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Die taz ist gegen eine Neubaustrecke der S-Bahn? Wer weniger Autoverkehr in der Stadt will, muss den ÖPNV ausbauen. Wenn die taz gegen diese S-Bahn ist, sollte sie einen Alternativplan vorschlagen, was stattdessen wo gebaut werden sollte.
Hmm, eine schwierige Entscheidung für die Stadt Berlin. Die Erinnerungskultur ist zurecht etwas worauf wir stolz sein können. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, daß der Öffentliche Nahverkehr eines der, wenn nicht das dringendste Thema in den Städten ist. In der Haut der Entscheider möchte ich nicht stecken.
Als Faustregel für den Umgang mit Mahn- und Gedenkstätten könnte vielleicht gelten: Sind es Originalschauplätze (z.B. ehem. KZ) oder frei gewählte Orte. Bei den ersten gliche Veränderung tatsächlich Zerstörung. Bei letzteren ist die Möglichkeit marginaler Veränderungen durch Alltagszwänge immer möglich oder gegeben.
Vielleicht müsste man auch erwähnen, dass letztere Mahnmale bewusst (gerade in Berlin) inmitten des Getriebes der Hauptstadt errichtet wurden, um daran zu erinnern, dass die Genozide Teil des Alltags waren und, wie erwähnt, ohne die Mithilfe von "zivilen" Organisationen wie z.B. der Deutschen Reichsbahn nicht zu realisieren gewesen wären (siehe hierzu u.a. Raul Hilbert "Die Vernichtung des europäischen Judentums"). Dadurch ergeben sich fast zwangsläufig laufende Veränderungen. (Erinnert sei hier an den Streit um das Mahnmal zur Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz wegen Parkhausbau.)
Ganz ab davon: Die Lage der Bahntrasse war seit 1993 bekannt. Vielleicht hätte man das bei diesem Mahnmal (Planung und Bau lagen zeitlich weit später) berücksichtigen sollen/können?
Das Gutachten und dann? Da die Trasse kommt ist es Augenwischerei oder reiner Aktionismus.
Können wir mal akzeptieren, dass es beim notwendigen Handelns einer Kommune zumindest temporäre Unannehmlichkeiten geben kann, Fairness nicht durchgehend möglich ist und einfach nach einer pragmatischen und günstige Übergangslösung suchen?
Ähm DIREKT am westlichen Rand des Holocaust-Denkmals liegt der S-Bahn-Tunnel der Nord-Süd-Linien - in Spitzenzeiten rumpeln da im 3-Minuten-Takt die Linien S1, S2, S25 und S26 durch.
Weder wackelt das jüdische Denkmal deswegen noch gab es je Beschwerden das ein Zugtunnel das Gelände streift und das pietätlos sei. So viel zum Thema "Unter dem nahe gelegenen Holocaust-Mahnmal hätte man wohl kaum einen solchen Tunnel gegraben – zu groß die Furcht, die Würde des Ortes dadurch zu verletzen und alte Wunden wieder aufzureißen."🤷♂️
Übrigens der Tunnel Nord-Süd-Fernbahn, der den Berliner Hauptbahnhof mit der Außenwelt verbindet und den täglich hunderte Züge nutzen verläuft auch direkt unter einem Denkmal, dem 'Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen' - die wurden ja wohl auch mit Zügen deportiert, oder?
Dann liegen da noch die Tunnels der U5 und der Tiergartentunnel im Boden rund um den Hauptbahnhof... - da gibt's nicht mehr so viele Möglichkeiten der Streckenführung für den neuen S21-Tunnel vom Hbf zum Potsdamer Platz 🤷♂️
Zwischen Russland, den USA und anderen Ländern hat der größte Gefangenenaustausch seit Sowjetzeiten stattgefunden. Dabei: Evan Gershkovich.
Roma-Denkmal im Berliner Tiergarten: Gedenkstätte in Gefahr
Gegen den Bau einer S-Bahn unter dem Mahnmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma erhebt sich Protest. Er sollte auf offene Ohren treffen.
Das vom S-Bahn-Bau bedrohte Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas Foto: Paul Langrock/Zenit
Die Deutschen sind stolz auf ihre Erinnerungskultur. Viele sind überzeugt, dass wir unsere Vergangenheit angemessen aufgearbeitet hätten. Dafür sprechen in der Tat die vielen Denkmäler, Gedenkstätten und Feiertage, deren Zahl in den vergangenen Jahrzehnten erkennbar zugenommen hat. Erinnern steht hoch im Kurs, und das ist gut so. Aber Sonntagsreden und Gedenktage sind das eine. Der alltägliche Umgang mit einer diskriminierten Minderheit ist das andere.
Da zeigt sich oft eine Kluft zwischen schönen Worten und echter Sensibilität. Der aktuelle Streit über das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas ist da symptomatisch. Der Porajmos, der Völkermord an den Sinti und Roma Europas, stand lange im Schatten der Schoah, dem deutschen Völkermord an rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Europa.
Erst der unermüdliche Einsatz von Betroffenenverbänden und Roma-Aktivisten sorgte dafür, ihn in den vergangenen Jahrzehnten stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken und den Blick auf Vorurteile und Ausgrenzungen von Sinti und Roma zu schärfen, die bis heute fortwirken.
Einige dieser Betroffenenverbände fürchten nun, dass ihr hart erkämpftes Mahnmal unter die Baggerräder kommt, wenn in Berlin eine neue, unterirdische Bahnverbindung gebaut wird, die unter dem Regierungsviertel und direkt unter dem Mahnmal verlaufen soll.
Sie fürchten nicht nur, dass die Bauarbeiten den Zugang zu dem Mahnmal über Jahre hinweg versperren könnten. Sondern auch, dass es danach nicht mehr das Gleiche sein könnte. Werden die Bäume, die Teil des Gedenkorts sind, wieder nachwachsen? Werden die S-Bahn-Züge, die darunter fahren sollen, die Stille des Ortes stören und das Mahnmal erschüttern? Das kann keiner sagen. Aber eine Bahntrasse hat ohnehin einen besonderen Hautgout.
Denn mit der Reichsbahn, deren Rechtsnachfolger die Deutsche Bahn ist, wurden einst sowohl Juden als auch Roma in Vernichtungslager deportiert. Unter dem nahe gelegenen Holocaust-Mahnmal hätte man wohl kaum einen solchen Tunnel gegraben – zu groß die Furcht, die Würde des Ortes dadurch zu verletzen und alte Wunden wieder aufzureißen. Dagegen wirkt der Umgang mit dem Roma-Mahnmal hemdsärmelig und wurschtig: Die Trasse wird geplant, ohne dass die Folgen für das Mahnmal absehbar sind.
Die Betroffenen fühlen sich überfahren und fordern zumindest Gutachten, die das Risiko bemessen, bevor es zu spät ist. Darauf Rücksicht zu nehmen, ist das Mindeste, was der Berliner Senat und die Deutsche Bahn tun könnten. Wir sind es ihnen schuldig.
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Kommentar von
Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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