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Rollback ins fossile ZeitalterDie neue Gas-Ministerin

Weniger Wasserstoff, Kritik am Klimaziel, ein Trick, um Erneuerbare abzuwürgen: Legt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die Axt an die Energiewende?

Ministerin Katherina Reiche beim Wirtschaftstag 2025 Foto: Mike Schmidt/photowerkstatt/imago

Berlin taz | „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, ein Buch des Journalisten Franz Alt, gilt als Ökoklassiker, weil es zeigt, wie die Energiewende Jobs und Wohlstand sichern kann. Katherina Reiche hält den Slogan für „bekloppt wie simpel. So was kann man sich wirklich nur ausdenken, wenn man von Energie nix versteht“, sagte sie bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie.

Deutschland habe deshalb ein „völlig überzogenes Erneuerbaren-Ziel“ und viel zu hohe Netzentgelte. Auch an der gesetzlich fixierten deutschen Klimaneutralität bis 2045 mäkelte die erst im Mai ins Amt gekommene Bundeswirtschaftsministerin herum: Das Pariser Klimaabkommen fordere nur 2050, eine Harmonisierung wäre gut: „Ich weiß nicht, ob sich das jemand wirklich durchgerechnet hat.“

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Droht der deutschen Klimapolitik unter der CDU-Politikerin ein fossiles Rollback – trotz fortschreitender Erderhitzung? „Noch circa drei Wochen und Katherina Reiche schwenkt eine Kettensäge vorm Windrad“, schreibt dazu die Klima­aktivistin Carla Reemtsma auf X. Viele erinnern an Reiches vorherigen Job: Die Brandenbur­gerin war Chefin der Eon-Tochter Westenergie, verantwortlich für 38.000 Kilometer Gasnetz. „Vor einigen Tagen war sie noch Gas-Managerin. Jetzt ist sie Gas-Ministerin“, ätzt Grünen-Frak­tions­vize Andreas Audretsch.

Katherina Reiche schießt ­dabei sogar gegen den Koali­tions­vertrag. Auch der hatte unter Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen nicht für Begeisterungsstürme gesorgt – aber er bekannte sich sehr wohl zur Klimaneutralität bis 2045. Auch in anderen Botschaften Reiches klingt durch: Sie will noch weniger Klimaschutz als Schwarz-Rot ohnehin plant.

wochentaz

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Kurz nach Amtsantritt hatte sie angekündigt, bald „mindestens 20 Gigawatt Gaskraftwerke“ ausschreiben zu wollen. Dabei spricht der Koalitionsvertrag nur von „bis zu 20 Giga­watt“ Gaskraftwerken, die als Backup für die wetterabhängige Versorgung mit dem Strom Erneuerbarer dienen sollen. Kurze Zeit später sprach auch Reiche nicht mehr von über 20 Gigawatt aus Gas – wollte aber nicht mehr vorschreiben, dass die Anlagen auf Wasserstoff umrüstbar sein müssen. Den kann man auf Ökostrombasis herstellen. Der Markt für den „grünen Wasserstoff“ kommt aber nicht in Gang. Das dürfte sich ändern, wenn die Nachfrage abgewürgt wird.

Auf eine soziale Energiewende legt Reiche keinen Wert

Dabei soll laut Koalitionsvertrag der Ausbau der grünen Wasserstoffwirtschaft kommen. Stattdessen nun drastische Einschnitte: Ex­per­t*in­nen kritisieren, dass das Budget für den Einsatz von grünem Wasserstoff auf ein Drittel schrumpft und die Mittel für industrielle Dekarbonisierung von 24,5 auf unter 2 Milliarden Euro sinken sollen. So steht es im Etatentwurf des Bunds für 2025. Und: Die Regierung will künftig die Gasspeicherumlage aus ihrem Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanzieren. Damit vernachlässige sie die „dringend notwendigen Investitionen in ein zukunftsfähiges und resilientes Energiesystem“, ärgert sich die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae.

Auch auf eine soziale Ausgestaltung der Energiewende legt Reiche offenbar wenig Wert: „Unternehmen und Verbraucher in Deutschland sollen dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde“ entlastet werden, lautete ein zentrales Koa­li­tions­versprechen. Nun erhalten nur Industrie und Landwirtschaft eine Senkung der Stromsteuer. Geringere Netzentgelte? Nicht mehr geplant. „Hier trifft Koalitionsvertrag auf finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit“, stellte Reiche dazu trocken fest.

Nun will die Ressortchefin offenbar den Zubau erneuerbarer Energien mit einem Trick drosseln: Dazu will sie in einem Monitoringbericht zum Strombedarf die Datengrundlage überprüfen lassen, auf der der Ausbau von Wind- und Solaranlagen beruht – und hat dafür das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) angeheuert. Entsprechende Medienberichte bestätigte das Wirtschaftsministerium der taz auf Anfrage.

Im Beirat vom Förderverein des EWI sitzen zum Beispiel Ver­tre­te­r*in­nen von Eon und Reiches vorherigem Arbeitgeber Westenergie. Hauptauftragnehmer ist das Beratungsunternehmen BET, das aber mit dem EWI zusammen an der Studie arbeiten will. Der Clou: BET hat einen Rahmenvertrag mit dem Wirtschaftsministerium und durfte den Zuschlag deshalb ohne vorherige Ausschreibung bekommen.

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25 Kommentare

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  • Die taz hat vielleicht Probleme mit Kritik an Planwirtschaft.

    Denn genau diese will Ministerin Reiche einführen, indem sie nicht etwa den Markt entscheiden lassen will, wie viele Erdgaskraftwerke gebaut werden, sondern den Staat bzw. dessen Netzagentur und "Experten". DAS solle kritisiert und immer wieder betont werden.

    Soweit die Ausschreibungen diejenigen bevorzugen, die einen bereits genehmigten Standort besitzen, nutzt das wiederum den etablierten Energiekonzernen.







    Gegen "viel zu hohe Netzentgelte" könnte sie leicht vorgehen, indem die Gebotszonen für Strom geteilt würden und die Stromnetzbetreiber z.B. bei windiger Situation im Norden am Transport des Stroms in den Süden verdienen könnten. Das aber wird die CSU verhindern.

    Neben der Stromsteuer gehören auch die kommunalen Konzessionsabgaben auf den Pranger, zumal sie Wind- und Solarstrom prozentual höher belasten.

  • "hält den Slogan für „bekloppt wie simpel. So was kann man sich wirklich nur ausdenken, wenn man von Energie nix versteht“, sagte sie bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Deutschen Industrie."



    /



    Das ist so mit der Hand und dem Fingerzeig, wenn es irgendwie auf eine(n) selbst zurückfällt👈🏻



    Professor Harald Lesch und Dr Cecilia Scorza, ein Paar, das Fachkenntnisse gut vortragen und vermitteln kann, speziell zu Klima und Thermodynamik.☝🏻

    youtu.be/6LrXZfHX-...i=llAuOxpvINsEfozZ

    • @Martin Rees:

      Diese zwei sind leider nur Astrophysiker ohne besonderen Bezug zum Thema, und sollten vielleicht besser mal Leuten aus der Energietechnik und -wirtschaft zuhören (Ministerin Reiche zum Beispiel) bevor sie dazu etwas auf youtube verbreiten.

      • @Descartes:

        Zum Lebenslauf laut



        bundeswirtschaftsministerium.de



        "1997 – 1998



        Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam



        Ausbildung



        1995



        Forschungsassistentin am Institut für Chemie und Biologie an der Clarkson University, New York, USA



        1992-1997



        Studium der Chemie an der Universität Potsdam"



        Und das führte konsequenterweise in diese Position:



        2020 - 2025



        Vorstandsvorsitzende Westenergie AG



        "Westenergie will die Energiewende in ihrer Heimatregion zum Erfolg führen. „Wir bringen Energie in den Westen. Wir stehen für die Infrastruktur einer modernen Gesellschaft. Wir stehen für Versorgungssicherheit. Und wir stehen für innovative Produkte, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. So begleiten wir unsere Heimatregion auf dem Weg in die nachhaltige und digitale Zukunft“, erklärte Katherina Reiche im Rahmen einer Pressekonferenz am Hauptsitz der Westenergie in Essen."



        Bei wirtschaft-regional.net



        Das klingt fast nach möglichen Schnittmengen mit dem Ehepaar und Wissenschaftl_er-Team Lesch und Scorza, insbesondere bei Nachhaltigkeit und Energiewende🤔

  • Also irgendwie...



    Planung von Flautenkraftwerken und Diskussionen über einen Industriestrompreis gab es auch schon unter Habeck. Er hat es nur nicht mehr auf die Reihe bekommen.



    Aber seit Reiche damit ernst macht, ist beides natürlich ganz, ganz böse.

    • @sollndas:

      Die massive Förderung der Erdgaswirtschaft mit LNG-Anlagen, Erdgassubventionen und geplanten Erdgaskraftwerken durch Habeck war sicherlich ein Grund, warum den Grünen Wähler abhanden gekommen sind.



      Die einen gingen zur Linken. Andere überlegten, ob sie "linke" Politik der Grünen noch in Form eines Kreuzchens tolerieren würden, wenn sie mit den Grünen vor allem beim Umweltschutz übereinstimmen, in den sie aber nicht viel lieferten.

  • Nichts regt mehr auf wie eine Person, die ungeniert den Staat verkauft.



    Friede den Hütten!

  • Die Union hat sich auch bezüglich Klimaschutz auf den Weg gemacht, die AfD zu kopieren. Mit diesen Leuten wollten die Grünen koalieren? Nee, ist klar.

    • @Kaboom:

      Man verhandelt ja vor einer Koalition mit anderen Parteien, damit später nicht genau das machen, was sie in einer Alleinregierung täten.

  • Mich macht es nur wütend. Der Klimawandel ist auch hier viel spürbarer geworden (über unsere Grenzen hinaus eh) und Politik entscheidet verantwortungslos (den gesamten Erdball betreffend). Ist jetzt eh schon alles egal? Was ist dazu sonst noch zu sagen?

    • @earthgirl:

      Macht Euch stromunabhängig vom Netzversorger. Investiert in günstige PV-Anlagen und Speicher aus China. Übernehmt in jeder Wohnung die Ersorgung zu 60 % und investiert in genossenschaftlich organisierte Quartierspeicher. Nur so können wir den Abhängigkeiten entrinnen. Die regierende Politik tut nichts für die Bürger, sondern nur für die Industrie und die Reichen dieses Landes. Allein der Name von Frau Ministerin ist Programm.

  • Jetzt fehlt nur noch Hildegard Müller als Verkehrsministerin.

    • @Josef 123:

      Hildegard Müller kann in ihrem jetzigen Job mehr „bewirken":



      de.wikipedia.org/w...degard_M%C3%BCller



      Bemerkenswert, dass weder im Artikel noch (bisher) in den Kommentaren der Name Merkel vorkommt.

  • Einfach nur noch traurig, was aus "deutscher Ingenieurskunst" geworden ist.







    Früher war dem Ingenieur nichts zu schwör. Und heute hat das Land fertig.

    Zukunfts-Technologien? Lieber nicht, lieber mehr vom Alten. Wie können esja nicht!

    Gas statt erneuerbaren Ernergien ,Verbrenner statt E-Auto. Die Chinesen sind einfach schlauer als wir.

    • @Jörn Dodt:

      Das ist vielleicht auch die Sicht einiger ChinesInnen, aber es kommen auch gelegentlich welche vorbei.

      www.energie.kit.edu/

  • „Legt Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die Axt an die Energiewende?“

    Warum ist das noch als Frage formuliert?

  • Obwohl die Gaskraftwerke schon von Habeck geplant waren weil es ohne sie 2030 keinen Kohleausstieg geben wird und die Gefahr eines Stromnetzzusammenbruchs wie auf der iberischen Halbinsel steigt, kaempfen manche dagegen. Angeblich fuers Klima - in der Realitaet aber dagegen, denn ohne Kohleausstieg werden wir nie die Klimaziele erreichen. Jedenfalls nicht ohne die Wirtschaft aus dem Land zu vertreiben und Wohnen und Energie noch teurer zu machen.

    Und wenn wie in der Vergangenheit eine Klimaneutralitaet 2045 nur dazu fuehrt, dass der Rest in der EU 5 Jahre mehr ausstoesst, uns diese 5 Jahre aber mal wieder ein Sondervermoegen zwischen 500 und 1000 Mrd kosten, dann liegt Reiche auch in diesem Punkt richtig.



    Genauso liegt sie richtig was das Alt-Zitat betrifft. Man muss sich nur die Netzentgelte anschauen die schon ca 1/3 des Strompreises ausmachen.



    Ich verstehe auch nicht warum man auf dem deutschen Klimasonderweg weitergehen will: Er hat uns neben Deindustialisierung, den hoechsten und teuersten Anforderungen im Immobiliensektor und dem weltweit hoechsten Strompreis zu einer CO2-Dreckschleuder in der EU gemacht, nur 3-4 ehemalige Ostblockstaaten stossen mehr CO2 pro kWh aus.

    • @elektrozwerg:

      wow! Was eine Nebelkerze...

      Was für ein Sonderweg?! Da wo Deutschland einen "Sonderweg" geht, sind Länder wie China, Norwegen, Spanien und einige mehr schon mehrfach gegangen.

      Sonnen- und Windkraft sind um vielfaches günstiger als Kohle und Gas UND muss nicht importiert werden. Ausser natürlich man subventioniert die alte Technologie.

      Eine vernünftige Dämmung in Gebäuden würden im privaten Sektor unmengen Energie einsparen....

      Aber wir können uns auch alle an dieser großartigen Nebelkerze wärmen. Bravo!

  • Die Skrupelloseste der neuen Regierung ist eine Frau. Nicht Merz, Dobrindt etc.



    Atemberaubend, wie destruktiv die Lobbyistin ihren ehemaligen Arbeitgebern zuarbeitet. Die werden es ihr danken.

    • @JanHamburg:

      Na dann mal her mit den Alternativen.

      • @weather2018:

        Wenn man es weiter fördert gibt es einen jährlichen Zuwachs von Grüner Energie, der den Bedarf demnächst decken und übersteigen wird.



        Windkraftanlagen sowie große Solarfelder (von denen es immer mehr gibt) müssen einen "Ausweg" in die Produktion von Wasserstoff oder anderen Speichereinheiten haben.



        Energie speichern ist teuer, Wasserstoffproduktion auch (noch).



        Heutzutage wird alles unter einem militärisch-, bzw. verteidigungspolitischem Aspekt betrachtet. Deshalb sei auch hier darauf hingewiesen, dass jährlich 1,5% der angestrebten 5% des Bruttoinlandsprodukt für militärische Infrastruktur ausgegeben werden sollen. Da muss eine dezentrale Energie-Versorgung an oberster Stelle stehen. Ein Kraftwerk ist u.U. mit einem Schlag kaputt.



        Und da sind ja noch die 500 Milliarden, die auch irgendwie unter die Leute gebracht werden wollen.



        Also: zu teuer gibt es nicht.



        Es liegt nur am Wollen.

      • @weather2018:

        Die sind schon da. Sie sollten sie nur ebenfalls nutzen.

  • Katherina Reiche, unsere neue Frau "Altmaier"?



    Der hat uns auch um Jahre zurück geworfen.

    • @Hans Dampf:

      Frau Reiche ist ein Altmaier-Turbo. Da Altmaier in den vielen Jahren die Grundlagen für eine regenerative Energieversorgung für alle Bürger nicht ausreichen verhindern konnte, wird nun mit Hilfe eines Black-rock Kanzlers eine an fossiler Energie verdienenden Frau zur Energieministerin gekürt. Nicht Wissen ist Macht, sondern finanzielle Verbindungen sind Macht.

    • @Hans Dampf:

      Ich fürchte sie wird, wenn man sie lässt, deutlich mehr schaden anrichten als Peter Altmaier. Altmaier hat hauptsächlich gebremst. Katharina Reiche geht mit den 20 GW Gaskraftwerke gleich komplett in die falsche Richtung.



      Altmaier hat zu sehr auf die fossile Lobby gehört, Reiche ist diese selbst.