Getötete Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu Akleh: Beerdigung von Gewalt überschattet
Israelische Sicherheitskräfte haben am Freitag die Trauerprozession gestürmt, dabei fiel der Sarg fast zu Boden. EU, UNO und USA kritisieren den Einsatz scharf.
Die 51-jährige Schirin Abu Akleh gehörte zu den bekanntesten Journalistinnen des in Katar ansässigen arabischen Senders Al Jazeera. Die Palästinenserin, die auch die US-Staatsbürgerschaft besaß, war am Mittwoch bei der Berichterstattung über einen israelischen Militäreinsatz in Jenin im Norden des Westjordanlandes von einer Kugel in den Kopf getroffen worden.
Israel und die Palästinenser machten sich gegenseitig für den Tod der Journalistin verantwortlich. Später räumte Israel ein, Abu Akleh könne auch durch einen Schuss von israelischer Seite getötet worden sein.
Laut einem von der israelischen Armee veröffentlichten Zwischenbericht zu den Ermittlungen „ist es nicht möglich, die Herkunft des Schusses zu bestimmen“. Abu Akleh sei entweder durch palästinensisches Streufeuer gestorben oder durch einen israelischen Scharfschützen, der militante Palästinenser ins Visier genommen habe. Israel fordert gemeinsame Ermittlungen und die Herausgabe der tödlichen Kugel für eine gerichtsmedizinische Untersuchung. Die Palästinenserbehörde lehnt dies ab.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in einer am Freitag einstimmig verabschiedeten Erklärung den gewaltsamen Tod der Journalistin und forderte „eine sofortige, gründliche, transparente und unparteiische Untersuchung“.
33 Menschen wurden verletzt
Abu Akleh, eine palästinensische Christin, genoss in der Bevölkerung hohes Ansehen. Ihre Beerdigung in ihrer Geburtsstadt Jerusalem zog tausende Menschen an. Als ihr Sarg aus einem Krankenhaus im von Israel annektierten Ost-Teil der Stadt herausgetragen wurde, stürmten israelische Polizisten auf Menschen zu, um palästinensische Fahnen zu konfiszieren. Der Staat Israel verbietet das öffentliche Zeigen palästinensischer Flaggen.
Aufnahmen des Senders Palestine TV zeigten, dass der Sarg beinahe zu Boden fiel, als die Polizisten die Menschen auseinandertrieben. Die Polizei erklärte, sie sei zum Eingreifen gezwungen gewesen, als „gewaltsame Randalierer versucht haben, den Verlauf der Beisetzung zu stören“. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben sechs Menschen fest. Ein Regierungsvertreter sagte, die Trauernden hätten mit „Steinen und Glasflaschen“ geworfen.
33 Menschen wurden nach Angaben des Jerusalemer Rettungsdienstes Roter Halbmond bei der Trauerfeier verletzt. Sechs von ihnen mussten demnach im Krankenhaus behandelt werden.
Die EU zeigte sich auf Twitter „entsetzt“ über die „unnötige Gewalt“ der Polizisten. US-Außenminister Antony Blinken erklärte, er sei „zutiefst beunruhigt“ angesichts der Bilder aus Jerusalem. „Jede Familie hat das Recht, ihre Angehörigen in Würde und ungehindert zur letzten Ruhe zu betten“. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte laut seinem Sprecher ebenfalls „zutiefst beunruhigt“ auf die Gewalt.
Der Leichnam Abu Aklehs wurde dann in einem Fahrzeug in die Jerusalemer Altstadt gefahren und nach einer kurzen Trauerfeier in einer Kirche zum Friedhof auf dem Berg Zion gebracht. Tausende Palästinenser versuchten, dem Sarg bis zum Friedhof außerhalb der Stadtmauern zu folgen.
Die Polizei griff nicht ein, als während des Trauerzuges erneut palästinensische Fahnen geschwenkt wurden, wie afp-Reporter berichteten. In der Altstadt von Jerusalem herrschte nach der Beisetzung angespannte Ruhe.
Bei einem erneuten israelischen Militäreinsatz im Westjordanland am Freitag kam es zu neuen gewaltsamen Zusammenstößen. Ein israelischer Polizist wurde bei einer Razzia in der Nähe des Flüchtlingslagers Jenin verletzt und erlag später seinen Verletzungen, wie die Polizei mitteilte. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden 13 Palästinenser verletzt, einer von ihnen schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus