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Foto: Greenpeace Investigativ

Rechtes Geheimtreffen in PotsdamBraune Eminenz

Im November trafen sich in Potsdam Neonazis und AfD-Politiker. taz-Recherchen zeigen: Dabei war ein Unternehmer und rechter Netzwerker, der christliche Autoren verlegt – auch ein Buch von Papst Benedikt.

Jean-Philipp Baeck
Anne Fromm
Von Jean-Philipp Baeck und Anne Fromm aus Berlin

D er Mann trägt einen langen schwarzen Mantel, sein Haar ist grau. Mit zwei Koffern in den Händen verlässt er schlendernd den Hof des Landhaus-Hotels Adlon bei Potsdam.

Es ist Sonntag, der 26. November 2023, Abreisetag. An diesem Wochenende treffen sich in dem Potsdamer Hotel Po­li­ti­ke­r*in­nen der AfD, Mitglieder der CDU-nahen Werteunion und bekannte Rechtsextremisten. Das Treffen wird sechs Wochen später von dem Recherchekollektiv Correctiv publik gemacht werden und bundesweit für Empörung sorgen. Hunderttausende Menschen werden gegen die AfD auf die Straße gehen, namhafte Po­li­ti­ke­r*in­nen ein AfD-Verbot fordern.

Doch an diesem Tag, Ende November 2023, fühlt sich der Mann im schwarzen Mantel wohl unbeobachtet. Er dürfte nicht ahnen, dass er von einer versteckten Videokamera aufgezeichnet wird. Der Mann heißt Hans-Ulrich Kopp. Nach Recherchen der taz und Correctiv hat auch er an dem geheimen Treffen teilgenommen. Das war bisher nicht bekannt. Die Videoaufnahmen stammen vom Investigativteam von Greenpeace und liegen der taz vor.

Kopp ist ein Bauunternehmer aus Stuttgart und seit Jahrzehnten in rechtsextremen Kreise unterwegs. Die taz berichtete erstmals 1989 über ihn. Wenn man eine Figur erfinden würde, eine Art graue Eminenz, die in den relevanten Netzwerken seit Ende der 1980er Jahre dabei ist: Es wäre Hans-Ulrich Kopp. Er ist Burschenschaftler, Vertriebenen-Funktionär, rechter Publizist.

Kontakte in höchste Kreise des Vatikans

Kopp ist ein Funktionär alter reaktionärer Kreise, die auch für den Erfolg der AfD eine Rolle spielen. Aber nicht nur das: Er steht auch für die Verbindung zu rechten Christen, mit Kontakten bis in höchste Kreise des Vatikan.

Laut den Recherchen von Correctiv wurde auf dem Treffen in Potsdam das Konzept der „Remigration“ besprochen. Dahinter steht die Idee, dass Menschen ohne deutschen Pass, aber wohl auch deutsche Staatsbürger massenhaft aus Deutschland ausgebürgert werden sollen. Einige der anwesenden Teilnehmer hatten diese Diskussion nach der Correctiv-Veröffentlichung relativiert.

Hans-Ulrich Kopp reagierte nicht auf eine taz-Anfrage zu seiner Teilnahme an dem Treffen. Er äußerte sich weder zu den Inhalten der Diskussion, noch zu seiner Sicht auf „Remigration“.

Kopp hat in Stuttgart das Straßenbau-Unternehmen „Lautenschlager + Kopp“. Seine Firma baut Radwege, Kreisverkehre und markiert Parkplätze in Süddeutschland. Als Bauunternehmer bekommt er öffentliche Aufträge, als Aktivist hat er Verbindungen in die einschlägigsten rechten Kreise.

Rechter Netzwerker seit den 1980er Jahren

Sein politisches Engagement beginnt in den 1980er Jahren. 1989 gründet er mit anderen Studenten in München den Republikanischen Hochschulverband, eine Nachwuchsorganisation der rechten Kleinpartei Republikaner, die zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Der Hochschulverband überlebte nicht lange.

Kopp ist seit vielen Jahren im Witikobund und wurde 2006 einmal dessen 2. Bundesvorsitzender. Der Witikobund ist eine Lobbyorganisation der Sudetendeutschen, dem viele ehemalige Nationalsozialisten angehörten. Dem Verein wird vorgeworfen, sich für eine deutschnationale, wenn nicht sogar völkische Linie innerhalb der Vertriebenenverbände einzusetzen.

Bei der rechtsextremen Burschenschaft Danubia, einer schlagenden Verbindung, war Kopp Vorsitzender der Alten Herren. Für die jüngeren Studenten der Danubia berichtet der Bayerische Verfassungsschutz zuletzt von zahlreichen gemeinsamen Aktivitäten mit der AfD und Identitärer Bewegung. Auf den jüngsten Veranstaltungen ging es – wie bei dem Treffen in Potsdam – um das Thema „Remigration“.

Kopp engagierte sich zudem in dem mittlerweile aufgelösten Verein „Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit e. V.“. Der hatte sich die „Sicherung eines wahren deutschen Geschichtsbildes“ zum Ziel gesetzt.

Sowohl das Engagement beim Witikobund, für die Republikaner als auch beim „Archiv der Zeit e.V.“ hat Kopp mit Andreas Kalbitz gemeinsam, parteiloses Mitglied der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag. Laut Verfassungsschutz war Kalbitz Mitglied der verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), ein Grund, warum ihn der AfD-Bundesvorstand 2020 aus der Partei warf. Kalbitz bestreitet die HDJ-Mitgliedschaft.

Kopp war Redakteur bei der „Jungen Freiheit“

In den 1990er Jahren war Hans-Ulrich Kopp Redakteur der rechten Zeitung Junge Freiheit. Auch nach seinem Ausscheiden blieb er publizistisch aktiv. Als Autor schrieb er für diverse rechte Publikationen.

Und Hans-Ulrich Kopp verlegt auch selbst. Mit einem Nürnberger Anwalt gehört ihm der Lepanto Verlag aus dem mittelfränkischen Rückersdorf.

Zwanzig Au­to­r*in­nen veröffentlichen in dem Verlag, darunter einige mit Verbindungen zur Neuen Rechten. Diese Autoren haben Vorträge gehalten beim Institut für Staatspolitik des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek, veröffentlichen in dessen Verlag oder in dessen Zeitschrift Sezession. Das Institut für Staatspolitik wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Im Lepanto Verlag schreiben die Autoren über reaktionäre Theologen, den Philosophen Nietzsche oder über die „Innere Emigration“ von Literaten während des Nationalsozialismus.

Verlag mit Verbindungen zu rechten Christen

Als sein „Netzwerk“ nennt der Verlag unter anderem die Webseite kath-info.de, ein Portal des katholischen Priesters Engelbert Recktenwald. Recktenwald ist einer der Gründer der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Petrus, einer Abspaltung der rechtsradikalen Piusbruderschaft.

Beide Vereinigungen sind erzkonservativ, im Unterschied zur Piusbruderschaft sind die Petrus-Brüder dem Papst aber treu. Sie kritisieren Entwicklungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, mit dem Mitte der 1960er Jahre die Katholische Kirche weitreichend reformiert wurde, und werben beispielsweise für eine „Alte Messe“ in lateinischer Sprache.

Dazu passen Titel im Lepanto Verlag wie die Monografie des Südtiroler und Münchner Priesters Friedrich Oberkofler, der danach fragt, wie der kirchlichen Seelsorge „die Befreiung aus den Fängen des Modernismus und der Ideologie des säkularen Fortschritts gelingen“ könne.

Papst Beneditk XVI. veröffentlichte Buch im Lepanto Verlag

Der mit Abstand prominenteste Vertreter unter den Autoren des Lepanto Verlags ist aber kein Geringerer als Papst Benedikt der XVI. Der Geistliche veröffentlichte im Jahr 2012 bei Lepanto sein Buch „Kirchenlehrer der Neuzeit“. Auf der Verlagswebseite wird das Buch noch heute angepriesen: „124 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag.“ Benedikt war zu dieser Zeit noch Papst, also aktives Oberhaupt der Katholischen Kirche, und veröffentlichte in dem Verlag mit Verbindungen zum Rechtsextremismus.

Das Buch von Papst Benedikt XVI. ist nicht das einzige von einem hochrangigen Kirchenvertreter in dem kleinen Verlag. Erst vor wenigen Monaten, im Oktober 2023, erschien bei Lepanto ein Interviewband mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Müller gehört bis heute zur obersten Riege des Vatikans. Der frühere Bischof von Regensburg ist seit 2021 Mitglied der „Apostolischen Signatur“, dem höchsten Gericht der katholischen Kirche. Von 2012 bis 2017 war er zudem „Präfekt der Glaubenskongregation“ und bekleidete damit das dritthöchste Amt im Vatikan.

Müller gilt als konservativer Hardliner und innerkirchlicher Gegner des aktuellen Papst Franziskus und seiner Reformbestrebungen. Während der Corona-Pandemie wurde er für verschwörungsideologische Äußerungen kritisiert. Er hatte im Bezug auf die Corona-Maßnahmen unter anderem vor der Schaffung einer „Weltregierung“ gewarnt. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich davon distanziert. Deren Vorsitzender, Bischof Georg Bätzing, erklärte dazu in einem Interview mit der FAZ: „Da sind abstruse Ansichten dabei, die Spaltung befördern. Ich teile seine Auffassung nicht und finde seine Wortwahl absolut unpassend. Das geht gar nicht.“

Als Verleger hat Hans-Ulrich Kopp also höchste Vertreter des Vatikans im Programm, ist gleichzeitig seit Jahren für seine rechtsextremen Verbindungen bekannt und saß im November im Landhaus Adlon in Potsdam mit am Tisch, wo Pläne zur „Remigration“ geschmiedet wurden.

Katholische Bischöfe verurteilen „Remigrations“-Pläne

Ein Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, des höchsten Gremiums der Katholischen Kirche in Deutschland, verurteilte auf taz-Anfrage das Treffen in Potsdam und die dort besprochenen „Remigrations“-Pläne als „menschenverachtend und völlig inakzeptabel“. Der katholische Glaube gehe von der gleichen Würde aller Menschen aus. „Daher sind derartige Vorhaben mit dem katholischen Glauben in keiner Weise vereinbar.“ Wiederholt hätten sich deutsche Bischöfe, zuletzt aus Nord- und Ostdeutschland, gegen Rechtspopulismus und AfD ausgesprochen.

Zu den Publikationen von Kardinal Müller und Papst Benedikt im Lepanto Verlag äußerte sich der Sprecher allerdings nicht. Die Bischofskonferenz ist für sie nicht zuständig, sondern der Vatikan.

Katholischer Medienverband prüft Ausschluss

Der Heilige Stuhl im Vatikan äußerte sich auf Anfrage der taz nicht zu den Veröffentlichungen des Kardinals Müller sowie des verstorbenen Papst Benedikt beim Lepanto Verlag.

Ein Sprecher des Katholischen Medienverbands, in dem auch der Lepanto Verlag Mitglied ist, schrieb auf taz-Anfrage: Für rechtsextreme Verfassungsfeinde sei kein Platz im Katholischen Medienverband. Sollte sich die taz-Recherche bewahrheiten, werde man umgehend einen Verbandsausschluss einleiten.

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