Streit bei Fridays for Future: Klimastreik? Diesmal ohne uns
Der deutsche Ableger von Fridays for Future verzichtet auf große Aktionen – das hat auch mit Thunbergs antiisraelischer Rhetorik zu tun.
Auf der Website der deutschen Sektion finden sich versteckt dann doch noch einige Einträge mehr. In sieben Städten finden vor allem Veranstaltungen statt, bei denen Ortsgruppen versuchen, dem Lager der Klimawandelleugner etwas entgegenzusetzen. In Berlin wird es eine Pressekonferenz etwa mit der Ökonomin Claudia Kemfert und dem Demokratieforscher Matthias Quent auf der Marschallbrücke im Regierungsviertel geben. Dazu soll die Brücke mit dem Schriftzug „Our World is on fire – use your voice“ bemalt werden, das auf die Bedeutung der kommenden Europawahl hinweist.
Groß beworben wird von FFF derzeit nur ein Klimastreik am 31. Mai. Im Hinblick auf jene Wahlen soll es dann auch wieder Massendemos geben. Anknüpfend an die zentrale Rolle, die FFF bei den Mobilisierungen gegen die AfD nach der Correctiv-Recherche über Remigrationspläne im Winter spielte, wollen die Fridays darauf hinwirken, dass Menschen „demokratisch wählen“ gehen, wie es in dem Aufruf heißt.
Während Fridays for Future Deutschland erstmals beim Globalen Klimastreik – die Premiere fand im März 2019 statt – auf eigene Demonstrationen verzichtet und nur symbolische Aktionen organisiert, tritt eine weitere Gruppierung auf den Plan, die zu Demos in Berlin und Hamburg aufruft: BIPoC for Future; gemeint sind Schwarze, Indigene und People of Color.
„Antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch“
Laut ihrem Sprecher Castroya Nara existiert dieser Zusammenschluss seit 2021, gegründet als Reaktion auf „rassistische Strukturvorfälle“ in der Bewegung. Zwar verstünde man sich als Teil von FFF, werde aber von der Mutterorganisation „ignoriert“. Eskaliert ist der Streit unter anderem, als ihre BIPoC-Mitstreiterin Elisa Baş im Oktober nach Äußerungen über eine „Pogromstimmung gegen Palästinenser:innen“ von ihrer Funktion als FFF-Pressesprecherin entbunden wurde.
Im Aufruf für diesen Freitag ist die Abgrenzung deutlich: „Viel zu lange wurde der Begriff ‚Klimagerechtigkeit‘ von Gruppen wie Fridays for Future Deutschland verwendet, ohne dessen wirklichen Sinn zu verstehen.“ Echter Aktivismus für Klimagerechtigkeit sei „antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch“. Ortsgruppen von FFF in Heidelberg, Bonn und Aachen schließen sich laut Nara ihren Protesten an.
Der Kern der Abgrenzung sei laut Nara der Umgang mit kolonialen Strukturen. Doch dahinter steht die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit dem Nahostkonflikt? Die eindeutige Positionierung von BIPoC for Future zeigt sich auch anhand einer der Mitorganisatoren der Berliner Demo: Palästina Spricht. Beworben wird die Demo, die am üblichen Versammlungsort von FFF, dem Invalidenpark in Mitte, starten soll, mit Plakaten in Deutsch und Arabisch: „Antikolonialer Klimastreik? Verlass Dich drauf, Habibi.“
FFF Deutschland hatte nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober schnell das Massaker verurteilt und sein Mitgefühl mit den israelischen Opfern ausgesprochen. Dagegen hatten die internationale Sektion wie auch Frontfigur Greta Thunberg klar Solidarität für Palästina ergriffen, teils mit scharfer antiisraelischer Rhetorik. Die Zusammenarbeit war daraufhin aus Deutschland für zwei Monate auf Eis gelegt worden. Doch der Konflikt hält bis heute an. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei FFF, es gebe „Schwierigkeiten mit der internationalen Ebene“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit