SPD-Kandidat Scholz vor Finanzausschuss: Ein handfester Justizskandal
Union und Opposition tun so, als sei Finanzminister Olaf Scholz ein Geldwäscher. Ihr Manöver kurz vor der Wahl ist ein parlamentarischer Tiefpunkt.
G eldwäsche ist ein massives Problem in Deutschland. Allerdings ist dies nicht die persönliche Schuld von SPD-Finanzminister Olaf Scholz, weswegen es abwegig war, dass er am Montag von der Opposition vor den Finanzausschuss zitiert wurde, als wäre er Deutschlands oberster Steuersünder und Geldwäscher.
Die „Razzia“ im Finanzministerium war ein mieser Wahlkampftrick der CDU, die sich nicht zu schade war, das Ansehen des Rechtsstaats zu missbrauchen, um den Konkurrenten um die Kanzlerkandidatur zu desavouieren. Eigentlich hätten sich die anderen Parteien nicht zum Handlanger der Union machen dürfen – aber für Grüne, Linke und FDP war die Versuchung zu groß, im Wahlkampf irgendwie auch noch zu punkten, indem sie eine Sondersitzung des Finanzausschusses beantragten.
Die Opposition deckt damit einen handfesten Justizskandal: Die „Durchsuchung“ im Finanzministerium wurde von der Staatsanwaltschaft in Osnabrück beantragt und vom Amtsgericht in Osnabrück bewilligt. Beide Institutionen werden von aktiven Unionsanhängern geleitet. Mit ihrer „Razzia“ degradiert die CDU die Bundesrepublik zu einer Art Bananenrepublik.
Dieser Tiefpunkt der parlamentarischen Kultur hat nur einen positiven Aspekt: Das Thema Geldwäsche erhält nationale Aufmerksamkeit. Wie eine Studie für das Finanzministerium schon vor Jahren schätzte, werden in Deutschland jährlich etwa 100 Milliarden Euro an kriminellen Geldern gewaschen. Davon fließt ein Großteil in Immobilien, in Antiquitäten und Kunstwerke sowie in Unternehmen wie Restaurants.
Flut von zu vielen Anzeigen
In der Vergangenheit gab es zwar diverse Gesetzesinitiativen, um die Geldwäsche einzudämmen. Aber sie haben das Chaos noch vergrößert. So hatte der damalige CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble die fatale Idee, die Financial Intelligence Unit (FIU) aus den Kriminalämtern auszugliedern und dem Zoll zuzuschlagen. Seither funktioniert fast nichts mehr.
Außerdem wurden die Vorschriften, wann Banken, Notare oder Juweliere den Verdacht auf Geldwäsche zu melden hatten, mehrfach verschärft. Diese Idee war richtig, sorgte jedoch für eine Flut von Anzeigen: Gingen 2009 ganze 9.046 Verdachtsfälle ein, waren es 2020 schon 144.005. Das kann niemand bearbeiten.
Bei der Geldwäsche ist ein neuer Ansatz nötig. Statt sie nachträglich zu melden, wäre es besser, sie zu verhindern. So muss etwa klar sein, wem Immobilien gehören. Intransparente Fonds und Schachtelkonstruktionen sind zu verbieten. Doch diese Reform hat die CDU bisher verhindert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland