinenserkugel zu erklären, so offensichtlich entlarvt, dass schon nach wenigen Stunden keiner mehr davon sprach. Das ist eine Art Bellingcat-Aktion gewesen.
theintercept.com/2...-akleh-al-jazeera/
Henriette Bimmelbahn
@Günter Picart Der Tod der Journalistin durch eine verirrte Palästinenserkugel ist keineswegs klar, aber auch keineswegs unmöglich, wenn auch der arabische Jubelruf über einen am Boden liegenden vermeintlichen israelischen Soldaten an anderer Stelle war.
Wichtig wäre es z.B. gewesen zu wissen aus welcher Richtung die tödliche Kugel in ihren Kopf eingetreten ist. Shireen Abu Akleh wurde allerdings innerhalb von 2 Tagen beerdigt. Religiöse Gründe - mWn war sie orthodoxe Christin - hatte das wohl nicht. Aber welche Gründe hatte es?
Auch das Projektil selbst soll nicht zur Untersuchung freigegeben werden. Einen glaubhaften Grund habe ich noch nicht gehört.
Nur wenige Stunden nach dem Tod der Journalistin gab es aber bereits eine Reihe von Leuten - allen voran der lebenslange Palästinenserpräsident - die behaupten, Israel habe die Frau getötet, natürlich ohne jegliche Untersuchung, geschweige denn Beweise.
Rufmord und Hatespeech.
Günter Picart
@Henriette Bimmelbahn Das ist doch von Bellingcat plausibel geklärt worden. Gerade die Richtung des Beschusses ist sehr gut ermittelt und ein wichtiges Indiz. Eigentlich reicht es, sich das Video anzuschauen. Dass die Helfer im Visier eines Scharfschützen stehen und nicht in irgendeinem Kreuzfeuer, ist sofort erkennbar.
Henriette Bimmelbahn
@Günter Picart Die Richtung des Beschusses ist *im Video* gut zu sehen.Nur: Videos können leicht manipuliert werden. Es reicht das Video an bestimmten Stellen einfach abzubrechen. Beispiel:
www.mena-watch.com...toedlichen-folgen/
Nein, ein Video ist keineswegs ein Beweis. Ein Beweis ist das Ergebnis einer UNTERSUCHUNG.
Günter
@Günter Picart Ach verehrter Herr Picart, ich weiß nicht aus welcher Perspektive Sie auf Middle East blicken. Die Perspektive meiner getauften Brüder und Schwestern im Glauben habe ich nie verstanden. Anstatt die enormen beispielhaften Leistungen der jüdischen community zu würdigen, wie diese es schaffen, nach dem Holocaust, im heiligen Land den schmalen Grad zwischen dem eigenen Überleben und den berechtigten Interessen aller Religionen und Ethnien zu meistern, haben unsere NGO's im heiligen Land nichts anderes zu tun, als Juden zu suchen, die was falsch macht, um es dann wie eh und je der ganzen Welt zu erzählen. Und das hier, wo sind die aufgebrachten Kommentare, wenn's bei uns überhaupt berichtet wird?? edition.cnn.com/20...ck-intl/index.html
Wenn überhaupt, sollte meine community nach Israel reisen um dort zu berichten wozu Judenhass führen kann.
Und lesen Sie auch hier....www.boell.de/de/de...inenser-13372.html
....so verpackt man neue, der Zeit angepasste Geschichten in Jahrhunderte alten Muster und verkauft es als „Schriften zur Demokratie“. Die innere Unruhe des quälenden Ressentiments, des ontologisch kognitiven Modell der Deutschen über die Juden wird hier mühevoll über 300 Seiten zusammengetragen. Was geht in diesen Leuten vor? . Halten wir durch, auch wenn es zu Tode langweilt, alles, was wir schon tausend mal gehört haben schon wieder zu lesen. Aber die Sache läuft bei uns wie am Schnürchen; schlagen wir dann die „alten Protokolle“ auf, werden uns die Knie weich vor Angst, wie sich die Muster ähneln. Aber kämpfen?..In Europa waren wir es nicht gewohnt, dass Juden kämpfen. Ja, allen in Europa sei es gestattet für die Freiheit zu kämpfen aber jene, die vor dem sicheren Tod in den Gaskammern nur fliehen konnten ruft man aus Europa Apartheid hinterher, wenn sie sich nicht dreinfügen wollen, sondern dort um's Überleben kämpfen. Nichts hat sich geändert.
Pepi
@Günter Stimme zu. Es ist einfacher für die Arabischen Länder die Palästinenser weiter in Lagern durch die Internationalen Organisationen alimentieren zu lassen, als sie zu integrieren. So sind aus ehemals 700000 Vertriebenen mittlerweile 2 Millionen mit Flüchtlingsstatus geworden.
ingrid werner
@Pepi Verstehe ich nicht. geht es hier um die Verantwortung der IDF für ihre Handlungen und die Aufklärung wenn jemand zu Tode kommt (ist doch normal in einem demokrt Staat, nicht?)oder um die Integration v Flüchtlingen in anderen Ländern?
Stubi
Der Trauerzug wurde von Israelischen Polizisten gewaltsam unterbrochen.
Beim "entfernen" einzelner Teilnehmer und mehrerer Mitgebrachter Palästina-Flaggen ist der Sarg beinahe heruntergefallen.
Quelle:www.bernerzeitung....salem-819986439015
Finde es schade, wird in der Taz so etwas einfach ignoriert. Der Artikel hier wurde ja auch aktualisiert, wo bleibt dann dieses Ereignis und eine Einordnung dazu?
Ohnegott
Die palästinensische Regierung hat Angeboten eine Untersuchung durch die USA und nun der internationale Gerichtshof. Damit ist die israelische Regierung nicht einverstanden. Eine unabhängige Untersuchung wird dadurch von der israelischen Regierung abgelehnt.
h3h3y0
@Ohnegott Quelle?
Ohnegott
@h3h3y0 “They are the ones who committed the crime, and because we do not trust them, we will immediately go to the International Criminal Court,” Abbas said.
www.aljazeera.com/...illing-idf-sources
h3h3y0
@Ohnegott Und das mit den USA?
Abbas hat bereits entschieden, dass Israel für die Tat verantwortlich ist und will damit zu ICC, weil er erwartet, dass der ICC ihn darin bestätigt. Da fragt man sich, wie unabhängig und vor allem objektiv eine Untersuchung duch den ICC sein wird.
Papalucas
“Die moralischste Armee der Welt”.
Leider ändert es nichts an der Tatsache wer geschossen hat, da es nicht der erste und auch nicht der letzte Mord war und sein wird. Die Besatzung muss enden. Punkt. Vielleicht enden dann auch eines Tages die tödlichen Übergriffe einer jungen perspektivlosen palästinensischen Generation.
Moral heißt nicht Menschenrechte mit Füßen treten.
Jim Hawkins
@Papalucas Und wenn die Besatzung endet, wer wird dann die Macht im Westjordanland haben?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins Sie nicht!
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Sie aber auch nicht. Wahrscheinlich die Hamas oder was meinen Sie?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins gähn!
h3h3y0
@christine rölke-sommer Ob Israelis/Juden, die wahrscheinlich mit noch mehr Terror rechnen müssen, sollte Hamas in Westjordanland an die Macht kommen, es ebenfalls als "gähn" empfinden.
655170 (Profil gelöscht)
Gast
@h3h3y0 Meinen Sie "noch mehr Terror" als den, dem die Palästinenser durch die israelische Besatzungsmacht ausgesetzt sind?
Das ist nämlich das Dilemma: Dass beide Seiten, Israel und die Hamas, die Bürger der jeweils anderen Seite terrorisieren.
Günter
@655170 (Profil gelöscht) Bevor sie über Menschen, die über die halbe Welt vor uns fliehen mussten als "Besatzungsmacht" urteilen, lesen Sie doch hier mal nach:
www.yadvashem.org/...locaust/about.html
und hier:
www.yadvashem.org/...urder-in-ussr.html
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Wir kommen aber auch nie auf einen grünen Zweig.
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins muß ja auch nicht sein.
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Und wer würde dann die Macht haben?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins wofür müssen Sie das wissen?
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass es die Hamas sein würde. Sie ist nun mal die stärkste Kraft und Abbas verschiebt die Wahlen ein ums andere Mal, weil die Umfragen für einen Sieg der Hamas sprechen.
Also hätte nach einem Rückzug Israels aus dem Westjordanland die Hamas ein größeres Territorium, auf dem es totalitär herrschen würde und Israel aus zwei Gebieten angreifen könnte.
Wem wäre damit geholfen?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins kurzum: Sie wollen palästinenserinnen nicht frei wählen lassen.
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Natürlich. Mir scheint nur, sie haben nicht das Recht auf eine freie Wahl.
Keine Meinungsfreiheit, keine Versammlungsfreiheit, kurz gesagt, gar keine bürgerlichen Freiheitsrechte.
Die Frauen noch weniger als die Männer und Homosexualität kann das Todesurteil bedeuten.
www.amnesty.de/inf...rt/palaestina-2021
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins soll ich Ihnen jetzt den apartheid-bericht von ai verlinken?
www.amnesty.de/inf...ische-gebiete-2021 liest sich auch nicht besonders prickelnd.
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Ich dachte, es ginge ihnen um die freie Wahl.
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins Ihnen ja nicht.
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Wie kommen Sie darauf? Ich sagte doch, dass ich für freie Wahlen bin.
Nur ist es so, dass es dort keine freien Wahlen gibt. Weil es eben keine Freiheit gibt.
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins schtümmt, nur besatzung.
Lästige Latte
@christine rölke-sommer Ihre Wortkargheit ist mir neu,
aber sie sitzt trefflich.
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Und würde es keine Besatzung geben, wären dann Fatah und Hamas demokratisch?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins was sagt Ihre glaskugel?
Jim Hawkins
@christine rölke-sommer Na ja, momentan sieht es nicht danach aus. Es scheint sich um islamistische antisemitische Überzeugungstäter zu handeln. Nach allem, was sie selbst sagen.
Was meinen Sie?
christine rölke-sommer
@Jim Hawkins wer sagt da was? wo?
h3h3y0
@christine rölke-sommer zum Beispiel Yahya Sinwar:
www.mena-watch.com...ynagogen-weltweit/
Lästige Latte
@Jim Hawkins jedenfalls demokratisch gewählt
BluesBrothers
@christine rölke-sommer Eine Frage mit einer Gegenfrage "beantworten", man muss die Eristische Dialektik ja nicht wörtlich nehmen.
christine rölke-sommer
@BluesBrothers ich wüßte es gern!
Jim Hawkins
Was spricht gegen eine gemeinsame Untersuchung? Das hat Israel doch angeboten.
Obscuritas
@Jim Hawkins Dagegen spricht, dass sowohl die Experten aus Israel, als auch die aus Palästina mit großer Wahrscheinlichkeit voreingenommen sind.
Bei 2 Kriegsparteien ist es immer eine gute Idee eine unabhängige 3ten Partei die Untersuchung zu überlassen.
Zitat: "die meisten Palästinenser:innen sehen dies jedoch als leere Geste"
Wie soll bei der Vorraussetzung bitte dem Anschließenden Ergebniss vertraut werden?
Im Grund spricht nichts für eine gemeinsame Untersuchung.
Ich glaube nicht einmal, dass diese überhaupt sinnvoll durchgeführt werden könnte.
655170 (Profil gelöscht)
Gast
@Obscuritas Zustimmung - mit einer Korrektur am ersten Satz:
Beide, Palästinenser wie Israelis, wären mit absoluter Sicherheit voreingenommen.
Das zeigen doch die reflexhaften Schuldzuweisungen beider Seiten gegen die jeweils andere ultrakurz, nachdem Frau Akleh erscossen worden war.
Die "gemeinsame Untersuchung", von der israelischen Administration angeboten, ist tatsächlich nur eine leere Geste.
Trebla
@Obscuritas Glaube in Ehren, aber eine Untersuchung hat den Zweck Unterstellung zu beenden.
sachmah
@Trebla Also eine Untersuchung dazu ob eine Untersuchung (Obduktion) sinnvoll durchgeführt werden kann?
Ohnegott
@sachmah Abbas fordert eine Untersuchung durch den International Criminal Court. Wenn eine unabhängige Untersuchung gewährleistet kann, dann durch ihn. Israel hat dies bereits abgelehnt.