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Rechtsextreme Initiative ZusammenrückenVölkische Siedler unter Beobachtung

Rechtsextreme werben um das gezielte Ansiedeln in „Mitteldeutschland“, um völkische Projekte zu bilden. Nun nimmt sie der Verfassungsschutz ins Visier.

Präsident für Verfassungsschutz: Die „Initiative Zusammenrücken“ wurde unter Beobachtung gestellt Foto: Imago

Berlin taz | Es sind Schreckensszenarien in Dauerschleifen, die über den Telegramkanal verbreitet werden. Vor einem „Migrantenkrieg“ wird dort gewarnt, vor „enthemmter Gewalt“ oder einer „Umwandlung unserer Heimat in ein orientalisches Siedlungsgebiet“. Dann folgt stets eine zweite Dauerschleife: Die Werbung für ein „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“, einen Umzug nach Sachsen oder Thüringen, um sich als Deutsche „vor diesem Irrenhaus zu schützen“ und „endlich unter normalen Menschen“ zu leben.

Fast tagtäglich wird so seit Sommer 2020 auf dem Telegramkanal der „Initiative Zusammenrücken“ geworben. Auch eine Webseite bewirbt das Projekt. Dahinter stecken Rechtsextreme wie der Sachse Christian Fischer, der einst bei der NPD-Jugend und der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend aktiv war. Auch der frühere Dortmunder Neonazikader Michael Brück, der Szeneliedermacher Frank Rennecke oder „Freie Sachsen“-Chef Martin Kohlmann werben für die Initiative.

Deren Wording ist brachial: Über eine „Invasion“ von Migranten ätzt die Initiative, die „unweigerlich in den biologisch-kulturellen Abgrund“ führen werde. Deshalb sollten Deutsche in Ostdeutschland „geballt zusammenrücken“, wo „hiesige Sitten und kulturelle Gebräuche noch Bestand haben“.

Fischer ging hierbei voran: Schon vor Jahren zog er von Niedersachsen auf einen Hof ins sächsische Leisnig bei Leipzig. Nebenan wohnen inzwischen andere Rechtsextreme. Auch Brück zog 2020 von Dortmund nach Chemnitz.

„Wiederholt völkische Aussagen“

Antifaschistische Initiativen oder die Landeszentrale für Politische Bildung warnen schon länger vor der rechtsextremen Siedler-Initiative. Nun bestätigten das Bundesamt für Verfassungsschutz und das sächsische Landesamt der taz, dass es die Gruppierung unter Beobachtung gestellt habe.

Bei der „Initiative Zusammenrücken“ handele es sich um ein „organisationsübergreifendes Netzwerk von Rechtsextremisten“ und eine „rechtsextremistische Siedlungsbestrebung mit insbesondere völkisch-nationalistischer Ausprägung“. Deren Ziel: „Mittels des taktischen Zusammenzuges von völkisch-nationalistisch gesinnten Deutschen wolle man den ‚Volkstod‘ abwenden und die ‚eigene Art‘ erhalten“, so eine Sprecherin zur taz.

Die Gruppe bediene sich dabei „wiederholt völkischer und fremdenfeindlicher Aussagen“, so der Verfassungsschutz weiter. „Ihre Vertreter bekunden offen und regelmäßig ein ausschließlich ethnisch geprägtes Volksverständnis unter häufiger Bezugnahme auf nationalsozialistische Begrifflichkeiten.“ Propagiert werde „die Dystopie einer schwindenden deutschen Gesellschaft“, dem der „Volkserhalt“ entgegengesetzt werden solle, so die Sprecherin.

Laut sächsischem Verfassungsschutz bleiben die Ansiedlungen bisher indes „überschaubar“. Die bereits Umgezogenen seien aber „sehr aktiv“ und hätten 2021 und 2022 mehrere Versammlungen organisiert, in diesem Februar auch den alljährlichen Szeneaufmarsch in Dresden. Und das Bundesamt warnt vor der „Gefahr“ weiterer „gezielter Ansiedlungen“.

Auch Anastasia-Bewegung eingestuft

Erst vor zwei Wochen hatte die taz publik gemacht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz eine weitere Siedlergruppe unter Beobachtung gestellt hat: die Anastasia-Bewegung. Im am Dienstag vorgestellten neuen Jahresbericht des Geheimdienstes wird vor „vermehrten“ rechtsextremen Siedlungsbestrebungen in jüngster Zeit gewarnt. Die Szene versuche damit, „einzelne Ortschaften oder Regionen ideologisch zu prägen oder gar zu vereinnahmen“.

Vor der „Initiative Zusammenrücken“ hatte auch das Kulturbüro Sachsen, das Kommunen zum Umgang mit Rechtsextremismus berät, schon 2021 gewarnt. Diese „forciert die Ausbildung einer faschistischen Bewegung im ländlichen Raum“, hieß es schon damals. Die Gefahr solcher völkischen Siedler sei „groß“, weil sie in Nachbarschaften, Arbeitsstätten und Schulen ihre „menschenfeindliche Ideologie“ verbreiten könnten.

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8 Kommentare

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  • Wann endlich werden die braunen Nester ausgehoben???

  • Ja ganz toll, man beobachtet mal, wie lange denn, bis die sich soweit ausgebreitet haben, dass man sie akzeptieren muss und nicht mehr los wird ?



    Sowas muss anders gehandhabt werden, robuster. Wer sich gegen die Demokratie wendet und konkurrierende bzw. konterkarrierende Strukturen aufbaut, muss von aller öffentlichen Infrastruktur ausgeschlossen werden, ob Königreich, Nazifluchtburg, Anastasia-Verwirrtensiedlung oder Privatstädte ist dabei gleich.



    Steuer- und Schulpflicht sowie Waffengesetze müssen ebenfalls durchgesetzt werden Das wird anfangs hart, aber man muss den Anfängen wehren.

  • Eins muss man den Rechten lassen: das mit dem Freiräume erschließen und vor allem halten, und dann aus diesen Freiräumen heraus die lokale Gesellschaft zu verändern, können sie sehr, sehr viel besser als die Linken.

    • @Suryo:

      Wobei es für einen Björn Höcke z. B. ausgemacht scheint, dass das die Strategie ist, die „lokal“ erscheint aber gesellschaftlich für „ganz Deutschland“ wirksam werden soll. „Das ganze Deutschland“ (Ernst Moritz Arndt Link 1) soll es wieder werden. Aber diesmal soll (auch) das „deutsche Volk“ wieder „ganz“ werden. In dem es sich in Rückzugsräumen sammelt um von dort wieder hervorzutreten. Arm vielleicht, @Herma Huhn zeigt die Problematik dabei hier auf, aber mächtig genug, um mit einer jetzigen „nur Bevölkerung“ in Deutschland, wie Höcke es sieht, fast wörtlich „fertig zu werden“ (Höckes bekannte „Rückführungsgedanken“ bezgl. in Deutschland dann unerwünschter Menschen), die nur eine in ethnisch-rassische Gruppen tribalistisch zerfallene „Gesellschaft“ bildet.







      Dazu Höcke im Zusammenhang mit „Multikulturalismus“ u. Auflösung des (deutschen) Nationalstaates. Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Henning:

      „Dann haben wir immer noch die strategische Option der >gallischen Dörfer

  • Björns „Zaubertrank“: Über den Fluss und in die Wälder - und dann zurück.

    Im Zusammenhang mit „Multikulturalismus“ u. Auflösung des (deutschen) Nationalstaates. Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Henning:

    „Dann haben wir immer noch die strategische Option der >gallischen Dörfer

  • Björns „Zaubertrank“: Über den Fluss und in die Wälder - und dann zurück. Fahrkarten werden nicht gelöst werden.

    Im Zusammenhang mit „Multikulturalismus“ u. Auflösung des (deutschen) Nationalstaates. Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Henning:

    „Dann haben wir immer noch die strategische Option der >gallischen Dörfer

  • Die wollen sich in undiversen Gettos einschließen?



    Gerne,



    dann aber auch so konsequent sein, jedwede Technologie zu verweigern, die ohne ausländische Unternehmen nicht funktioniert.



    Selbst wenn ihr für russische Unternehmen eine Ausnahme macht, Telegram läuft nicht auf Zuse-Rechnern.

    • @Herma Huhn:

      Sie sagen es. Für einen Björn Höcke, meine ich, ist die Sache aber „langfristig“ ausgemacht. Aus diesen „völkisch reinen“ Ghettos soll es aber so bald als irgend möglich herausgehen. Ich habe versucht, das bei @SURY anhand eines Zitats von Höcke darzustellen. Deutschland soll wieder den Deutschen gehören. Das führt mich zu weiteren Gedanken, zu denen Ihr Kommentar den richtigen Anstoß gibt. Die AfD wird sich weiterhin als moderne, weltaufgeschlossene Partei geben, wenn ich das auf ihren neoliberal „gestimmten“ Wirtschaftsflügel beziehe. Was ist mit ihrem „völkisch“ denkenden Flügel? In seinem Buch „Nie zweimal in den gleichen Fluss“ äußert sich Björn Höcke, meine ich, durchaus auch Technik-skeptisch. Jedenfalls scheint er mir bereit zu sein, für sein künftiges Deutschland zumindest weniger Wohlstand in Kauf zu nehmen. Arm aber sauber.



      Ich muss ich an die faschistische Diktatur Portugals unter António de Oliveira Salazar denken, die bis zur Nelkenrevolution 1974 ihre Fortsetzung gefunden hatte. Für Portugal in der Welt galt meinem Wissen eine Parole Salazars ähnlich „Allein und Stolz“. Portugal war bis 1974 nun wirklich nicht der „technologisch-zivilisatorische Leuchtturm“ Europas. Und sollte das für Salazar auch gar nicht sein. Wikipedia:

      „Portugal hatte zum Ende seiner Herrschaft das niedrigste Pro-Kopf-Einkommen, die höchsten Militärausgaben, die höchste Säuglingssterblichkeit, das niedrigste Bildungsbudget und mit 40 % die höchste Analphabetenrate in Westeuropa (..) erhielt die Mehrheit der Portugiesen nur ein Einkommen nahe dem Existenzminimum und auch das Studium an einer Universität war aufgrund der mangelnden finanziellen Unterstützung vorwiegend den wenigen Wohlhabenden vorbehalten. (…) Die Wirtschaft wurde überwiegend von rund 30 reichen Familien kontrolliert, zwischen der Regierung Salazar und den großen Wirtschaftsunternehmen bestand ein großer personeller Austausch..“

      Wikipedia: de.wikipedia.org/w...e_Oliveira_Salazar