Ticketkosten im öffentlichen Nahverkehr: Manager gegen billigere Fahrkarten
Chefs von Verkehrsunternehmen sind gegen das 365-Euro-Ticket. Sie wollen erst einen kräftigen Ausbau ihrer Angebote, dann mehr KundInnen.
Beim 365-Euro-Ticket zahlen Kunden für jeden Tag im Jahr einen Euro. Das ist billiger als die heutigen Monatskarten. Damit soll der öffentliche Nahverkehr attraktiver werden. Berlin erwägt die Einführung und möchte dafür auf Fördermittel aus dem Bundesverkehrsministerium zurückgreifen.
Der VDV lehnt ein 365-Euro-Ticket grundsätzlich ab. „Wenn wir Leute anlocken, kommen die in ein volles System“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann, der auch Chef der Münchener Verkehrsgesellschaft ist. Gleichzeitig würde die günstige Jahreskarte nach seiner Auffassung nicht zu weniger Autoverkehr führen. Vor allem Fußgänger und Radfahrer würden auf Bus und Bahn umsteigen. „Der Autofahrer steigt nicht um, wenn es Ticketvergünstigungen gibt“, glaubt Wortmann. Die Stadt Wien, in der es die 365-Euro-Fahrkarte bereits gibt, sei nicht mit der Lage in Deutschland vergleichbar. Dort haben Anbieter und Politik langfristig geplant und die Ausweitung des Angebots vorausschauend vorangetrieben.
Bundesweit würde die Einführung eines 365-Euro-Tickets laut VDV zu Einnahmeausfällen von 4 Milliarden Euro führen. Dieses Geld werde für den Ausbau der Angebote dringend gebraucht. „Wir müssen mehr fahren“, sagte Wortmann. „Wir sind klar gegen weitere Ticketvergünstigungen.“
Doppelt so viel Busse
Im Schnitt kostete eine Fahrt nach Angaben des Verbandes im vergangenen Jahr 1,11 Euro. Dabei werden alle Tickets, also auch Monats- oder Jahreskarten eingerechnet. Der Einzelpreis für die Fahrt in einer Tarifzone liegt im Bundesschnitt bei 2,70 Euro. Der Ausbau des Angebots soll vor allem durch mehr Busse erfolgen. In München müsse die Zahl der Busse von jetzt etwa 500 verdoppelt werden, sagte Wortmann. Der Bedarf in den übrigen Ballungsräumen sei vergleichbar.
Zurzeit sind bundesweit rund 30.000 Busse im Linienverkehr unterwegs, darunter etwa 400 Elektrobusse. Das sind mehr als viermal so viele wie vor einem Jahr. Die Zahl der E-Busse wollen die Unternehmen deutlich erhöhen. Auf dem Land müssten Angebote wie Sammeltaxis und Rufsysteme vorangetrieben werden, sagte Wortmann. Da die Betriebskosten dafür hoch seien, seien dafür öffentliche Mittel erforderlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe