Raser:innen auf Fernstraßen: Zu viele Verkehrstote
Raser:innen verursachen etliche Unfälle, die viele Menschenleben kosten. Die Linkspartei fordert ein Tempolimit von 120 auf Autobahnen.
Berlin taz | Rasen tötet: Auf deutschen Fernstraßen sind in den Jahren 2018 bis 2020 mehr als 1.150 Menschen infolge eines Unfalls gestorben, der auf eine überhöhte Geschwindigkeit zurückging. Das geht aus der Antwort von Verkehrs-Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) auf eine Frage der Linken-Bundestagsabgeordneten Nicole Gohlke hervor. In diesem Zeitraum kamen durch geschwindigkeitsbedingte Unfälle auf Autobahnen 525 und auf Bundesstraßen 628 Personen ums Leben. Das Bundesstraßennetz ist etwa dreimal so lang wie das der Autobahn.
Insgesamt gab es im untersuchten Zeitraum auf den deutschen Autobahnen 55.754 Unfälle mit Personenschaden, bei denen 1.097 Menschen starben. „Die meisten Todesopfer auf Autobahnen gehen auf das Konto von Rasern“, sagt Gohlke, die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion ist. Dieser Realität müsse sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellen. Gohlke kritisiert, dass die neue Bundesregierung kein Tempolimit für Autobahnen in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. SPD und Grüne haben in ihren Bundestagswahlprogrammen zwar ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen gefordert. Mit ihrer strikten Ablehnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung hatte sich aber die FDP durchgesetzt. „Die Autolobby hat wieder einmal über die Vernunft gesiegt“, sagt Gohlke. „Für ihre PS-starke Wählerklientel gefährdet die FDP lieber Menschenleben.“
Deutschland ist in Europa das einzige Land, das auf Autobahnen keine Tempobegrenzung hat. Weltweit haben nur sehr wenige Länder keine Höchstgeschwindigkeit, etwa Afghanistan oder Somalia. Etliche Umwelt- und Verkehrsverbände verlangen seit Langem eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die Deutsche Umwelthilfe will sie durchsetzen.
Die Linkspartei fordert für Autobahnen ein Limit von 120 Stundenkilometern. „Die Einführung einer Höchstgeschwindigkeit würde Leben retten, die Umwelt schonen und Rettungskräfte entlasten“, sagt Gohlke. „Gleiches gilt für Landstraßen, wo maximal 80 Kilometer pro Stunde zur Regel werden müssen.“ Auf deutschen Landstraßen dürfen Fahrzeuge bisher bis zu 100 Stundenkilometer schnell sein.
Leser*innenkommentare
resto
Populismus pur. Die meisten Menschen sterben auf Bundes- und Landstraßen. Und zwar, weil nicht angepasst gefahren, auf's Handy geschaut oder leichtsinnig überholt wird. Dort müssten häufiger Kontrollen durchgeführt werden. In der Schweiz hat die Polizei spezielle Geräte, mit denen sie erkennen kann, ob die Person am Steuer abgelenkt ist (durch Handy, essen, trinken...), das ist nämlich verboten.
Holger Steinebach
Populismus allererster Güte.
Es sterben jedes Jahr hundert Mal mehr Menschen an Nikotin oder Alkohol als auf Autobahnen. Also lass uns zuerst mal die Suchtmittel verbieten.
Und ein Tempolimit wird dann halt ignoriert - Raser gibts auch in Österreich - trotz Tempolimit.
Normalo
Es ist mal wieder schon Alles gesagt:
-"Überhöhte Geschwindigkeit" ist schon verboten.
- In den meisten Fällen geschehen Unfälle dort, wo diese Überhöhung auch bereits beziffert, also ein Tempolimit eingerichtet ist.
- Autobahnabschnitte ohne Geschwindigkeitsbegrenzung weisen keine höheren Unfallzahlen auf als solche mit.
- Länder mit Tempolimit und weniger Verkehrstoten pro Straßenkilomter sind erstaunlich rar und durchgängig mit weit geringerer Verkehrsdichte gesegnet als Deutschland.
Die Argumente für ein Tempolimit reichen also vorne und hinten nicht. Aber das stört halt nur die, die sich mit Argumenten überhaupt ernsthaft beschäftigen wollen...
Troll Eulenspiegel
@Normalo Nun so einfach ist die Sache auch wieder nicht. Den Schluss zu ziehen, auch mit Tempolimits würden die Unfallzahlen ähnlich sein ist zu oberflächlich und undifferenziert, besonders wenn nicht ausgearbeitet wird, ob auf Autobahnen, oder nicht, oder mit einer 120km/h Beschilderung oder nicht.
Das geht los, wenn man sich andere Länder im Vergleich anschaut, die ebenfalls kein Tempolimit haben. Pakistan beispielsweise. Ohne in die Unfallzahlen pro Kilometer Autobahn zu spicken, dürfte es sicher sein, dass die Unfallzahlen weitaus höher liegen dürften trotz geringerer Motorisierung als in Deutschland, also der Grad wieviele 1000 Einwohner an Autos verfügt. Sollte das Argument also nicht das Tempolimit sein, dann hat es vielleicht andere Gründe, wie z.B. der technische Zustand der Fahrzeuge.
Dann aber, weil wir den TÜV und alles haben, bedeutet das, dass Deutschland so gut dastehen müsste, dass viel weniger Tote als jetzt zu beklagen wären. Deckt sich jedoch nicht mit der Realität ab, und es würde nur zu Zirkelschlüssen und ähnlichen argumentativen Fauxpas kommen. Also Tempolimit kann's nicht sein, aber dann wieder doch?
Hier könnte ich noch weitaus tiefer in die Materie einsteigen, da ich im weitesten Sinne mit Verkehrsphysik arbeite, jedoch gibt es hier ein Zeichenlimit. Daher erstmal: Ein PKW-Fahrer, der unbedingt 150km/h fahren muss, benötigt doch einfach mehr Platz auf der Fahrbahn. Er benötigt mindestens die Reaktionszeit + Anhaltezeit + Sicherheitsabstand als Platz vorne. Weit weniger benötigt er bei 120km/h und in einer wenigen Kilometer langen Strecke würden, gerade auf Autobahnabschnitten mit hohem Verkehrsaufkommen, mehr Autos Platz finden. Die Menge an Autos würde sich nicht reduzieren, aber trotz langsamerer Fahrweise bleibt der Verkehrsfluss aufrecht erhalten. Geht auch mit 150km/h, aber dann braucht dieser Fluss weitaus mehr Platz, den wir auf manchen Autobahnabschnitten nicht mehr haben.
Was wäre nun an solchen Ansätzen fürs Tempolimit ein Problem?
resto
@Normalo In den USA mit Geschwindigkeitsbegrenzungen, auf Interstates zwischen 60-80 Meilen, gibt es weitaus mehr tödliche Verkehrsunfälle als in Deutschland. Dort hatte ich das Gefühl, dass die Automatikautos und das langsame Fahren zu Faulheit und Unachtsamkeit führen.
Oznah Akanat
@resto Da ist auch etwas wahres dran, es gibt einige gute Arbeiten zu diesem Themenkomplex und es ist ziemlich eindeutig - was auf den ersten Blick unfallträchtiger erscheint ist es sehr oft nicht, ganz im Gegenteil. Der Grund ist, wie ganz richtig bemerkt, die Aufmerksamkeit.
Maria Burger
Wo sind die Spaziergänger gegen das Rasen? Das wäre mal eine sinnvolle Sache. Spazierengehen gegen Rasen. Auf Fernstraßen, in 30er Zonen, überhaupt. Aber diese Nasen vermuten die Gefahren an ganz falscher Stelle.
meerwind7
Der Drops ist jetzt nun mal gelutscht für vier Jahre.
Schaut mal lieber, was in der Koalitionsvereinbarung sonst noch so drinsteht, auch die wenigen positiven Ansätze. Beispielweise müsste Habeck bei Solarenergie auf die Tube drücken, um so halbwegs im Plan zu bleiben. Bislang hat er das noch nicht angekündigt. Gelegenheit dazu wäre im Osterpaket.
Die Obergrenze liegt laut Koalitionsvereinbarung bei 200 GW, da ist noch viel Luft nach oben.
05989 (Profil gelöscht)
Gast
Ich bin grundsätzlich für ein Tempolimit auf Autobahnen, ich finde aber, dass Landstraßen nicht zwingend flächendeckend auf 80 begrenzt werden müssen.
Für den Vergleich der Gefährlichkeit halte ich es auch für überhaupt nicht zielführend die Streckenlängen in Anschlag zu bringen. Unfälle entstehen durch (hohe) Verkehrsdichte oder Fahrfehler - die haben beide fast nichts mit Strecke zu tun.
Aber das rationalste Argument für die Geschwindigkeitssenkung auf mehrspurigen Straßen ist eben die Angleichung der Geschwindigkeit auf den Fahrspuren - und das senkt dann die Unfallzahlen und auch die Emissionen.
Aber ein anderer Poster schrob es auch schon: Unabhängig davon muss das auch kontrolliert und geahndet werden. Und die Strafen sind in Deutschland lächerlich niedrig. Deswegen würde ich vorschlagen nur noch geringe Geschwindigkeitsübertretungen als Ordnungswidrigkeit zu bestrafen und ab da als Straftat, die nach Tagessätzen geahndet wird.
Bis 100 km/h reicht die Ordnungswidrigkeit bis 10 km/h zu viel, ab 100 km/h können es 20 km/h zu viel sein. Das kann man sich leicht merken. Und ab da Einzelfallbewertung nach Verkehrslage, Witterung, Zustand des Fahrers... und eine Strafe nach Tagessätzen.
Das dürfte gerade die notorischen Viel- und Schnellfahrer sehr schnell disziplinieren. Und das ist wichtig, weil sich die anderen auch viel lieber daran halten, wenn es wirklich für alle gilt und jedem wirklich wehtut, wenn er sich nicht daran hält.
Šarru-kīnu
@05989 (Profil gelöscht) Ich wäre ja dafür die Autohersteller zu zwingen die maximal mögliche Geschwindigkeit von Autos auf die dann festgesetzte Maximalgeschwindigkeit auf Autobahnen zu drosseln. Schneller muss dann ja niemand mehr fahren können. Ausnahmen für Rettungsfahrzeuge usw. wären ja immer noch möglich. Die ganze Diskussion wird mit der anstehenden Revolution des autonomen Fahrens in den nächsten Jahrzehnten sowieso obsolet.
Yvvvonnne
Die Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen lenkt von der viel wichtigeren Diskussion um Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften ab. Von letzterem profitieren Anwohner:innen, zufußgehende, radfahrende und motorisierte Menschen in Bezug auf Sicherheit, Lärm und Luftverschmutzung.
Was auf den Autobahnen passiert, sollen die Autofahrer:innen unter sich ausmachen. Ich halte mich da raus.
Axel Donning
Wenn Die Linke noch mal etwas in der Umwelt- und Naturschutzpolitik nachlegen könnte, wäre das im Zusammenhang mit der Forderung nach dem Tempolimit von 120 Kmh ein echter Grund, die zu wählen.
Yvvvonnne
@Axel Donning Programmatisch sind die Linken nicht schlechter aufgestellt als die Grünen, finde ich. Leider machen sie dann ausgerechnet "Porsche-Klaus" Ernst zum Vorsitzenden des Ausschusses für Klimaschutz und Energie. Schön blöd.
49272 (Profil gelöscht)
Gast
Ich finde der Ansatz ist falsch, setzt den höchsten output des Antriebs auf 150 PS und den höchsten Verbrauch für Verbrenner auf 10l auf 100km in jeder Situation des Beschleunigens. Da möchte ich den SUV mal sehen wie er rumbummelt^^ Die meisten Unfalltoten gibt es auf Landstraßen. Die paar Toten zählen nicht gegen die Verstorben des Klimawandels. Entschleunigt für das Kima!
Tiene Wiecherts
Dann sollte die Die Linke schnell einen Gesetzentwurf zu Tempo 130 auf Autobahnen einbringen und dann mal schauen, ob SPD und Grüne sich trauen, gegen ihre Wahlkampf-Forderungen zu stimmen.
Rudolf Fissner
@Tiene Wiecherts Man geht keine Koalition ein um dann bei Abstimmungen drauf zu ...
Sonst gäbe es jetzt nicht die Initiativen Habecks sondern eine GroKo.
Was die Linke aber machen kann: Für Tempo 30 in den Ortschaften zu sorgen in denen sie auf Bundeslandebene mit regiert. Das wäre mal mutig!
petermann
Ein Tempolimit ist lange überfällig. Für die Durchsetzung bedarf es allerdings zwingend einer drastischen Ausweitung unangekündigter Kontrollen. Nur wenn man jederzeit damit rechnen muss, geblitzt zu werden, werden sich die meisten Verkehrsteilnehmer auch daran halten.
fly
@petermann Tempolimit kann kommen.
Aber mit den Unfallraten lässt es sich nicht wirklich begründen. Sowohl bezogen auf Einwohner, wie auch auf Autos, steht D deutlich besser da, als die meisten Länder mit Tempolimit.
Hohe Strafen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen sind eher wichtig: Schweiz und die nordischen Staaten stehen noch besser dar.
resto
@fly Die Schweiz hat mit ihrem Ziel "0 Verkehrstote" aus den 90ern unter anderem eine sehr hohe Verkehrskontrolldichte eingeführt. Das Resultat: von rund 800 Tote Anfangs 1990 auf 227 in 2020.
Descartes
@fly Das ist soweit nicht verwunderlich. Als "Raser" zählt ja z.B., wer in eine Baustelle mit 120 reinfährt (trotz Tempolimit 80), und die Kontrolle verliert.
Wenn man deutsche Autobahnabschnitte mit Tempo 120 mit anderen Abschnitten ohne Limit vergleicht, dann ergibt sich auch kein Unterschied in der Unfallhäufigkeit. Zielführender ist eine intensivere Kontrolle der bestehenden Tempolimits, und der Abstände (zu nahes Auffahren).
Goodfella
@petermann Dem kann ich nur zustimmen. In Hamburg fährt in den ausgewiesenen 30er Zonen niemand, aber wirklich niemand, mit dem Auto 30. Da muss endlich etwas passieren: Viel mehr Kontrollen und signifikant höhere Bußgelder.
Thomas Sauer
Zehntausend Tote pro Jahr werden bei einem sofortigen Verbot der Holzheizungen vermieden. Sagt die WHo u.a. Interessiert nur niemand. Der Spass beim Fahren und Holzverbrennen muss bleiben. Spassverderber wollen die Linken sein.
Thomas Fluhr
Wo kommt diese Behauptung her "...von Rasern"? Bis jetzt zeigte die Statistik, dass die meisten Unfälle durch Lkw-Auffahrunfälle oder in Baustellen /tempobeschränkten Bereichen passieren. Kann man natürlich auch Raser nennen und von überhöhter Geschwindigkeit sprechen, aber die Tempo 120 Begrenzung hilft da gar nichts.
Ruediger
Wenn die Unfälle auf eine überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen sind, heißt das, die Leute haben sich nicht an eine vorhandene Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten. Warum sollte es anders sein, wenn es ein generelles Tempolimit gibt? Die Unfälle passieren doch offenbar dort, wo sowieso schon eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Interessant wäre, wie Deutschland bei Verkehrstoten im internationalen Vergleich dasteht und wie zum Beispiel die Bußgelder in Ländern mit niedrigeren Werten sind.