Rede an die Nation: Putins übliche Verdrehungen
In seiner Rede an die Nation droht der russische Präsident dem Westen mit einem Atomkrieg. Seinem Land verspricht der Kremlchef eine rosige Zukunft.
Mehr als 1.000 Vertreter*innen aus den beiden Parlamentskammern, Jugendorganisationen, auch Teilnehmer*innen an Russlands „militärischer Spezialoperation“, wie der Krieg gegen die Ukraine hier offiziell genannt wird, haben sich in der Ausstellungshalle Gostiny Dwor versammelt und klatschen nach solchen Sätzen, fast schon in Sowjetmanier, ihrem Präsidenten zu. Mehr als zwei Stunden lang malt dieser ihnen in teils markigen Worten das Bild eines blühenden Russlands der Zukunft aus. Eines Landes, das unter dem Atomschild immer mehr Kinder zeuge, so seine Vorstellung, die – vom Militär aufgeklärt – für ein „starkes, souveränes Russland“ voller „Selbstständigkeit und Selbstgenügsamkeit“ sorgen sollten.
Putin will Zuversicht verbreiten, in einer Zeit, in der selbst die von ihm für seinen Kriegskurs als unterstützend gelobte Mehrheit im Land kaum Zuversicht spürt. Die russische Mehrheit unterstütze zwar, wie Putin sagt, die „Spezialoperation“, doch sie ist ermüdet von den Entbehrungen, die diese mit sich bringt, und wendet sich in ihrer Gleichgültigkeit von der Realität ab.
Wahlkampfmodus ohne Kampf
Es ist eine zweigeteilte Rede, die der Kreml im Vorfeld bereits eine Wahlkampfrede nannte. In zwei Wochen lässt sich Putin zum fünften Mal als Präsident bestätigen, deshalb sein „bis 2030“, das er ein Dutzend Mal vorträgt. Bis dahin werde Russland die Armut gesenkt und neue Kindergärten, Schulen sowie Sportkomplexe gebaut haben, in „vaterländischen Fabriken“ alles produzieren, was das Land brauche, in der Wissenschaft „vaterländische Infrastruktur“ aufgebaut haben. „Wir werden uns in überholendem Tempo entwickeln“, sagt Putin großspurig. Woher die Ressourcen für all die Fabriken, Dorfklubs und Co. kommen sollen, sagt er nicht. Wie er auch nicht erklärt, wie das Land zu mehr Kindern kommen will, während die Männer an der Front umkommen.
Zunächst einmal aber teilt er, wie gewohnt, gegen den Westen aus: Dieser versuche, „uns in ein Wettrüsten hineinzuziehen“, sagt er, bezeichnet diesen und allen voran die USA als „verlogen“. Worüber sie reden, sei unverständlich. „Sie haben wohl vergessen, was ein Krieg ist. Wir aber sind durch solche Herausforderungen hindurchgegangen. Sie scheinen das alles für Zeichentrickfilme zu halten.“
Russland, dieses „zuversichtlich in die Zukunft blickende Land“, wähle das Leben, sei barmherzig und solidarisch. Es sind die üblichen Verdrehungsfloskeln eines Mannes, der alles dem militärischen Kampf unterordnet – und damit der Vernichtung der Ukraine. „Soviel, wie die Front braucht“, sagt er einmal. Es werde „alles für den Sieg“ getan: Die Rüstungsbetriebe arbeiteten in drei Schichten, die Bildungsarbeit entwickele sich in „dieser Richtung“. „Jeder muss in den Sieg investieren. Wir sind eine kolossale, alles besiegende Kraft, zusammen verteidigen wir die Freiheit“ ist seine Losung für den aufgezwungenen Zusammenhalt.
Putin wähnt sich im Wahlkampfmodus, auch wenn er gar nicht kämpfen muss. Kein oppositioneller Kandidat ist zugelassen am 17. März. Der Jubel muss aber her. Deshalb verteilt er bereits im Vorfeld Wahlgeschenke, erläutert sein „Nationalprojekt: Familie“, spricht von Steuererleichterungen für jene mit mehreren Kindern, erhöht das sogenannte „Mutterkapital“, Geld, das Frauen für die Geburt ihrer Kinder vom Staat erhalten. „Wir sind eine große Familie, ich glaube an unsere Siege, an unsere Zukunft“, sagt er vor sechs russischen Flaggen. Die Hymne ertönt.
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