Supreme Court kippt Recht auf Abtreibung: Eine Verletzung von Menschenrechten

Paragraf 219a und das Recht auf Abtreibung in den USA werden am selben Tag gekippt. Es macht klar: Frauenrechte sind nie endgültig gesichert.

Eine Frau mit Sonnenbrille hält ein grünes Banner, im Hintergrund viele andere Protestierende mit Schildern

Foto: Stephen Brashear/ap

Was für eine Ironie der Geschichte: Gerade hatten in Deutschland Fe­mi­nis­t*in­nen die Sektkorken knallen lassen. Nach fünf Jahren Kampf hat der Bundestag am Freitagvormittag endlich Paragraf 219a abgeschafft, das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Ärz­t*in­nen dürfen ungewollt Schwangere künftig auf ihren Webseiten darüber informieren, dass und wie sie Abtreibungen durchführen. Doch dann folgt wenige Stunden später die Schockmeldung aus den USA: Der Supreme Court, das Oberste Gericht, hat das Recht auf Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gekippt.

Vor fast 50 Jahren erklärte eben dieses Gericht in der fundamentalen Grundsatzentscheidung Roe versus Wade, Abbrüche müssten bis zur eigenständigen Lebensfähigkeit eines Fötus zulässig sein, also etwa bis zur 24. Woche. Dieses Recht hat der von Donald Trump während seiner Präsidentschaft deutlich nach rechts gerückte Supreme Court nun revidiert. Abtreibungsrecht wird nun Sache der Bundesstaaten. Fast die Hälfte von ihnen hat seit Jahren Gesetze vorbereitet, um Abtreibungen zu erschweren oder ganz zu verbieten.

So bizarr es auf den ersten Blick anmutet, dass das Ende von Paragraf 219a und die Supreme-Court-Entscheidung auf einen Tag fallen: Es ließe sich kaum besser verdeutlichen, dass der Kampf um körperliche Selbstbestimmung kein linearer ist. Während reproduktive Rechte in Deutschland einen Trippelschritt nach vorne machen, werfen reaktionäre Kräfte die USA um Jahrzehnte zurück. „Nichts ist jemals endgültig gesichert“, sagte schon die Philosophin Simone de Beauvoir über die Rechte von Frauen: „Ihr müsst euer Leben lang wachsam bleiben.“ Wenn selbst ein Grundsatzurteil wie Roe v. Wade Frauenrechte nicht vor wechselnden politischen Machtverhältnissen schützen kann – wie dann kann es gelingen, einmal Erkämpftes abzusichern?

Wo der Zugang zu medizinisch sauberen und sicheren Abbrüchen verwehrt ist, droht Lebensgefahr – weil ungewollt Schwangere sich in der Illegalität in die Hände von Pfu­sche­r*in­nen begeben oder selbst zu spitzen Hilfsmitteln greifen müssen. Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Das Recht darauf, einen Schwangerschaftsabbruch bekommen zu können, gehört dazu. Es ist an der Zeit, Abtreibungsverbote als das zu behandeln, was sie sind: eine Verletzung von Menschenrechten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.