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Rückläufige Zahl der VerkehrstotenNoch immer erschreckend viele

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Zahl der Verkehrstoten sinkt. Trotzdem sind sieben Menschen, die täglich ihr Leben lassen, noch immer viel zu viele.

Ein seltenes Bild: Die fast leere A7 an Pfingsten zu Pandemiezeiten Foto: Hafner/imago

J eden Tag sterben sieben Menschen im Straßenverkehr in Deutschland, mehr als 800 werden verletzt, etliche leiden ein Leben lang unter den Folgen. Wer durch die Coronakrise nicht völlig verhärtet ist, findet das erschreckend viel. Dabei: Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen sind so wenige Menschen im Straßenverkehr gestorben und verletzt worden – ein Nebeneffekt der Pandemie. Aber es sind noch immer viel zu viele, und nach der Coronakrise werden es wahrscheinlich wieder mehr.

Die Pandemie zeigt: Sind weniger Autos unterwegs, passiert auch weniger. Das klingt banal. Aber das ist es leider nicht. Denn offenbar sind Gesellschaft und Politik nicht bereit, aus dieser einfachen Tatsache Konsequenzen zu ziehen und den Auto- und Lkw-Verkehr generell zurückzudrängen. Und das wäre gar nicht so schwer. Bür­ge­r:in­nen könnten bei vielen Gelegenheiten das Auto stehen lassen, zu Fuß gehen, Rad oder Bahn nehmen.

Po­li­ti­ke­r:in­nen könnten dafür sorgen, dass überall dort, wo Kinder unterwegs sind, kein oder nur sehr langsam Auto gefahren werden darf. Das wollen viele Kommunalpolitiker:innen, aber der Bund schafft die Voraussetzungen dafür nicht. In den deutschen Verkehrsgesetzen hat das Auto nach wie vor Vorfahrt. Ob die neue Bundesregierung das ändern wird, ist fraglich. Die Ampel hat es leider nicht vermocht, echte verkehrspolitische Reformen zum Regierungsprogramm zu machen.

Das wären ein Tempolimit für Autobahnen gewesen oder die Freigabe für Kommunen, flächendeckend Tempo 30 einzuführen. Oder wenigstens am Himmelfahrtstag, an Neujahr oder am 1. Mai eine Null-Promille-Grenze für Autofahrende einzuführen. Denn an diesen Tagen gibt es die meisten Unfälle unter Alkoholeinfluss. Viele erwarten von dem neuen Verkehrsminister von der FDP gar nicht erst, dass er die Leerstellen im Koalitionsvertrag füllt.

Aber so einfach sollte man es Volker Wissing nicht machen. Er will erklärtermaßen Anwalt der besten Mobilität für alle sein. Daran sollte man ihn messen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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15 Kommentare

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  • @CR43

    Na klar. Wollen Sie das?

    Ich wollte lediglich bei der nüchternen Realität von rd. 2700 unmittelbaren Verkehrstoten (und ungezählten mittelbaren) in DE 2020 bleiben.

  • "Po­li­ti­ke­r:in­nen könnten dafür sorgen, dass überall dort, wo Kinder unterwegs sind, kein oder nur sehr langsam Auto gefahren werden darf."

    Und weil es keine NoGo-Areas für Kinder geben sollte, flächendeckend 30!

  • Hilfreich wäre noch die Quellenangabe zu dieser Textstelle, um Suggestion und Fakten auseinanderhalte zu können.

    “Oder wenigstens am Himmelfahrtstag, an Neujahr oder am 1. Mai eine Null-Promille-Grenze für Autofahrende einzuführen. Denn an diesen Tagen gibt es die meisten Unfälle unter Alkoholeinfluss.”

  • Man kann es auch aus einer anderen Sicht sehen: Trotz hoher Verkehrsleistung nimmt die Verkehrssicherheit seit Jahrzehnten kontinuierlich zu. Das von der Autorin daraus abgeleitete Autobashing lässt sich aus diesen Zahlen heraus wirklich nicht ableiten, entspricht aber dem links/grünen Zeitgeist.

  • Ein etwas uneinheitlicher Kommentar. Zuerst die etwas aufregende Überschrift, nur um bereits im dritten Satz den Hinweis zu geben, das die Zahl der Verkehrstoten seit Jahren sinkt. Und man muss ja die Relation berücksichtigen: 7 von 83.000.000.

    Das Tempolimit auf 130 bei Autobahnen würde vermutlich wenig bringen, denn die eigentliche Seuche sind Drängelei und fehlender Abstand zum Vorderfahrzeug. Würde man das konsequent ahnden und überwachen, müssten wohl 30% den Lappen für immer abgeben (Die Zahl ist subjektiv, zugegeben). Technisch wäre sowas bestimmt machbar. Der Durchbruch wären wohl Aufzeichnungssysteme/kameras am Heck die gerichtsfest solche Verstöße dokumentieren könnten. Dann könnte jeder der will solche Dinge zu Anzeige bringen und das mit Aussicht auf Erfolg. Aber das wird hierzulande nie erlaubt werden (Denunziantentum! Datenschutz!)

    Btw: Im Haushalt [1] sterben jährlich 4x soviele Menschen wie auf der Straße, Tendenz steigend.

    [1] de.statista.com/st...und-von-unfaellen/

    • @Phili:

      Dann bräuchten wir aber auch Kameras, die zur Ahndung von rücksichts-losem Mittelspur fahren und überholen führen.



      Obwohl mein Auto nur 100 fährt, habe ich mit "Dränglern" kein Problem, weil ich erst gucke, bevor ich zum überholen ansetzen, und dann auch schnell wieder rechts bin. Ist nicht schwer, kann man lernen.

  • 9G
    95309 (Profil gelöscht)

    Demgegenüber sind 12000 Menschen bei Haushaltsunfällen gestorben. Davon alleine 4000 durch Treppenstürze. Danach wäre Autofahren sicherer als Treppensteigen. Wenn ich nur im Auto bleibe, verringere ich mein Unfallrisiko deutlich. Oder besser: "Sind mehr Autos unterwegs, passiert auf die Gesamtbevölkerung gerechnet auch weniger." Deutschland ist im Mittelfeld der Union bei Verkehrsunfällen angesiedelt. Insofern lässt sich eine Korrelation zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Unfällen nur schwer herstellen.

    Auch Rückschluss daß eine Abnahme der Verkehrstoten durch die Pandemie stattgefunden hätte ist schwer zu beweisen. Euroactiv.de schreibt



    >>Laut der Kommission hat der Rückgang des Verkehrsaufkommens aufgrund der Pandemie wohl „deutliche – wenngleich nicht messbare – Auswirkungen auf die Zahl der Verkehrstoten“ gehabt.

    Daten aus einigen EU-Ländern deuten allerdings auch auf eine Zunahme von risikoreichem Fahrverhalten, insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen, während der Lockdown-Zeit hin.

    • @95309 (Profil gelöscht):

      Man sollte Haushalts- und Verkehrsunfälle nicht in Relation setzen, was zu irrealistischen Fehlschlüssen führt: Beispiele beiseite. Innerorts passieren leider die meisten Unfälle, während auf Autobahnen die Auswirkung meist "spektakulär" und medienwirksam ist. Folglich müssen effektive Konzepte für sicheren Stadtverkehr entwickelt werden. Notfalls müssen die Grünen im Kabinett Herrn Wissing Beine machen und notfalls zur Lösung tragen ...

  • Nach dieser symbolträchtigen Aktion "kein Tempolimit" erwarte ich von einem FDP-Verkehrsminister nur eins: Freiheit für die Killer, nicht für die Kinder.

    Möge er mich eines besseren belehren.

    • @tomás zerolo:

      Geht es vielleicht noch polemischer?

  • Kein Wert kann absolut sein, auch der des menschlichen Lebens nicht. Und wäre er absolut, dann müsste man bei Übergewicht, Alkoholismus, Rauchern, Suizid,… ansetzen, denn durch diese Dinge gehen jeweils weit mehr Leben verloren als durch den Straßenverkehr.



    Nicht hilfreich ist zudem der Eindruck, dass die Verkehrstoten hier im Grunde nur eine weitere, argumentative Stütze auf dem Weg hin zur ohnehin gewünschten Klimapolitik sind.

  • Sie haben Recht, Frau Krüger. Jeder Verkehrstote oder bei einem Verkehrsunfall Verletzte ist einer zu viel.

    Aber nur durch das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel (was vielen mangels ausreichender Angebote leider gar nicht möglich ist) oder immer weiterer Geschwindigkeitsbeschränkungen (wobei Tempo 130 auf Autobahnen und Tempo 30 in reinen Wohngebieten sowie vor Schulen usw. sicher sinnvoll ist) lassen sich die Zahlen nicht nachhaltig reduzieren.

    So lange Rücksichtslosigkeit und Egoismus in unserer Gesellschaft weiter zunehmen und sich das eins zu eins auch im Straßenverkehr auswirkt, werden die Zahlen nicht wirklich sinken.

    Wenn es uns als Gesellschaft nicht besser gelingt, Solidarität und Rücksicht als Werte zu erkennen und zu praktizieren, werden wir in diesem Bereich - wie auch in vielen anderen Bereichen - keinen Erfolg haben.

    Verbote und Restriktionen reichen dafür nicht.

    • @Pete B.:

      "Tempo 30 in reinen Wohngebieten sowie vor Schulen usw. sicher sinnvoll ist"

      Sie sind also dafür, dass sich Kinder nicht frei in ihrer Stadt bewegen dürfen?

      (Nach wie vor?)

  • 0G
    04708 (Profil gelöscht)

    > Die Zahl der Verkehrstoten ist rückgängig.

    rückläufig

  • Leider erfährt man in dem Kommentar zwar dass 7 Menschen täglich im Straßenverkehr sterben - allerdings nicht wo und aus welchem Grund. Kein Interesse oder Absicht? Solange nicht an der konkreten Realität argumentiert wird, erscheinen Forderungen nach Tempolimits auf der Autobahn oder flächendeckend Tempo 30 recht billig, um nicht zu sagen: populistisch.