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Streit über HeizungsgesetzKlimapolitik statt Kulturkampf

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die einen blockieren Autofahrer:innen, die anderen das Heizungsgesetz. Damit Deutschland seine Klimaziele einhalten kann, muss einiges geändert werden.

Klimapolitik als Kulturkampf? Minister Habeck und SPD-Fraktionsführer Mützenich im Parlament Foto: Annegret Hilse/reuters

D ie Berliner Ampel­koalition und die Letzte Generation haben eines gemeinsam: Beide machen Klimapolitik zurzeit zum Kulturkampf statt im Konsens.

Die einen blockieren Auto­fah­re­r:in­nen, die Ampel blockiert sich im Streit über das Heizungsgesetz gegenseitig. Das Gesetz für den Heizungstausch, technisch Gebäudeenergiegesetz, sollte bereits vom Bundestag beraten werden, doch die FDP klebte sich gewissermaßen vor den Reichstag mit der Ansage: Das Gesetz muss zurück in die Werkstatt.

Die Ampel steht im Stau, so wie Tausende Pendler:innen. Beides schadet dem Klima. Denn die Erderwärmung kann nur begrenzt werden, wenn am Ende alle mitziehen. Ohne den Gebäudesektor, wo 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen anfallen, auf neutral zu trimmen, wird es Deutschland nicht schaffen, die Klimaziele bis 2045 einzuhalten, sprich kein zusätzliches Gramm CO2 mehr in die Atmosphäre zu blasen. Die Ampel muss die Wärmewende also hinbekommen. Damit das gelingt, sollten gerade die Grünen einige Fehler nicht wiederholen.

Erstens: Nicht das Momentum verspielen. Als die Ampel im Frühjahr 2022 entschied, den Heizungstausch auf 2024 vorzuziehen, hatte Wladimir Putin gerade die Ukraine überfallen, die deutschen Gasspeicher waren nur noch zu einem Viertel gefüllt und alle hatten Angst zu frieren. Also raus mit den Gasheizungen, her mit den Alternativen.

Das Wirtschaftsministerium unter Führung von Robert Habeck arbeitet im Folgenden aber erst mal daran, den Gasmangel zu beheben. Ein gutes Jahr später erscheint es nicht mehr so dringend, die Gasheizung auszutauschen. Habeck ist Opfer des eigenen Erfolgs und hätte wohl schon im letzten Jahr Pläne für die Wärmewende vorlegen müssen.

Vielen anderen ist Klimaschutz auch wichtig

Zweitens: Den Eindruck vermeiden, Klimaschutz ist nur einem selbst wichtig, alle anderen hätten den Ernst der Lage nicht begriffen. Ein Mantra, das die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen vor sich her tragen, das jedoch auch die Grünen ausstrahlen, mit ihrem „Wir sind wohl die Einzigen, die fürs Klima zuständig sind“. Das ist erstens falsch, auch SPD und FDP, Linke und die Mehrheit der Unions-Wähler:innen wollen Klimaschutz. Und zweitens produziert so eine Selbstanmaßung nur Verdruss und Widerstand.

Drittens: Klimaschutz sollte man nicht wie Medizin verkaufen, nach dem Motto: Schmeckt nicht, hilft aber. Verbote schmecken meistens scheußlich, auch wenn sie wie beim Gebäudeenergiegesetz erst mal für Neubauten gelten oder havarierte Heizungen betreffen. Auch die Grünen sollten mehr auf Anreize und Förderung statt auf gesetzliche Vorgaben vertrauen.

Habeck mag noch so sehr versichern, dass Wärmepumpen die derzeit effizienteste Technik sind, um Heizenergie klimaneutral bereit zu stellen – viele Menschen sind dennoch misstrauisch. Spätestens ab 2027, wenn der europäische CO2 Preis auch für Gebäude gilt und die Heizkosten zusätzlich in die Höhe treibt, werden auch die treusten Fans der Gasheizung anfangen, nach „Wärmepumpe oder Alternative“ zu suchen.

Und die staatliche Förderung dürfte die Einsicht noch verstärken. Selbst in Dänemark, wo schon vor zehn Jahren ein Verbot von Gas- und Ölheizungen beschlossen wurde, gibt es übrigens kein absolutes Verbot für neue Ölheizungen. Sie können auch jetzt noch eingebaut werden, wenn es keinen Anschluss an das Fernwärmenetz gibt.

Kommunen helfen, Stadtwerke klimaneutral machen

Das führt zum vierten Fehler, nämlich zu versuchen, bis ins letzte Häuschen vorzudringen, anstatt auf große Einheiten zu setzen. Noch mal zu Dänemark: Dort sind rund 70 Prozent der 2,6 Millionen Haushalte an das Fernwärmenetz angeschlossen. In Deutschland sind es knapp 10 Prozent.

Fernwärme als Alternative kommt derzeit viel zu kurz, das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung soll erst Mitte Oktober in den Bundestag. Es wäre gescheiter gewesen, das vorzuziehen und den Kommunen finanziell zu helfen, Stadtwerke klimaneutral zu machen und neue Fernwärmenetze zu schaffen. So könnten viele Haushalte zentral und klimafreundlich mit Wärme versorgt werden, anstatt viel Geld und Energie zu investieren, damit Millionen Menschen im Vorgarten eine Wärmepumpe hinpflanzen.

Und fünftens darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass hinter dem Klimaschutz alles andere zurückstehen müsse. Als Habeck das Heizungstauschgesetz vorstellte, hatte er zum sozialen Ausgleich nur Allgemeinplätze parat. Inzwischen haben die Grünen zwar mit einem Konzept nachgezogen, doch die Kampagne gegen den „Heizungs-Hammer“ lief bereits. Klimaschutz, den die Reichen sich leisten können und den die Armen ertragen müssen, spaltet die Gesellschaft. Noch mehr als es bereits der Fall ist. Klimaschutz und Soziales müssen zusammengedacht werden.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ein wesentlicher Fehler insb. von uns Grünen ist, dass wir eher in Gesetzen - und ja, damit in Verboten - denken, als Konsumverhalten durch Preispolitik zu steuern.

    Dabei argumentieren wir ständig damit, dass Strom aus EE die günstigste Variante ist.



    Nur… wer spürt das abgesehen von EFH-Besitzer, die bereits eine PV Anlage auf dem Dach haben?

    Warum sollte es keine gesonderte Stromtarife für Wärmepumpen geben? Warum ist ein „Ökostrom-Tarif“ noch immer in der Regel teurer als „konventionelle“?



    Passivhausstandard sollte sich für Neubauten bereits preislich attraktiver darstellen als konventionelle Häuser.

    • @BenLawers:

      Passivhausstandard sollte sich für Neubauten bereits preislich attraktiver darstellen als konventionelle Häuser.

      Das ist ein Traum, der sich so schnell nicht bewahrheiten wird. Wie soll das gehen ? Für ein Passivhaus benötigt man deutlich höherwertige Bauteile (Passivhausfenster, größere Dämmstärken, aufwändigere Haustechnik, etc.) als mit konventioneller Bauweise. Oft amortisieren sich die Mehraufwendungen dafür entweder überhaupt nicht oder nur nach sehr sehr langer Zeit.

      • @Nikolai Nikitin:

        Späte Antwort:



        Ich habe 2010 ein Passivhaus gebaut. Schwedisches Fertighaus aus Holz inkl. KWL mit Rotationswärmetauscher.



        Und es war kostengünstiger als ein konventionelles EFH gleicher Größe.



        Schauen Sie mal unter BEGUS.

  • Frau Lehmann, vielen Dank für Ihren Beitrag. Doch die von Ihnen vorgenommene Gleichsetzung der FDP kann ich nicht nachvollziehen. Die Klimakleber begehen tausendfach Nötigung und/oder Sachbeschädigung, die FDP ringt mit der SPD und insbesondere mit den Grünen um eine Gesetzesvorlage für den Deutschen Bundestag. Hier wird kein Gesetz gebrochen, sondern politisch gerungen. Will sagen, das was aus dem Wirtschaftsministerium kommt, ist noch nicht automatisch Gesetz, sondern bedarf der parlamentarischen Abstimmung, nicht zuletzt auch um sozial- und gesellschaftspolitische Belange mit zu betrachten.

  • Zu viertens: Wenn es denn so einfach wäre! Damit die Fernwärmeversorgung im Bestand auch in Klein- und Mittelstädten funktioniert, muss es quasi einen Anschlusszwang geben, weil sonst die Stadtwerke (die ja nur dort noch erhalten sind) ins Nichts investieren. Damit macht sich aber kein Stadtrat und kein Bürgermeister beliebt, dass muss man in Bezug auf den CO2-Preis richtig timen. Man hätte sonst z.B. die Chance auch nutzen können, im Verbund mit der Flüchtlingsunterbringung Brachen klimaneutral zu bebauen und Fernwärme für den umliegenden Bestand anzubieten. Macht aber auch keiner oder gibt es Beispiele?

    • @Zangler:

      Ihr Vorhaben, klimafreundliche Wohnbauten mit dem Bau von Flüchtlingsunterkünften zu verknüpfen ist sicherlich gut gemeint, aber impraktikabel, denn während Flüchtlingsunterkünfte tendenziell temporäre Bauten sind, müssen für klimafreundliche Wohnbauten erhebliche Erstinvestitionen getätigt werden, die sich wirtschaftlich oft erst nach sehr vielen Jahren auszahlen.

  • "Habeck mag noch so sehr versichern, dass Wärmepumpen die derzeit effizienteste Technik sind, um Heizenergie klimaneutral bereit zu stellen – viele Menschen sind dennoch misstrauisch. Spätestens ab 2027, wenn der europäische CO2 Preis auch für Gebäude gilt und die Heizkosten zusätzlich in die Höhe treibt, werden auch die treusten Fans der Gasheizung anfangen, nach „Wärmepumpe oder Alternative“ zu suchen."

    Effizienz ist das Eine, aber was es kostet halt doch das Andere... Die Preise für den Einbau sind derzeit hoch, die Effizienz im Altbau oft überschaubar und Strom ist auch nicht gerade billig...

    Was hilft da? Man verteuert die Alternativen über den CO2-Preis! Damit wird das Heizen garantiert teurer und erst dann zieht der künstlich herbeigeführte "Vorteil" der Wärmepumpe in immer mehr Fällen.

    Am Ende bedeutet das für die Betroffenen: Das Heizen ist jetzt deutlich teurer als früher. Ob mit Wärmepumpe oder ohne...

    Es gäbe da was, das die Wärmepumpe ganz ohne künstliche Verteuerungsmaßnahmen zum "Heizungschampion" machen würde, billiger Strom! Dass sich die Wärmepumpe hierzulande so schwer tut ist einzig und alleine unseren international rekordverdächtigen



    Strompreisen geschuldet...

    • @Nafets Rehcsif:

      Hallo Herr Fischer, danke ein sehr guter Beitrag.

  • Manchmal frage ich mich, warum man aus dem Klimaschutz eine Pissing Contest machen muss?

    Ab 2027 wird heizen mit Gas und Öl sehr teuer werden. Sinnvoll wären bis dahin eben den Ausbau der Fernwärme ans Laufen zu bringe und eine Fördeung, dass Wärmepumpen preislich und praktisch durch Beispiel attraktiv werden.

    Oder die blöde Di3skussion um eFuels. So what, das Zeug wird so teuer, dass es eh kaum verwendet wird. Das ist den Buhei darum nicht wert.

    Beide male ist das Prinzip mit dem Kopf zuerst durch die Wand an Beton gescheitert, anstelle eben den Wasserschneider zu nehmen.

    Sorry, taktische Unfähigkeit.

  • „Klimaschutz sollte man nicht wie Medizin verkaufen, nach dem Motto: Schmeckt nicht, hilft aber. Verbote schmecken meistens scheußlich…“



    „Medizin“ wuppdich „Verbote“ ….tolle Logik, so fluppt natürlich jeder Gedankengang.

  • Der Vergleich zwischen FDP und Letzter Generation ist absurd. Es werden sämtliche Machtverhältnisse ignoriert.

    • @Stefan Baeuml:

      Und zudem geschmacklos. Solche "Kunstgriffe" brauchte eine seriöse links/alternative Zeitung nicht. Das ist das Konzept von Bildzeitung und/oder Spiegel.



      Im Übrigen sehe ich es so wie 'PETERMANN' : zu behaupten, die FDP hätte etwas am Klimaschutz, ist hochfeiner Stuss, meiner Meinung nach. Wonach klingt denn Autobahnbau und E-Fuels für Porsches ???

  • Wahnsinn, daß ich das noch lesen darf.



    Danke dafür

  • Zu zweitens: Dass die FDP ernsthaften Klimaschutz will, halte ich für eine sehr gewagte Behauptung.

    • @petermann:

      genau so ist es

  • "... auch SPD und FDP, Linke und die Mehrheit der Unions-Wähler:innen wollen Klimaschutz."

    Das ist eine sehr, sehr steile These. Die sollten Sie ein wenig besser untermauern, sonst rutscht sie ab.

    Ausserdem: die Kampagne gegen den "Heizungs-Hammer" wäre so oder so oder so gekommen. Meinen Sie, die Gaslobby hält die Füsse still?

    Die müssten in den Knast. Nicht die jungen Menschen von LG.

  • Das ist ein toller Artikel, dem ich in Allen Punkten zustimme, danke!

    • @Philippo1000:

      Dem schließe ich mich an!