Thunberg-Kritik in Frankreich: Alte Körper, alte Argumente
Ist es ihr liebgewonnenes Image als Lustmolche? Warum regen sich alte französische männliche Intellektuelle so über Greta Thunberg auf?
„J’espère qu’un désaxé va l’abattre“, schrieb Bernard Chenebault kürzlich auf seiner Facebook-Seite. Gemeint war Greta Thunberg, von der der Schreiber hoffte, dass sie ein Durchgeknallter zur Stecke bringen möge. Chenebault hat sich mit Facebook genau den richtigen Ort ausgesucht, um dafür einen Durchgeknallten, von dessen Sorte sich auf der internationalen Plattform reichlich Exemplare tummeln, finden zu können.
Recht besehen ist Chenebault selbst so ein Durchgeknallter. Als solcher war er der französischen Öffentlichkeit freilich nicht bekannt, sondern als Präsident der Freunde des Pariser Zentrums für zeitgenössische Kunst Palais de Tokyo, eines Kreises renommierter Kunstmäzene. Dort war die Bestürzung über den barbarischen Hasskommentar natürlich groß.
Das Kollektiv der Fotografinnen La Part des femmes forderte von den Verantwortlichen des Palais de Tokyo, von den Freunden und von der Kulturbürokratie, Konsequenzen zu ziehen. Die schnelle, sicher auch aus Angst vor möglichen juristischen Folgen veröffentlichte Entschuldigung des 67-Jährigen, half ihm nicht mehr: Der Förderverein, so die Bekanntgabe, werde baldmöglichst zusammentreten, um einen neuen Vorsitzenden zu bestimmen.
Bernard Chenebault ist nur einer von vielen
Äußerst merkwürdig an der Sache: Bernard Chenebault ist nur einer von vielen. Einer von vielen alten französischen Intellektuellen oder solchen, die sich dafür halten, die – offenbar weltweit einzigartig – ein besonders heftiges Problem mit Greta Thunberg haben.
Der 84-jährige Bernard Pivot etwa, Präsident der Académie Goncourt, die den besten französischsprachigen Roman des Jahres auszeichnet, wusste auf Twitter, dass die Jungs in seiner Generation hinter den kleinen Schwedinnen her waren, weil sie als viel leichter zu haben galten als die kleinen Französinnen. Und er malt sich die Verblüffung der Jungs aus, wären sie auf eine wie Greta gestoßen.
Michel Onfray, ebenfalls Philosoph und, obwohl erst 60, doch schon erstaunlich alt, gab in einem langwierigen Essay auf seiner Website bekannt, Thunberg sei ein Maschinenwesen mit „Gesicht, Alter, Geschlecht und Körper eines Cyborg“. Auch ihn beunruhigt ihre mangelnde Sexyness zutiefst. Ihren Körper beschreibt er als „fleischlos“, wie der von „Silikonpuppen“; ihr Gesicht wie aus Latex, aufgespannt mit „Stecknadeln des Nichts“.
Starrsinnige Forderung nach Weiblichkeit und Sexyness
Dieses Gesicht nennt dann auch der 70-jährige Essayist und Autor Pascal Bruckner „gruselig“ und mokiert sich darüber, dass Greta Thunberg ihren Autismus wie eine Auszeichnung vor sich her trage.
Was passiert da, bei den alten Franzosen? Fallen sie – mit ihrer starrsinnigen Forderung nach Weiblichkeit und Sexyness als unumgängliche Voraussetzung jedes politischen Diskurses mit Frauen – jetzt selbst auf ihr liebgewonnenes Image als Lustmolche rein?
Warum sehen sie sich in ihrer gesellschaftspolitischen Haltung nicht durch die Argumente, sondern durch die Gestalt Greta Thunbergs herausgefordert? Wollen sie sagen, schon diese Gestalt disqualifiziere jegliche Argumente? Kommen da nicht womöglich die Angst und der Abscheu des alten Mannes vor seinem eigenen, inzwischen kümmerlichen Körper zur Sprache?
Man denke daran, wie Michael Rutschky seinen alternden Körper in seinen Tagebüchern beschrieben hat. Dieser alte Körper ist in Wahrheit doch viel weniger erbärmlich als die alten Argumente.
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