Streit um BDS-Bewegung: Meinungsfreiheit zuerst

Laut Wissenschaftlichem Dienst ist der BDS-Beschluss des Bundestags nicht verbindlich. Als Gesetz wäre er „verfassungswidrig“.

Ein Demonstrant der BDS-Bewegung mit Palestinaflagge

Demonstration der BDS-Bewegung in Paris im April 2017 Foto: Le Pictorium/France

BERLIN taz | Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, hat kürzlich angeregt, den Streit um den BDS-Beschluss des Bundestags von einer neutralen Instanz klären zu lassen. Nun liegt das siebenseitige Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vor.

Es enthält Argumente für beide Seiten – sowohl für VertreterInnen vieler Kulturinstitutionen, die den Beschluss als faktische Einschränkung der Meinungsfreiheit kritisieren, als auch für die Verteidiger des Beschlusses, die dies bestreiten. Und: Das Gutachten kritisiert deutlich die Praxis von Städten und Kommunen, BDS keine städtisch finanzierten Räume zur Verfügung zu stellen.

Der Hintergrund: Der Bundestag hat 2019 die BDS-Bewegung in toto für antisemitisch erklärt und bekundet, dass diese nicht mit öffentlichen Mittel unterstützt werden soll. Auch Städte und Kommunen sollen BDS-Unterstützern keine Räume oder sonstige Mittel gewähren. BDS ist eine internationale Bewegung, die weitgehend erfolglos versucht, mit Boykotten und Sanktionen Israel zum Ende der Besatzung der Westbank zu bewegen.

Zentrale Kulturinstitutionen der Republik, vom Goethe-Institut bis zum Humboldt Forum, hatten kürzlich kritisiert, dass der Bundestagsbeschluss eine rechtliche Grauzone und ein Klima der Einschüchterung geschaffen habe. Die Institutionen, die sich in der Initiative „GG 5.3 Weltoffenheit“ zusammengeschlossen haben, warnen vor einer Boykottspirale. Sie lehnen BDS unisono ab – halten aber den Versuch, diese Bewegung mit dem Anti-BDS-Beschluss zu bekämpfen, für den Einstieg in eine Boykottlogik, die „den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch“ behindert.

Keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung

Die Befürchtung: „Unter Berufung auf die Resolution des Bundestags werden durch missbräuchliche Verwendungen des Antisemitismusvorwurfs wichtige Stimmen beiseitegedrängt und kritische Positionen verzerrt dargestellt.“ Für die international arbeitende Institutionen sei schlicht unklar, wen sie noch einladen dürften. Im Globalen Süden unterstützen weit mehr politische Aktivisten, Verbände, KünstlerInnen und Intellektuelle BDS als in Europa.

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes unterstreicht, dass der Bundestagsbeschluss eine „politische Meinungsäußerung“ ist, die keine rechtliche Verbindlichkeit hat. Insofern können sich die Unterstützer des Anti-BDS-Beschlusses bestätigt fühlen. Sie werfen den Kulturinstitutionen vor, sich als Opfer eingebildeter Zensur zu inszenieren. Allerdings bestätigt das Gutachten die Überzeugung der Unterstützer nur darin. Denn das Gutachten besagt andererseits, dass die Anti-BDS-Praxis im Widerspruch zur grundgesetzlich verbrieften Meinungsfreiheit steht.

Als Gesetz, so ein Resümee, wäre der Bundestagsbeschluss eine „verfassungswidrige“ Einschränkung der Meinungsfreiheit. Denn es gebe keinen Nachweis, dass BDS „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ gerichtet sei. Zudem verfüge die in Deutschland marginale Bewegung über keine „verfestigte, rechtsförmige Organisationsstruktur“. Von einer „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ könne bei BDS keine Rede sein.

Viele Städte, etwa Berlin, Frankfurt am Main und besonders rigide München, stellen BDS-nahen Organisationen aber keine städtisch finanzierten Räume zur Verfügung. Diese Praxis ist dem Gutachten zufolge rechtswidrig, dabei stützt es sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München vom November 2020. „Ein Nutzungsausschluss von BDS-nahen Personen oder Gruppen allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen“ sei mit der Meinungsfreiheit unvereinbar.

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