Schwuler Bürgermeister tritt zurück: „Eine Menge Druck“
In Neubrandenburg verbietet der Stadtrat, die mehrfach angegriffene Regenbogenfahne zu hissen. Der Oberbürgermeister erklärt nun, warum er danach zurücktrat.
In der Vergangenheit hatten Unbekannte die Flagge in der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern mehrmals gegen eine Fahne mit einem Hakenkreuz ausgetauscht.
Die Stadtvertretung hatte am Mittwoch mit 15 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen beschlossen, dass die Regenbogenfahne nicht mehr aufgehängt werden dürfe. Der fraktionslose Ratsherr Tim Großmüller hatte den Antrag eingebracht und laut NDR mit den Straftaten begründet, die mehrfach dazu geführt hätten, dass unbekannte Täter die Regenbogenflagge durch Fahnen mit nationalsozialistischer Symbolik ersetzt hätten. Für den Antrag hatten laut NDR Mitglieder der von AfD, BSW, Projekt NB sowie der „Stabilen Bürger Neubrandenburg“ gestimmt, denen Großmüller ursprünglich angehört hatte.
Laut dem Onlinemagazin katapult-mv hatte Großmüller ursprünglich unter anderem auch ein Verbot von „Werbung mit homosexuellen Inhalten“ beantragt. Zudem hatte er sich in den vergangenen Jahren offenbar wiederholt queerfeindlich geäußert.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Landtag, Torsten Koplin, bezeichnete die Entscheidung als beschämend. „Nach mehreren Angriffen auf die Regenbogenfahne in den vergangenen Jahren, haben die reaktionären Kräfte ihren Willen durchgesetzt und ein Zeichen gegen Menschlichkeit gesetzt“, sagte Koplin. Die Regenbogenfahne stehe für Weltoffenheit, Vielfalt und den Schutz von Minderheiten und Andersdenkenden. Der Antrag mache deutlich, „wie sehr sich das politische Koordinatensystem nach rechts verschoben hat“, erklärte der Linkspolitiker weiter. Besonders enttäuschend sei, dass Abgeordnete der CDU und des BSW keine Hemmungen gehabt hätten, dem zuzustimmen oder sich zu enthalten.
Bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin sagte Witt nun laut einem Mitschnitt, den der NDR veröffentlichte: „Da ist schon ’ne Menge passiert, da ist schon 'ne Menge Druck, der ausgeübt wird.“ Irgendwann habe das Auswirkungen auf sein Umfeld, auf seinen Ehemann, seine Familie und Freunde gehabt. Ein Schlüsselerlebnis sei gewesen, als seine Mutter ihm morgens eine Whatsapp-Nachricht geschickt habe mit dem Inhalt: „Heute ist es nicht so schlimm, was in der Zeitung steht.“
Schirmherr von Christopher-Street-Day-Veranstaltungen
Witt hatte sich in der Vergangenheit für ein weltoffenes und tolerantes Neubrandenburg ausgesprochen – unter anderem als Schirmherr von Christopher-Street-Day-Veranstaltungen. In den sozialen Medien hatte sich der 45-jährige Witt auch selbst mit der Regenbogenfahne gezeigt.
Seine reguläre Amtszeit würde noch bis 2029 dauern. Witt ist seit 2015 Oberbürgermeister der drittgrößten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns. Er wurde im Jahr 2022 mit großem Vorsprung vor seinem einzigen Gegenkandidaten wiedergewählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind