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SPD-Generalsekretär meldet sich krankKevin Kühnert tritt zurück

Der SPD-Generalsekretär legt aus Gesundheitsgründen sein Amt nieder. Die Parteivorsitzenden wollen noch am Montag ein:e Nach­fol­ge­r:in vorschlagen.

Ende einer steilen Karriere: Kevin Kühnert tritt zurück Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin dpa/rtr/taz | Kevin Kühnert tritt als Generalsekretär der SPD zurück. Der 35-Jährige begründet diesen Schritt in einer schriftlichen Presseerklärung mit gesundheitlichen Problemen. Die Erklärung wurde als Mail auch an Partei-Mitglieder geschickt.

„Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin“, schrieb Kühnert in der Mail am Montag. „Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen.“

Die kommende Wahl sei offener, als viele das heute glauben wollen, schrieb Kühnert weiter. Die Chancen für die SPD ergäben sich dabei aber nicht aus Abwarten, sondern einzig und allein aus Anpacken.

Der Generalsekretär schrieb weiter, dass er die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil „vor wenigen Tagen informiert“ habe, dass er vom Amt des SPD-Generalsekretärs am Montag zurücktrete.

Außerdem habe er die Vorsitzenden der SPD im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg darüber informiert, dass er nicht mehr erneut bei der kommenden Bundestagswahl antreten werde. In dem Wahlkreis hatte er 2021 das Dirketmandat gewonnen – und die Grüne Renate Künast auf Platz 2 verwiesen.

„Diese Entscheidungen haben mich Überwindung gekostet und sie schmerzen mich, weil ich meine politische Arbeit mit Herzblut betreibe“, erklärte er. Doch er trage Verantwortung für sich selbst und für die SPD. „Indem ich mich jetzt ganz um meine Gesundheit kümmere, glaube ich, meiner doppelten Verantwortung am besten gerecht zu werden.“ Für einen Wahlsieg sei der volle Einsatz der gesamten SPD nötig.

Nachfolge soll noch am Montag vorgeschlagen werden

Die SPD-Spitze will den Parteigremien noch am Montag einen Vorschlag für die Nachfolge des zurückgetretenen Generalsekretärs Kevin Kühnert machen. „Wir werden als Parteivorsitzende noch heute zu Gremiensitzungen, heute Abend zu Gremiensitzungen einladen und dort einen Vorschlag für eine Nachfolge machen“, sagte Partei-Co-Chefin Saskia Esken am Nachmittag in Berlin. „Wir sind vorbereitet.“ Sowohl Esken als auch Klingbeil äußerten ihren Respekt für die Entscheidung von Kühnert und dankten ihm für seine Arbeit. Beide verwiesen darauf, das Kühnert gesundheitliche Gründe für seinen Rückzug genannt hatte. „Eine Krankheit ist Privatsache“, sagte Esken.

Kühnert ist seit 2021 Generalsekretär der Sozialdemokraten und zog im selben Jahr in den Bundestag ein. Zuvor wurde er seit 2017 als Vorsitzender der Jusos bundesweit bekannt – unter anderem, weil er eine Kampagne gegen eine GroKo aus Union und SPD organisierte.

2019 spielte er eine entscheidende Rolle, als die Parteilinken Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Stichwahl gegen den heutigen Kanzler Olaf Scholz und Klara Geywitz an die SPD-Spitze kamen. Er selbst wurde damals einer von fünf Vize-Chefs der Partei. Später unterstützte er Scholz bei dessen erfolgreicher Kanzlerkandidatur.

Am Dienstag sollte Kühnert bei einem Kongress der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung auftreten. Thema der Gesprächsrunde: „Wir machen die Demokratie zukunftsfest!“

Puh, schreibt Grünen-Chefin Lang

„Der politische Betrieb kann ein hässlicher Raubbau sein. Egal, was einen politisch trennt – wenn es um die Gesundheit geht, wird fast alles zweitrangig“, schrieb Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) auf X. Die Europaparlamentarierin fügte hinzu: Sie wünsche Kühnert von Herzen alles Gute.

„Puh“, twitterte die Noch-Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in einer ersten Reaktion auf X. „Kühnert ist einer der klügsten und schlagfertigsten Politiker, die ich kennen lernen durfte.“ Er wird fehlen, als Politiker – und persönlich auch als Freund. Lang hatte zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden Omid Nouripour Ende September ihrer Rücktritt angekündigt – wegen der schlechten Ergebnisse ihrer Partei bei den letzten Landtagswahlen.

Danach wurde auch Kühnert mehrfach mit der Frage konfrontiert, ob er nicht auch Verantwortung für die Wahlergebnisse übernehmen wolle – obwohl die SPD in Brandenburg sogar stärkste Kraft geworden war. Kühnert antwortete mehrfach, dass er sich die Frage auch stelle und zu einem Rückzug bereit sei, wenn er nur meinen würde, dass dies der SPD helfen werde.

In seinem Umfeld wurde aber am Montag betont, dass die von Kühnert angeführten gesundheitlichen Gründe nicht vorgeschoben seien.

Anm. der Redaktion: Der Text wurde im Laufe des Tages mehrfach aktualisiert.

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26 Kommentare

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  • Schon die Formulierung "... Politik mit Herzblut betreiben..." sagt überdeutlich, daß das nicht gesund sein kann.



    Kann man den Politikbetrieb so umbauen, daß er weniger zerstörerisch aufs Personal wirkt?



    So wie es jetzt läuft, haben kalte Apparatschiks die besten Überlebenschancen.

    • @Monomi:

      Politik ist im besten Fall ein ständiges Ringen um die beste Lösung und (bzw. in schlechteren Fällen zunehmend "oder") die Macht, sie umzusetzen - und das in einem fachlich denkbar weiten Feld. Ihr Treibstoff sind neben inhärenten Qualititäten wie Intelligenz oder Empathie Unmengen an mühsam erlerntem Wissen und vor allem EHRGEIZ - persönlicher oder idealistischer. Wer davon am meisten hat bzw. "auf die Straße" bringt, ist erfolgreich. Selbst in einer Erbmonarchie, wo die Machtfrage als im wesentlichen geklärt gelten könnte, ist - zumindest gute - Spitzenpolitik daher im Zweifel immer noch harte Arbeit und äußerst schwer in Teilzeit zu bestreiten.

      Entlastung könnte(!) die direkte Demokratie bieten. Aber da sollte man sich von der "gemütlichen" Schweiz nicht täuschen lassen: Auf der Ebene eines 80-Millionen-Staates oder gar einer 400 Millionen-EU (also mit entsprechend mehr Komplexität und globaler Bedeutung nicht nur als Rückzugsort für alles Mögliche) verfliegt auch die dortige Gelassenheit ganz schnell.

      • @Normalo:

        "Entlastung könnte(!) die direkte Demokratie bieten."

        Genau "könnte".Wobei auch?

        Gemeinsames Einarbeiten in Großgruppen in Themen? 80 Millionen die sich in das gleiche Thema inarbeiten oder doch wieder nur wenige, die dazu Lust haben?

        Auch in der Schweitz betreiben einzelne Menschen Politik mit Herzblut und treiben sie voran.

        Direkte Demokratie ist nur das Ende vom Lied, wenn die Abstimmung erfolgt.

  • Soooooo schade! Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute. Möge er gesund werden und sich gut erholen. Einen adäquaten Ersatz wirds nicht geben, aber Gesundheit geht wirklich vor.



    Danke für die interessanten Gespräche und Analysen, die ich im Fernsehen mitverfolgen durfte! Solche authentischen Herzblutpolitiker mit dem Herz am rechten Fleck, weitem Horizont, klarem Geist und Eloquenz braucht das Land so dringend.

  • Kevin Kühnert kann zugegebenermaßen genial reden.



    Leider hat er nichts gelernt und hat keinerlei Lebenserfahrung.



    Daher ist der Schritt zu begrüßen.



    Trotzdem wünsche ich ihm auf jeden Fall gute Besserung.

    • @Andere Meinung:

      Kühnert hat als einer der wenigen Politiker seiner Generation Arbeitserfahrung außerhalb der Politik, er hat jahrelang in einem Call Center gearbeitet. Ich denke, es würde der Politik gut tun, wenn es neben den vielen Politologen, Juristen und Lehrern mehr Leute mit solchen eher proletarischen Berufserfahrungen gäbe. Ich finde, das sind durchaus relevante Lebenserfahrungen, die manchmal einen klareren Blick ermöglichen, als der fehlende akademische Abschluss, auf den Sie hier offenbar hinweisen möchten.



      Lebenserfahrung ist aber nicht nur Berufserfahrung, ein öffentliches Coming Out wie bei Kühnert ist auch eine Lebenserfahrung, die in der Politik wichtig sein kann.

    • @Andere Meinung:

      "nichts gelernt und hat keinerlei Lebenserfahrung."



      Könnte es sein, dass da selbst der Politiker Kühnert besser in der Lage ist, sich differenziert auszudrücken?

    • @Andere Meinung:

      Alter, nicht mal jetzt fällt dir was Neues ein? Wie peinlich. Kevin Kühnert hat mehr Schneid, Grips und Erfahrung als Leute, die nur BILD widerkäuen können.

  • Jung - hol di fuchtig & gute Besserung.

  • Gute Besserung

  • Sehr, sehr schade. Ich wünsche Kevin Kühnert alles erdenklich Gute und baldige Genesung. Er, als linker SPD'ler, wird der Debatte fehlen.



    Ich hoffe sehr, er wird in der einen oder anderen Form in die Politik zurückkehren und die Debatte prägen.

  • Ich muss nicht alles gutheißen, und er hatte mehr politisches Geschick als für mich nachvollziehbare Werte und Ergebnisse, mein Eindruck.

    Doch alles Gute gesundheitlich, wo es ihn dann irgendwann auch hinbewegen wird. Und ein Dankeschön, dass er sich auf seine Weise und mit seinen Qualitäten politisch engagierte.

    Eine Gesellschaft braucht nämlich eine sehr breite politische Beteiligung statt Häme und Abwertung (v.a. durch Rechtsaußen leider inzwischen fast die Regel).

  • Ob mir jede von K.K. vertretene Position gefallen hat ist die eine Sache - eine andere ist die Tatsache, dass er sich ganz offensichtlich mit aller Kraft für seine Partei die SPD eingesetzt und aufgerieben hat.



    Klug, kompetent,engagiert und nie aalglatt wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen.

    Ich habe etliche Kritikpunkte an der Richtung in die sich die ehemals stolze sozialdemokratische Partei entwickelt hat.



    Trotzdem habe ich große Hochachtung vor denjenigen die sich aus persönlicher Überzeugung tagtäglich für ihre Partei einsetzen.



    Irgendeiner muss es ja machen... und von der Seitenlinie aus kritisieren - wie ich das



    mache - ist immer einfacher.

    Schade dass er geht - verständlich ist es aber im aktuellen politischen Klima auch.



    Es braucht auch Mut um aufzuhören - leider gehen immer die falschen.

  • "Kevin Kühnert schmeißt hin" click bait at its best.. Respekt gleich Null.

    Ich mochte Kühnert als JusoVorsitzenden. Er hatte für mich eine direkte ehrliche Art. Leider ist es ihm, in meinen Augen, als SPD Generalsekretär abhanden gekommen. Meine Sympathie für ihn jedoch blieb. Ich wünsche ihm, dass es ihm bald wieder besser geht.

    • @Hitchhiker:

      das "schmeißt hin" ist ja jetzt wohl weg aus den überschriften. gut so.



      hatte ich ebenfalls (s.u.) kritisiert.



      man/frau muß weder die spd noch kk mögen - aber erst mal respektieren. das gehört sich einfach. alles andere ist unanständig und irgendwie trotzig-pubertär oder so...



      ohne die fdp je gemocht zu haben, schließe ich mich den genesungswünschen der o.a. fdp-politikerin an.

  • Herr Kühnert galt für mich immer zu den, obwohl das in der Politik auf dieser Ebene, eigentlich keine Rolle spielen sollte, sympathischeren Parteimitgliedern. Auch wenn ab und zu im Bezug auf die Wirtschaft der Juso immer mal wieder durchbrach.



    Aber vielleicht schafft die SPD, wenn jetzt auch hoffentlich Esken Ihren Hut nimmt,



    einen Neuanfang.

  • Was für eine Überschrift! "Kevin Kühnert schmeißt hin". Glaubt man der Begründung nicht und geht davon aus, dass Herr Kühnert an Erfolglosigkeit leidet und daher ausscheidet? Spannend.

  • Kühnert war permanent überfordert, das kann auch gesundheitliche Folgen haben.

    • @Lars Sommer:

      Wenn man es ständig mit Lindner & Co zu tun hat, muss es auch.

    • @Lars Sommer:

      Lesen Sie sich doch erst mal zum Thema ein. Wertschätzung ist gewöhnlich das Entscheidende bei der gefühlten Belastung.

      Und woher wissen Sie eigentlich, ob es Depression, ob es Lungenkrebs oder noch etwas ist? Aber einen rauslassen!

  • Ich weiß, es ist reiner Zufall, aber dass die erste und damit in größerer Schrift gesetzte Überschrift auf der taz-Seite "Verführerische Apokalypse" heißt, und dann

    "Kevin Kühnert schmeißt hin"

    kommt, finde ich angesichts der Lage der SPD doch gelungen.

    Erinnert an die berühmte Seite auf BR-Online, auf der oben stand:

    "Josef Ratzinger zum Papst gewählt"

    und darunter

    "Teufel hat seinen Rücktritt erklärt"

    (Gemeint war der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel)

  • Sehr, sehr schade. Das größte politische Talent (in Wirklichkeit sehr viel mehr) der SPD geht! Der Rückzug von Kühnert aus gesundheitlichen Gründen sollte eine Diskussion darüber auslösen, wie anstrengend der Beruf als Politiker ist. Hoffentlich gibt es nach der Gesundung von Kühnert ein politisches Comeback!

    • @Lindenberg:

      Der z. T. brutale und harte Umgang in Politik und Gesellschaft machte viele Bürger mittlerweile krank. Eine Generation und Menschen, die mit Gewissen und Aufrichtigkeit erzogen wurden, kommen da meines Erachtens nicht mehr zurecht. Warum gibt es so viele psychisch angeschlagene Personen? Nun hat es mal einen (vielleicht aufrichtigen und ehrlichen) Politiker getroffen. Wir - Staat und Bürger - sollten einen menschlicheren Umgang praktizieren und die hohen Krankheitsraten und wachsenden Einweisungen in Psychiatrie würden sinken. Das Leben wäre wieder lebenswerter.

  • also erst mal die meldung von kühert hinnehmen - das wäre eigentlich dast normalerweise erwartbare. allerdings legt die taz hier nahe, die sache mit der gesundheit als ausrede zu vermuten. die wortwahl: "schmeißt hin" deutet das ebenfalls an.



    anständig geht anders.



    das sagt eine, die weiß-göttin kein spd- oder kühnert fan ist.

  • Ich wünsche Kevin Kühnert als Mensch die schnellst- und bestmögliche Genesung, Gesundheit geht immer vor. Vom Amt her war ich nie Freund seiner Arbeit und wünsche der SPD eine richtig gute Nachfolge und daß es endlich wieder mal aufwärts geht mit der SPD.

  • Dann mal gute Besserung... dem Kevin und der Partei.