Sprengstoffbausatz bei Amazon: Bombenvorschlag!
Islamisten bestellten bei Amazon Chemikalien für einen Sprengsatz – und bekamen die Bauanleitung qua Algorithmus mitgeliefert.
„Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …“ – mit diesem Algorithmus gibt der Online-Versandhändler Amazon unbeabsichtigt Tipps zum Bombenbau. Einem Spiegel-Bericht zufolge hat der in Schwerin festgenommene Syrer Yamen A., der einen Sprengstoff-Anschlag geplant haben soll, die dafür nötigen Chemikalien auf Amazon bestellt.
Der 19-Jährige war nicht der Erste, der auf die Idee kam, bequem von zu Hause aus zu shoppen. So bezogen die Männer, die 2016 einen Anschlag auf den Sikh-Tempel in Essen verübten, kiloweise Chemikalien und Zünder von Amazon. Auch der Islamist Jaber Albakr, der sich 2016 in einer Gefängniszelle in Leipzig erhängte, hatte nach Erkenntnissen der Ermittler die Bestandteile für einen Sprengsatz zu großen Teilen bei dem Online-Versandhaus gekauft.
Hier kommt der Algorithmus ins Spiel: Legt ein Kunde eine Chemikalie, die auch zum Bombenbau verwendet werden kann, in den Warenkorb, werden ihm weitere empfohlen. So stellt der kundenfreundliche Versandhandel aufgrund der Kaufhistorie anderer Kunden eine Liste zusammen, die als eine Art Bombenbauanleitung verwendet werden kann – selbst wenn man nur Wasserstoffperoxid zum Haarebleichen braucht.
Laut Spiegel reagierten die deutschen Sicherheitsbehörden hierauf „alarmiert“ und „erschrocken“. Amazon teilte mit, es würden Änderungen vorgenommen, „um sicherzustellen, dass Produkte in geeigneter Weise präsentiert werden“.
Doch was bedeutet das nun? Ist das etwas Gutes, wenn Amazon zur Terrorbekämpfung enger mit der Polizei zusammenarbeitet? Man könnte da auf den Gedanken kommen, die Kaufhistorie auf Amazon als ermittlungstechnischen Vorteil zu werten. Praktisch und simpel: Wenn ein Kunde eine bestimmte Anzahl an Chemikalien kauft, die auch zum Basteln von Sprengstoff geeignet sind, könnte das eine Warnung auslösen – von Amazon direkt an die Polizei.
Wenn man das allerdings zu Ende denkt, landet man bei Massenüberwachung und dem gläsernen Kunden – und gruselt sich letztlich vor sich selber. Wie also umgehen mit der Erkenntnis?
Eins ist klar: In Zukunft sollte man Haarbleichmittel lieber im Darknet bestellen.
Leser*innenkommentare
lions
Das in den Griff zu bekommen, ändert an der Ursache gar nichts, wenn bspw ein LKW effektiver als die Bombe eines Laien ist.
EDL
Die Sache ist problematisch, keine Frage ... aber nur jemand der wirklich Ahnung von der Materie hat, braucht nur eine Liste von Zutaten einer Mahlzeit, um daraus ein entsprechend gutes Essen zu machen.
insLot
Machen Sie die Augen auf! Wir sind schon lange in der Massenüberwachung gelandet. Wenn auch nicht zum Zwecke der Strafverfolgung, sondern um gezielter zu werben und zu verkaufen.
Es fehlt nur noch der letzte Schritt wie sie richtig feststellen, aber keine Sorge den gehen wir auch noch und es wird den Leuten genauso gleichgültig wie jetzt auch schon. Schließlich haben sie nichts zu verbergen!
85198 (Profil gelöscht)
Gast
@insLot „Ich behaupte, daß, wer immer in diesem Augenblick zittert, schuldig ist, denn die Unschuld hat von der öffentlichen Überwachung nichts zu befürchten.“ Robespierre
Pfanni
Offenbar kam es Frau Kimmerle darauf an, zu beweisen, dass Amazon etwas falsch gemacht hat. Und darüber hinaus, dass auch das Gegenteil falsch wäre.
Man hätte erwarten können, dass sie nach der Kritik, einen praktikablen Gegenvorschlag zur Problemlösung macht – Fehlanzeige!
Darüber hinaus glaube ich nicht, dass „ernsthafte“ Bombenbastler auf einen „Sprengstoffbausatz“ von Amazon angewiesen sind. Die „Zutatenliste“ ist nämlich nur das Eine. Die ebenso unerlässliche Anleitung zur „Zubereitung“ und zur „Handhabung“ bekommt man dort nicht. Eher schon aus dem Darknet – beispielsweise bei der nächsten Haarbleichmittelbestellung! (;-)
M.Schneider
Ein lehrreicher Artikel für Bombenbauer der beschränkten Art.
Gibt's sonst noch ein paar Tips, am besten in "einfacher Sprache"?
hup
Wer denkt, dass bisher kein Alarm ausgelöst wird, wenn man offensichtlich Grundstoffe für Bomben in einem Laden (on- oder offline) oder mit einer Kreditkarte kauft, der sollte besser keine Bomben bauen...
Dieses Thema ist durch, Dienste können problemlos Kaufhistorien einsehen, bei verdacht, und vermutlich auch ohne einen solchen. Das sollte man nicht nur beim bombenbasteln bedenken, sondern auch bei den Büchern die man so bestellt. Aus Bücherkombinationen lassen sich schnell politische Profile stricken.
Ist das paranoid? Wer das denkt, war die letzten 16 Jahre auf einer Insel.
disenchanted
Was ich unglaublich finde ist wie dämlich sich diese Menschen anstellen. Jeder der 1 und 1 zusammenzählen kann würde seine Utensilien für den Bombenbau doch in verschiedenen Läden und am besten in Bar bezahlen und nicht in einer Bestellung bei Amazon.
Sven Günther
Landet man nicht, wen ich beim Unishop Grundstoffe für Nitroprenta und Hexogen kaufen würde, würde bei jedem guten Chemiker die Alarmglocken läuten. Es geht um die Menge und die Verbindung die man kauft. Ansonsten stellt man sich dumm! So wie damals bei Saddam, die haben auch schön Grundstoffe gekauft und als Verwendungszweck Kugelschreiberpaste angegeben, dass man damit mehrere Jahreszeiten der weltweiten Produktion hätte mischen können, hat man ganz einfach ignoriert.
Age Krüger
Die genialste Idee hatte Breivik mit der Eröffnung eines Gartengroßhandels, mit dem er an Düngemittel unbegrenzter Menge heran kam.
Wird da eigentlich heute mal kontrolliert, wo das Zeug hingeht?
Mephisto
@Age Krüger Wenn der Kunde nicht bereits einen "Marker" hat, also unter Verdacht steht und/oder Beobachtung, dann nicht. Das ist das Problem mit "Überwachung"...wo steht denn geschrieben, daß ich keinen gigantischen Garten habe und Sackweise Düngemittel brauche? Der Händler wird einen Teufel tun und einen eventuellen "guten Kunden" verpellen, indem er ihn zu Unrecht verdächtigt und meldet...