Religion in der Ukraine: Nächstes Kapitel im Kirchenkampf
Das ukrainische Parlament beschließt ein Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat). Mit Widerstand ist zu rechnen.
Das Gesetz „verbietet Aktivitäten ausländischer religiöser Organisationen in der Ukraine, die in einem Land ansässig sind, das der ukrainische Staat als Aggressor gegen sich einstuft“. Weiter heißt es in der neuen Vorschrift, dass keine der Bestimmungen als Einschränkung der Religions- oder Glaubensfreiheit, des Rechts auf Ausübung religiöser Praktiken oder religiöser Riten ausgelegt werden könne.
Laut Schelesnjak werde das Gesetz 30 Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft treten. Die Gemeinden der UPZ hätten ab dann jedoch noch neun Monate Zeit, um ihre Beziehungen zur Russisch-Orthodoxen Kirche abzubrechen. Die Regierung hatte bereits im Januar 2023 das Gesetz zum Verbot religiöser Organisationen, das in erster Linie auf die UPZ zielt, ins Parlament eingebracht.
Am 19. Oktober 2023 nahm die Verchowna Rada das Gesetz in erster Lesung an. Danach tat sich nichts. Vor knapp einem Monat, am 23. Juli, blockierten aufgebrachte Abgeordnete den Plenarsaal, um eine erneute Befassung mit dem Gesetz zu erzwingen. Die Sitzung wurde unterbrochen und für August angesetzt.
Bisweilen gewalttätig
Das Votum vom Dienstag beendet eine weitere Etappe religiöser Streitigkeiten, die bisweilen auch gewalttätig waren. Dabei ist die Kirchenlandschaft in der Ukraine von jeher äußerst komplex. Ab Anfang der 90er Jahre und damit nach der Unabhängigkeit des Landes gab es neben der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) noch zwei weitere orthodoxe Kirchen: die ukrainisch-orthodoxe Kirche (Kyjiwer Patriarchiat) sowie die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche.
Die beiden Letzteren schlossen sich im Dezember 2018 zusammen und gingen in der Orthodoxen Kirche der Ukraine (PZU) auf. Maßgeblich vorangetrieben hatte diesen Prozess der damalige Präsident Petro Poroschenko, der mit dem Slogan „Armee, Sprache, Glaube“ in den Wahlkampf“ zog. Am 6. Januar 2019 erklärte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel sie für eigenständig.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits viele Kirchenmänner der UPZ als Moskaus langer Arm diskreditiert. So sprach Metropolit Onufri 2015 von einem „Bürgerkrieg“ in der Ostukraine und betete somit die Narrative des Kremls nach – ähnlich wie der Moskauer Patriarch Kyrill, der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als „heiligen Krieg“ rechtfertigt.
Dessen Beginn am 24. Februar 2022 stellte auch die UPZ vor ein Dilemma. Zwar verurteilte Onufri die „Spezialoperation“. Seine Kirche unterstütze die Ukraine, ihre Armee und Binnenflüchtlinge, im Mai 2022 erklärte der Rat der UPZ die Kirche für vollkommen unabhängig vom Moskauer Patriarchat.
Kollaboration mit den Besatzern
Gleichzeitig wurden jedoch immer mehr Fälle von Popen der UPZ bekannt, die mit den russischen Besatzern kollaborierten. Ab Dezember 2022 griff der Staat durch mit Sanktionen und Strafverfahren gegen Vertreter der UPZ sowie Razzien in kirchlichen Liegenschaften, wie in dem von der UPZ genutzten Kyjiwer Höhlenkloster, einem der wichtigsten Heiligtümer in der Ukraine.
Ob jetzt an der religiösen Front Ruhe einkehrt, ist zu bezweifeln. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharow, warf Kyjiw vor, „die zutiefst kanonische, wahre Orthodoxie zu vernichten“. Der Kyjiwer Politologe Wolodymir Fesenko erwartet großen Widerstand gegen die Umsetzung des Gesetzes – vor allem juristisch, schreibt er in einem Beitrag für das Webportal Novoje vremja. Das Gesetz werde mit Sicherheit angefochten vor dem ukrainischen Verfassungsgericht, aber auch dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
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