Strom wird immer teurer: Fast Fantasiepreise an der Börse

An den Börsen ist Elektroenergie derzeit viermal so teuer wie normal. Gründe gibt es viele, einige davon sind durchaus politisch gewollt.

5 Windräder und ein halbaufgebautes weiteres auf Wiese vor dramatischem Himmel

Alte Windanlagen sind plötzlich wieder profitabel: Baustelle im Waldgebiet Riesenhagen Foto: Hans Blossey/imago

FREIBURG taz | Man kann es nur Panik nennen: Im Großhandel des deutschen Strommarkts erreichten die Preise in der vergangenen Woche neue historische Höchstwerte. Strom zur Lieferung im kommenden Jahr wurde an der Strombörse in einem sehr unsicheren Markt zeitweilig für mehr als 190 Euro je Megawattstunde (19 Cent je Kilowattstunde) gehandelt. Das ist das Vierfache dessen, was lange Zeit als normal galt.

Die Ursachen der Preisexplosion sind vielfältig. Zum einen gingen die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel deutlich in die Höhe, was logisch ist, da die Europäische Union die zulässigen CO2-Budgets verknappt. Im Januar kostete eine Tonne des Treibhausgases durchschnittlich 31 Euro, im November wurden bereits 65 Euro fällig, und in den vergangenen Tagen stieg der Preis dann auf bis zu 90 Euro – ein Höchstwert seit dem Start des Emissionshandels 2005. Ein solches Niveau verteuert den Strom aus Braunkohlekraftwerken um bis zu 100 Euro je Megawattstunde, den aus hochmodernen Gaskraftwerken um 30 Euro.

Weiterer Treiber der Strompreise sind die gestiegenen Kosten für Erdgas und Kohle. Die Erdgaspreise an den Spotmärkten lagen zuletzt auch wegen geringer Lieferungen aus Russland über 100 Euro pro Megawattstunde und damit fünfmal so hoch wie vor einem Jahr. Der gestiegene Preis resultiert aus der Verknappung: Die Erdgasspeicher in Deutschland sind derzeit mit rund 60 Prozent nur mäßig befüllt, die Vorräte belaufen sich aktuell auf nur 145 Terawattstunden – gegenüber 190 Terawattstunden vor einem Jahr.

Da die Atomkraftwerke und zunehmend auch die Kohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, prägt der Strom aus Erdgas immer stärker das Preisniveau im langfristigen Großhandel. Zusätzlich trägt der politisch gewollte Anstieg des Stromverbrauchs durch Elektrifizierung im Verkehr und Gebäudesektor zur Knappheit bei und lässt die Preise weiter steigen.

Erstmals seit 2002 könnte Deutschland im kommenden Jahr wieder zum Importland werden, weil mit dem Abschalten der drei Reaktoren Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C zum Jahreswechsel gut 30 Terawattstunden Atomstrom jährlich wegfallen. Denn das ist mehr als der Nettoexport Deutschlands, der in diesem Jahr bei rund 20 Terawattstunden liegt.

Verbraucherpreise ziehen erst noch nach

Bei den Verbrauchern werden die steigenden Strompreise erst in den kommenden zwei bis drei Jahren mit voller Wucht ankommen, weil viele Stromversorger die Strommengen, die sie benötigen, über mehrere Jahre im Voraus einkaufen und sich damit noch für einige Zeit die früheren günstigeren Preise gesichert haben. 2022 wird der Preisanstieg für Endkunden zudem noch durch die deutlich gesunkene EEG-Umlage begrenzt.

Für jene Versorger, die ihre Energie kurzfristig beschaffen, könnte es in den kommenden Monaten aber kritisch werden. Zugleich dürfte mancher Anbieter weniger offen für Neukunden sein, denn für diese müsste er noch zusätzliche Strom- beziehungsweise Gasmengen einkaufen. Im Gasmarkt gab es in den letzten Wochen bereits einzelne Unternehmen, die ihr Neukundengeschäft zeitweise aussetzten – Eon zum Beispiel.

Profiteure der hohen Strompreise sind Stromerzeuger, die von den Preisen der fossilen Rohstoffe und der CO2-Zertifikate nicht betroffen sind und ihren Strom nicht auf Basis des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes zu einem Fixpreis einspeisen. Dazu gehören Betreiber von alten Wind- oder Photovoltaikanlagen. Sie hatten lange damit gerechnet, ihre Kleinkraftwerke nach Ablauf der 20-jährigen EEG-Förderung stilllegen zu müssen. Nun verschafft das hohe Strompreisniveau manchem schon tot geglaubten Projekt weiterhin eine wirtschaftliche Basis am Markt – und trägt so zur Energiewende bei.

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