365-Euro-Jahresticket für Nahverkehr: Berliner sollen auf SPD abfahren

Die Berliner SPD spricht sich für ein 365-Euro-Ticket aus – trotz Kritik aus den eigenen Reihen. Zugleich greift sie die Grünen scharf an.

Eine tram fährt ab in Berlin

Wird viel billiger, wenn es nach der SPD geht: Tram in Berlin Foto: dpa

NÜRNBERG/BERLIN taz | Die Berliner SPD will viel öffentlichen Nahverkehr für wenig Geld. In einer Resolution sprach sich die Fraktion der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus für ein 365-Euro-Ticket aus. „Wir haben ein Jahr der Chancen, und wir müssen diese Chancen auch nutzen“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller auf der Klausur der SPD-Fraktion am Samstag in Nürnberg. „Es gab noch nie eine solche Reaktion auf einen Vorschlag der SPD wie beim 365-Euro-Ticket.“

Müller hatte die Idee bereits im vergangenen Juli vorgestellt – mit Verweis auf Wien, das ein solches Ticket bereits 2012 eingeführt hatte. Allerdings blieb es bei der Idee, denn die Finanzierung stand damals in den Sternen. Ein reguläres Jahresticket für das Tarifgebiet AB kostet derzeit mindestens 728 Euro.

Nun aber ist bereits vor der Resolution der SPD-Fraktion Bewegung in die Sache gekommen. Bereits am 10. Januar hat Müller einen Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geschrieben. Der Bund hatte zuvor angekündigt, mehrere Städte bei Pilotprojekten für die Einführung eines 1-Euro-Tagestickets für den öffentlichen Nahverkehr unterstützen zu wollen. Auch Leipzig hat sich darauf beworben.

Ganz unumstritten ist das Vorhaben allerdings nicht, auch nicht in der Berliner SPD. Bereits bevor die 38 SPD-Fraktionäre mit dem Zug nach Nürnberg gefahren sind, hatte sich der verkehrspolitische Sprecher Tino Schopf gegen ein 365-Euro-Ticket ausgesprochen. „Wir können nicht den dritten vor dem ersten Schritt machen“, hatte Schopf dem Tagesspiegel erklärt. Vor einer Einführung müsse zunächst das Angebot massiv ausgebaut werden.

Ein anderes Argument gegen das 365-Euro-Ticket brachte während der Klausur der Geschäftsführer des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes, Bernd Rosenbusch ins Spiel. „Die Erfahrungen aus Wien zeigen, dass es nach der Einführung des Tickets in Wien keine Investitionen in die Infrastruktur mehr gab“, sagte Rosenbusch. „Wenn sie es aus sozialen Gründen machen und Menschen an Mobilität teilhaben wollen, dann machen sie Sozialtickets.“

Michael Müller, SPD

„Die Mobilität der Zukunft muss für alle organisiert werden, und sie muss bezahlbar sein.“

Fast schien es, als stünde Müllers Prestigeprojekt auf der Kippe. Also sprang der Regierende auf der Klausur in die Bresche – als Abgeordneter Michael Müller, wie ihn der Sitzungsleiter aufrief. „Können wir es uns bei den 15 Prozent, die wir gerade haben, leisten, dass wir uns untereinander einen solche Vorschlag kaputt machen?“, fragte er.

Müller erinnerte daran, dass auch bei der kostenfreien Kita Besserverdienende profitieren. Aber dafür profitierten auch ganz viele andere. „Die Mobilität der Zukunft muss für alle organisiert werden, und sie muss bezahlbar sein“, sagte Müller unter großem Beifall. Er versprach, dass die Einführung eines verbilligten Tickets nicht auf Kosten der Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr gehen würde.

Billige Angebote für Schüler und Azubis

Bisher gibt es das 365-Euro-Ticket für Azubis. Schülerinnen und Schüler fahren umsonst. Das Sozialticket kostet 27,50 Euro. Darüber hinaus fördert das Land Berlin das Jobticket. Subventioniert ein Arbeitgeber ein Jahresticket für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 15 Euro im Monat, zahlt die BVG acht Euro dazu. Das AB-Ticket kostet dann nur noch 452 Euro. Bisher hat die BVG mit 250 Berliner Firmen Verträge für ein Jobticket abgeschlossen.

Auf ihrer Fraktionsklausur wollen die SPD-Abgeordneten ihr Profil in der Klimapolitik stärken. „Aber Klimaschutz muss auch bezahlbar bleiben“, forderte Fraktionschef Raed Saleh bei seiner Auftaktrede am Freitag. Saleh attackierte die Grünen, weil sie sich gegen den Ausbau der U-Bahn ins Märkische Viertel wehren.

Auch die ablehnende Haltung der Grünen gegen die Bewerbung Berlins um die Internationale Automobilausstellung IAA war ein Thema. „Wo sollen die Arbeitsplätze in Zukunft entstehen?“, fragte Saleh. „Im Pippi Langstrumpf-Haus in der Villa Kunterbunt?“ Saleh forderte die „liebe Ramana Pop“ auf: „Bekenn dich endlich zum Wirtschaftsstandort Berlin mit der IAA.“

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