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Streit über CoronabondsDie SPD muss mehr riskieren

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die SPD-Linke sollte konkret sagen, was Berlin Südeuropa anbieten muss. Allgemeine Forderungen reichen nicht.

Die SPD-Linke will keinen Stress mit ihm: Finanzminister Olaf Scholz Foto: Hannibal Hanschke

I m Dezember 2017 verwandelte die SPD ihr entschiedenes Nein zur Groko in ein beherztes Ja. Ein Stützrad bei diesem Manöver war Europa, ein Thema, das verlässlich die Herzen aller SozialdemokratInnen erwärmt. Europa, hieß es, brauche sofort ein handlungsfähiges Deutschland. Daher müsse man sich opfern und noch mal regieren. Der Koalitionsvertrag verkündete feierlich einen neuen Aufbruch für Europa, von dem danach indes nicht mehr viel zu hören war.

Die EU steuert gerade auf ihre womöglich tiefste Krise ihrer Existenz zu. In Südeuropa braut sich ein gefährlicher Mix aus Enttäuschung über das Nein Deutschlands zu gemeinsamen Schulden und alten Ressentiments gegen Berlin zusammen. Es geht um keinen Aufbruch für Europa, sondern darum, dessen Abbruch zu verhindern.

Fast alle Ökonomen von Rang halten Coronabonds für nötig, um zu verhindern, dass die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa noch tiefer wird. Ein schnell wieder erblühendes Post-Corona-Deutschland und ein verarmter Süden wären Munition für Populisten. Gescheite Konservative wie der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert haben verstanden, dass der politische Schaden eines Neins zu Coronabonds in der EU größer sein wird als das fiskalpolitische Risiko.

Was tun eigentlich die zuständigen SPD-Minister im Bundeskabinett gerade? Nicht genug. Olaf Scholz will auf keinen Fall ein Risiko eingehen und sagt zu Coronabonds gar nichts. Immerhin begreifen in der SPD immer mehr, dass Coronabonds keine ideologische Retroschlacht sind, sondern zentral wichtig für die Zukunft der EU.

Die SPD-Linke will nun zwei Dinge, die nicht so recht zusammenpassen: kein Stress mit Scholz und Druck aufbauen für die Bonds. Beides sind verständliche Ziele – Flügelstreit kommt in der derzeitigen Coronakrise nicht gut. Aber will die SPD-Linke nicht bloß einen guten Eindruck machen, muss sie mehr riskieren und konkret sagen, was Deutschland jetzt anbieten muss. Allgemeine Forderungen, was mittelfristig zu tun wäre, reichen nicht. Die Vernunft kommt nicht im Schlafwagen ans Ziel.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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24 Kommentare

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  • Aktuelle steht unter „Meistkommentiert“ u.a.:

    „EU-Gelder in der Coronakrise, Ungarns Regierung kassiert ab“.

    Genau darum geht es doch; dass mit den „Coronabons“ nicht nur eine (neue) Vergemeinschaftung von Schulden zulasten des deutschen Haushalts, also für den Steuerzahler begründet werden würde, sondern auch KONKRET DARUM, dass wir mit „CoronaBons“

    antidemokratische

    ins Faschistische abgedriftete Regierungen unterstützen, welche sich von den Werten der EU doch GEZEIGT längst abgewandt haben.

    Es erschreckt mich zu sehen, wie hier viele KommentatorInnen mit doch eigentlich eher links gerichteter Grundeinstellung dennoch für die Finanzierung und Stärkung faschistisch und antidemokratisch auftretender Regierungen und deren Vertreter eintreten.

    Zudem: "Fast alle Ökonomen von Rang halten Coronabonds für nötig, um zu verhindern, dass die Kluft zwischen Nord- und Südeuropa noch tiefer wird."

    Im Ergebnis bedeutet doch DIE VERKLEINERUNG dieser Kluft, dass Deutschland wirtschaftlich schwächer wird, und nicht die Südländer faktisch stärker.

    Wenn infolge eines EU-weiten Systemangleichs unter Ausschluss rechtsradikal, antidemokratisch agierender Regierungen eine Schwächung Deutschlands eintreten würde, OK! Aber doch nicht unter Beibehaltung der gegebenen Systemunterschiede (z.B. hins. Rente, Sozialkassen,...). DENN die Entwicklung der letzten 20 Jahre hat doch klar belegt, dass dies nicht zu einem wirtschaftlichen Erstarken der Südländer führt.

    ;-)

    😉

  • Warum sollte die SPD nach der Pfeife der Rechtspopulisten tanzen. Das ist doch genau das, was Salvini und co. wollen.

  • halleluja, ist das hier die Kommentarspalte der FAZ oder der Welt?



    Hier ist ja gerade eine veritable "linke" Neiddebatte ausgebrochen.



    Interessant zu sehen, das nicht nur die Konservativen so ticken.

  • 1914 stimmte die SPD für den Krieg, zum Wohle Deutschlands.



    1919 stimmte die SPD zu, sich von den Militärs die den Krieg verloren haben, als Sündenbock vorschieben zu lassen und den Vertrag von Versailles anzuerkennen.



    2008 ging die SPD in die erste neue GroKo. Zum Wohle Deutschlands.



    Kleiner Tipp liebe SPD, wenn du denkst du machst einen Fehler, aber denkst es ist zum Wohle Deutschlands. Lass es lieber.

  • Wo kommt die Aussage "fast alle Ökonomen von Rang halten Coronabonds für nötig" her? Ich halte das für völlig unbelegt. Ich sehe eher eine gegenteilige Tendenz.

  • Euro-Bonds würden von den Populisten (Polen, Ungarn, tw. Italien) usurpiert. Hatten wir schon mal unter Berlusconi (TV-Rechte). Nicht überprüfbare Geldspritzen versickern auf den Konten der Millardäre.

  • Wenn ich den Artikel lese, ergreift mich das Gefühl, die EU bestünde nur noch aus Deutschland und südeuropäischen Ländern.

    Gab es schon den Nexit, und ich habe ihn nicht mitbekommen? Oder sind die Niederlande in der Taz nur noch eine deutsche Kolonie?

    Wo ist eigentlich Osteuropa? Ich kann mich erinnern, dass gerade die baltischen Länder und Polen wehement gegen Erleichterungen für Griechenland waren, weil sie selbst ihrer Bevölkerung für den EU-Beitritt viel zugemutet hatten.

    Sind die auch schon nicht mehr dabei?

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Coronabonds würden vom Verfassungsgericht einkassiert, Deutsche Politiker können nicht einfach einem anderen Land erlauben Schulden zu machen für die Deutschland haftet.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Welches Verfassungsgericht soll das entschieden haben? Haben Sie da nen Link oder sowas?

  • Euro-, Coronabonds Ja oder Nein Debatte steht n. m. E. für eine obskure Metapher, die verdeckt, dass es jetzt nicht nur um Eurozone, sondern EU, Europa in der Coronavirus Pandemie geht, was Deutschland unternimmt, dass die Pandemie in Europa und andernorts in der Welt ins Containment gelangt. Da passt es nicht ins Bild, dass im Wege anlaufender Lockerungen des Shut- , Lockdowns in Deutschland, maßgebliche Stimmen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Medien laut werden, im Medizinbetrieb bereitgestellte Ressourcen für die Eindämmung der Pandemie Intensivmedizinplätze, Personal wieder zurückzufahren auf normal vorheriges Geschäftsmodell umzustellen, statt diese Ressourcen proaktiv in Europa, weltweit für die Eindämmung der Coronavirus Pandemie zur Verfügung zu stellen

  • warum wird eigentlich nicht gefordert das die armen südländer erstmal ihre eigenen wohlhabenden besteuern?

    • @Sinulog:

      Italien ist drittgrößter Nettozahler der EU. Es geht also nicht um die "armen Südländer"

  • Ich kann es nicht mehr hören... Die italienische Forderung nach Corona-Bonds ist schlichte Innenpolitik der dortigen Populisten. So kann man davon ablenken, dass man zu Beginn der Krise die Kranken aus den zu wenigen Krankenhäusern in die Altenheime verlegt hat... Nun müssen sich alle von Salvini über Conte bis Di Maio an Deutschland abreagieren, um von ihrer eigenen Unfähigkeit abzulenken.

    Es mangelt gar nicht an Geld, schließlich ist der wohlhabende Norden Italiens betroffen, das wo die Lega Nord seit Jahren gegen die EU polemisiert. Geld ist genug da, das Vwrmögen in Norditalien ist durchschnittlich weit höher als z.B. in Deutschland.

    Deutschland-Bashing und die Nazi-Nummer sind billige innenpolitische Fliegenfänger von Politikern, die Johnson oder Trump in großer Klappe und Realitätsverweigerung in Nichts nachstehen.

    Absolut idiotisch diesen Forderungen nachzugeben.

  • Es wäre fair, wenn die taz von den krassen Ungleichheiten in der Eurozone berichten würde. Gemessen am Haushaltsvermögen belegt Deutschland den letzten Platz in der Eurozone.

  • Jede Partei die sich für Euro-Bonds ausspricht wird bei der nächsten Wahl massiv abgestraft werden.

    • @Lain Lainsen:

      Das wollte ich auch gerade schreiben.

      • @Strolch:

        wenn man Menschen medial erklären kann das Gehaltsverzicht zu Wohle aller ist, kann man auch Eurobonds erklären, wenn man will.

        Es geht ja nicht um ein Geschenk an andere Länder, sondern es gibt gute Gründe weshalb es auch in unserem Sinne ist Eurobonds einzuführen.



        So lange aber die Karte, die "faulen Südländer" und "unser Geld" bedient wird, kann man Eurobonds tatsächlich nicht verkaufen.

        Außerdem werden auch die Parteien abgestraft werden, die einen Wirtschaftseinbruch zu verantworten haben, was durchaus bei einer neuen Eurokrise passieren kann.

        • @nutzer:

          Was sind den diese "guten Gründe" und weshalb sind die dargelegten Alternativen so viel schlechter?

          Corona-Bonds sind nur ein Dosenöffner. Sind sie erst mal eingeführt, werden sie immer weiter fortgesetzt, auch bei der Prolongation von Altschulden. Geht dann ein Land aus dem Haftungsverbund pleite, sind alle Länder bedroht und das bei einer Ausgangslage, in welcher jedes Land weiter seine eignenen Haushalte macht.

          Es spricht nichts gegen eine einmalige Unterstützung. Ohne weiteres könnte ein Betrag von X Mrd als Zeichen der Solidarität der Wählerschaft vermittelt werden, nur Corona-Bonds sind halt die Büche der Pandora.

        • @nutzer:

          Der Vorschlag von Pedro Sanchez ist aber genau das: ein Geschenk an andere Länder. Die EU soll sich mit 1500 Milliarden verschulden und das Geld an die Länder verschenken. Echter Transfer, keine Staatsverschuldung.

          • @Descartes:

            erstens es ist nicht unser Geld sondern auch das Geld der Italiener, zweitens die Eurobonds werden nicht durch Steuergelder finanziert, sondern durch die EZB (Buchungsschulden, siehe Aufkaufprogramm), drittens die Niedrigzinsen finden Sie bestimmt auch nicht gut. Nun würden die Zinsen steigen und das ist auch nicht gut?



            Und ja diese Zinsen stehen im Zusammenhang.



            Für genauere Details müssen Sie sich mit Makronomie befassen, z.B. mit der MMT. Das ließe sich hier nicht mit ein paar Zeilen abhandeln.

            • @nutzer:

              "Eurobonds werden nicht durch Steuergelder finanziert"

              aus "Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag"

              "europäische Staatsanleihen, bei denen die Staaten der Eurozone gemeinsam Geld an internationalen Finanzmärkten aufnehmen und für diese Schulden gemeinschaftlich für Zinsen und Rückzahlung haften würden. Hoch verschuldete Eurostaaten wie Griechenland oder Italien könnten durch die gemeinsame Ausgabe von Eurobonds aller Eurostaaten Geld am Finanzmarkt zu erheblich günstigeren Konditionen erhalten als durch die Ausgabe eigener Staatsanleihen, da sie für eigene Staatsanleihen aufgrund ihrer Bonität wesentlich höhere Zinsen zahlen müssten. Umgekehrt müssten relativ stabile Euroländer wie Deutschland höhere Zinsen zahlen als bei der Ausgabe eigener, deutscher Staatsanleihen. Aus diesem Grund ist die Einführung von Eurobonds zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise (siehe dort) umstritten." www.bpb.de/nachsch...t/159949/eurobonds

            • @nutzer:

              Die Niedrigzinsen stören mich beschränkt, wenn der finanzielle Spielraum zum Schuldensenken oder für Infrastruktur ausgegeben wird.

              Ganz nebenbei. Als der Euro eingeführt wurde, konnte sich Italien dank der (für Italien) massiv gesunkenen Zinsen bereits billiges Geld (im Vergleich zu davor) leihen. Genutzt haben sie das "Geschenk" allerdings nicht. Für Deutschland wurde die Möglichkeit der Staatsverschuldung dagegen teurer. Wieso soll bei Coronabonds dies auf einmal anders laufen?

              Am sinnvollsten wäre es doch, die Länder kehren zu ihren alten Währungen zurück. Dann können die nördlichen Länder eine strenge Geldstabilität fahren und die südlichen Länder, die Inflation laufen lassen. Am Ende können die Bürger entscheiden, ob sie ihr Geld den nördlichen Ländern leihen (hohe Sicherheit, wenig Zinsen) oder den südlichen (hohe Zinsen, weniger Sicherheit). Positiver Nebeneffekt: weniger Streitereien über die Geldpolitik zwischen den Ländern.

      • @Strolch:

        wenn ihr beiden das richtig einschätzt ist die forderung nach dem ausschluss deutschlands und seiner verbündeten richtig.dann sollte die eu in ihrer heutigen form und mit ihren heutigen mitgliedern keine zukunft haben

        aber ob es stimmt dass "Jede Partei die



        die sich für Euro-Bonds ausspricht bei der nächsten Wahl " viele stimmen verliert ist fraglich:



        für die "c"du und die "cs"u stimmt das wahrscheinlich.sie könnten stimmen an die "a"fd oder an die f"d"p ,die beide garantiert gegen euro-bonds sein werden verlieren



        für die linken und die grünen stimmt es sehr wahrscheinlich nicht.vielleicht gewinnen sie sogar stimmen dazu.



        interessant ist eigentlich nur die frage wie es sich bei der "s"pd verhält .



        gibt es dazu irgendwelche plausible einschätzungen?



        wie reaktionär und neoliberal ist diese partei nach dem wechsel an der spitze immer noch?

        • @satgurupseudologos:

          Sie glauben also, dass ein "klassischer" SPD-Wähler, der ein Gehalt von EUR 2500 hat, es gut findet, wenn man Italien unterstütz und nicht für ihn die Belastungen senkt?

          Da die Grünen dich v.a. aus der "Bildungselite" und Besserverdienern zusammensetzt, die nicht jeden Euro 2x umdrehen müssen, mag es sogar stimmen.

          Die Linke ist - würde ich schätzen - gespalten (das waren sie auch bei der Frage, ob Flüchtlinge aufgenommen und damit Geld ausgegeben werden soll).