Sexualisierte Gewalt durch Islamisten: „Wir sahen amputierte Genitalien“
Sexualisierte Gewalt durch die Hamas spielt in der Wahrnehmung bislang kaum eine Rolle. Israel und die UN haben Untersuchungen eingeleitet.
„Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung wurden von der Hamas als Kriegswaffe gegen Israelis, insbesondere israelische Frauen und Kinder eingesetzt“, erklärte die israelische Rechtswissenschaftlerin Ruth Halperin-Kaddari am Mittwoch gegenüber dem US-Fernsehsender CNN. „Wenn man den Körper der Frauen schikaniert und vergewaltigt, soll das die größte Angst und die größte Demütigung für die ganze Nation hervorrufen“ – dies sei genau so von der Hamas geplant gewesen. Aus Polizeiaussagen der festgenommenen Terroristen, die an den Massakern beteiligt waren, geht hervor, dass die Hamas-Kämpfer dazu angehalten wurden, Vergewaltigungen durchzuführen.
Die Beweisaufnahme für sexuelle Übergriffe am 7. Oktober ist schwierig. Das Gebiet, in dem die Massaker stattfanden, war tagelang aktives Kriegsgebiet. Es dauerte Wochen, bis alle Leichen gefunden wurden; viele von ihnen waren so entstellt, dass keine Sammlung physischer Beweise möglich war. Gerichtsmedizinische Beweise müssen jedoch innerhalb von 72 Stunden aufgenommen werden, um juristisch relevant zu sein.
UN-Generalsekretär António Guterres äußerte sich am Mittwoch zu den sexuellen Gewalttaten der Hamas und nannte sie „abscheulich“. Eine Untersuchungskommission der UN will sich nun der Vorwürfe der sexuellen Gewalt durch die Hamas annehmen und stehe kurz vor der Beweiserhebung, erklärte die Vorsitzende der Kommission, Navi Pillay, nun der Nachrichtenagentur Reuters. Sie beabsichtige, die gesammelten Beweise dem Internationalen Strafgerichtshof vorzulegen und diesen zur Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen aufzufordern. Israel wirft der Kommission jedoch eine antiisraelische Haltung vor, verweigert die Kooperation und hat bereits eine eigene Untersuchung eingeleitet.
„Amputierte Genitalien“
Doch viele internationale Frauenorganisationen ignorierten oder negierten die sexualisierte Gewalt der Hamas. So wie die Leiterin des Zentrums für sexuelle Übergriffe an der kanadischen Universität von Alberta, die einen offenen Brief unterzeichnete, der die Berichte über Vergewaltigungen und Misshandlungen israelischer Frauen am 7. Oktober in Zweifel zog. Auch das UN-Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau verurteilte in einem Post Mitte Oktober lediglich „die Angriffe auf Zivilisten in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten“ – von sexueller Gewalt keine Rede.
Die Nichtregierungsorganisation Physicians for Human Rights Israel hat die Beweise, die bislang gesammelt werden konnten, derweil in einem Positionspapier zusammengestellt. Darin finden sich Aussagen von Augenzeug*innen, medizinischen Ersthelfer*innen und Soldat*innen über das, was sie damals vorfanden. Außerdem stützen sie sich auf Video- und Fotomaterial.
Eine junge Frau beschreibt darin, wie sie aus ihrem Versteck Zeugin einer Massenvergewaltigung wurde, bei der Hamas-Kämpfer eine andere Frau nach vorne beugten, sie vergewaltigten, „an den nächsten weitergaben“, sie schließlich mit einem Schuss von hinten in den Kopf ermordeten und ihren Körper verstümmelten.
In einem Video gibt ein Sanitäter einer Eliteeinheit des Militärs Zeugnis davon ab, in einem Haus ein erschossenes Mädchen gefunden zu haben, das halbnackt mit dem Bauch auf dem Boden lag, die Beine gespreizt, auf dem Rücken Sperma. Eine Mitarbeiterin des forensischen Teams sagt aus, unter den Leichen zahlreiche Frauen und Mädchen gesehen zu haben, die vergewaltigt worden seien, „inklusive so gewaltvoller Penetration, dass es ihre Knochen gebrochen hat. Wir haben amputierte Genitalien gesehen.“
Die junge Frau, deren Video damals um die Welt ging, befindet sich bis heute im Gazastreifen als Geisel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl