Repräsentation bei Extinction Rebellion: Ausschluss garantiert
Die Organisation Extinction Rebellion will eine globale Bewegung sein. Doch sie schließt Betroffene der Klimakrise aus – und lässt Raum für Rassisten.
Seit dem Wochenende sorgt die Klimabewegung Extinction Rebellion weltweit mit Blockaden und Demonstrationen für Aufmerksamkeit. Und wenn etwas von AfD, CDU und FDP kritisiert wird, wenn international berichtet wird und die Bild davor warnt, dann könnte man erst einmal denken: Alles richtig gemacht.
Ja, die bisherige Umweltpolitik muss kritisiert werden, es braucht radikale Ansätze. Leider hat Extinction Rebellion ein Grundproblem: ihr Prinzip der Gewaltfreiheit ist eine Illusion. Eine, an der der globale Anspruch der Bewegung scheitern könnte.
Die Umweltbewegung aus Großbritannien zeigt sich gerne als offen. „Wir rufen alle auf, sich der Rebellion für das Überleben anzuschließen, unabhängig von Religion, Herkunft, Klasse, Alter, Sexualität, Geschlecht sowie politischer Neigung“, heißt es auf der Internetseite. Das „alle“ nimmt man bei Extinction Rebellion wörtlich: „Anders als klassische linke Bewegungen schließen wir niemanden aus, auch jemand, der ein bisschen sexistisch oder rassistisch denkt, kann bei uns mitmachen“, sagt der Mitbegründer Roger Hallam in der Zeit. Hallam erklärt den Umweltschutz zum obersten Ziel – was lobenswert wäre, wenn er es nicht für größer als die Demokratie hielte: „Wenn eine Gesellschaft so unmoralisch handelt, wird Demokratie irrelevant.“
Derweil teilte, wie der Telegraph im April berichtete, einer der führenden Köpfe bei Extinction Rebellion, Robin Boardman-Pattinson, in sozialen Netzwerken antisemitische Verschwörungstheorien. Bei Extinction Rebellion redet man nicht nur mit Rechten, man rebelliert auch mit ihnen.
Naives Verständnis von Gewalt
Womit wir bei der Frage wären, wie rebellisch der zivile Ungehorsam von Extinction Rebellion überhaupt ist. Man sei ein gewaltfreies Netzwerk, heißt es online unter Punkt neun auf der Liste der Prinzipien und Werte.
Auf der Straße sieht das dann so aus: Als am Montag die Polizei in London eine Blockade auflöste, sangen die Demonstrierenden „Polizei, wir lieben euch, wir tun das auch für eure Kinder“. Und nachdem die Berliner Behörde am Dienstag den besetzten Potsdamer Platz räumte, applaudierten die Aktivist*innen und bedankten sich – bei der Polizei. Das muss wohl dieser zivile Ungehorsam sein.
Extinction Rebellion zeigt ein naives Verständnis von Gewalt. Gewalt lässt sich nicht einfach ablegen, Gewaltformen haben sich historisch entwickelt und sind mit gesellschaftlichen Strukturen verflochten – es gibt keine gewaltfreien Räume. Die Gewalt, das ist eine Erkenntnis der postkolonialen Theorie, ist immer schon da.
Betroffene der Klimakrise
Wenn Extinction Rebellion dazu aufruft, sich von der Polizei festnehmen und wegtragen zu lassen, dann schließt man dadurch alle Menschen aus, die das nicht tun können – wegen ihrer Hautfarbe, wegen ihres Arbeitsverhältnisses oder ihres Aufenthaltsstatus. Das ist bei anderen linken Bewegungen ähnlich, nur geben die sich nicht der Illusion hin, Festnahmen könnten gewaltfrei sein.
Möchte man gewaltvolle Strukturen vermeiden, muss man sich zunächst überlegen, welche Rolle man selber darin einnimmt. Dass Extinction Rebellion gerade das nicht tut, das kritisieren andere Umweltbewegungen schon länger.
Bereits im Mai hatte das britische Umweltkollektiv „The Wretched of The Earth“, ein Zusammenschluss aus People of Color, sich in einem offenen Brief an die Bewegung gewandt: „Für viele von uns brennt das Haus schon lange: wann immer die ökologische Gewalt zunimmt, sind unsere Communities, vor allem im Globalen Süden, zuerst betroffen. Wir sind stets die Ersten, die Hunger, Gesundheitskrisen, Dürre, Überflutungen und Verdrängung erleben.“ Extinction Rebellion müsse die komplexen Realitäten aller von der Klimakrise Betroffenen berücksichtigen, statt sich ihre Kämpfe anzueignen.
Fehlende Repräsentation
Die mangelnde Sensibilität hierfür könnte daher rühren, dass Extinction Rebellion wie so viele Klimabewegungen vor allem eines ist: weiß.
Eine Klimabewegung, die sich selbst ernst nimmt, muss intersektional denken. Sie muss Rassismus und Sexismus ablehnen, sie muss den Kapitalismus kritisieren. Statt sich gut gelaunt von Polizisten festnehmen zu lassen, müsste man anprangern, dass vor allem Schwarze Menschen von Polizeigewalt betroffen sind.
Statt zu sagen man sei „offen für alle“, müsste man sich fragen, weshalb trotzdem nicht alle repräsentiert werden – und Barrieren abbauen, die das verhindern. Statt sich von Kämpfen abzukapseln, die Marginalisierte längst führen, müsste man sich mit ihnen solidarisieren und sie schützen. Statt für andere zu sprechen, könnte man sie zu Wort kommen lassen.
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